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Abschluss des Jeunesse-ProzessesRetter oder Totschläger? Anwalt fordert Bewährungsstrafe für Jugendtrainer

Abschluss des Jeunesse-Prozesses / Retter oder Totschläger? Anwalt fordert Bewährungsstrafe für Jugendtrainer
20. Januar 2023: Am Rande des Jeunesse-Trainingskomplexes kommt es zum Drama Foto: Editpress-Archiv/Tania Feller

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Am letzten Tag des Prozesses um den tödlichen Zwischenfall beim Jugendtraining der Escher Jeunesse rückte die Deutung der Tat wieder in den Vordergrund: Ist der Trainer ein Totschläger oder aber der Retter der Kinder? In ihren Plädoyers tendierten die Anwälte der Beschuldigten zu zweiter These. Das Urteil wird Ende April verkündet.    

Mit den Plädoyers der Anwälte ging am Freitag der Prozess um den tödlichen Zwischenfall beim Jugendtraining der Escher Jeunesse im Januar 2023 zu Ende. A., ein Asylbewerber aus dem Irak, hatte beim Training der Minimes (U13) mit zwei Messern bewaffnet den Platz betreten, nachdem es eine gute halbe Stunde früher bereits an gleicher Stelle zum Streit mit dem Jugendtrainer L. gekommen war.

Der aus dem französischen Grenzgebiet stammende L., sein Halbbruder C. und Spielervater D. stellten sich dem Angreifer entgegen, konnten ihn in die Flucht schlagen und nahmen die Verfolgung auf. Schlussendlich war es L., der auf den auf dem Boden liegenden A. mit dessen zuvor fallengelassenen Messer einstach. An den Folgen eines Stiches sollte A. später im Krankenhaus sterben. Nach der Tat entbrannte in den sozialen Netzwerken eine Diskussion, ob L. nun ein Totschläger oder aber Held ist, der 26 Kindern das Leben rettete.

Vor Gericht machte der inzwischen 24-jährige L. von Anfang an den Eindruck, als sei er sich des Ernsts seiner Lage nicht bewusst. Er legte sich sowohl am Donnerstag als auch am Freitag mit Richterin Sylvie Conter an, fiel ihr ins Wort und bemerkte zum Schluss in ihre Richtung: „J’ai déjà l’habitude avec vos menaces.“ Dabei riskiert er nicht weniger als 18 Jahre Haft. Sein Anwalt Frédéric Mioli forderte im Plädoyer eine Bewährungsstrafe für seinen Mandanten. Das, weil es sich um legitime Verteidigung handelte, weil keine Mordabsicht bestand und weil das aggressive Opfer die Situation heraufbeschworen hätte. Alle Beteiligten seien in einer extremen Stresssituation gewesen, zudem sei die Zeitspanne extrem kurz gewesen. 

Am Anfang zugestochen

Prozess gegen L. wegen häuslicher Gewalt

Nach dem Prozess zum tödlichen Zwischenfall am Jeunesse-Traingskomplex musste sich der Hauptangeklagte L. am Freitag noch in einem weiteren Prozess wegen häuslicher Gewalt verantworten. Die Lebensgefährtin und Mutter der beiden gemeinsamen Kinder (2 und 3 Jahre alt)  hatte L. wegen mehrerer Vergehen angezeigt. Mehrmals soll sie von L. geschlagen und bedroht (zum Teil mit dem Tod) worden sein. Wobei Fäuste und auch Gegenstände, u.a. ein Messer, eingesetzt worden wären. Die Fälle gehen bis 2020 zurück, der letzte datiert aus dem vergangenen Jahr. Inzwischen habe man aber Einigkeit erzielt, so die junge Dame aus Esch. Damals hätte sie Klage eingereicht, weil sie sich nicht mehr sicher gefühlt habe, das sei heute aber anders. Jedenfalls bereue sie die Klageführung nun. „Für mich ist die Sache erledigt“, sagte sie im Zeugenstand. L. äußerte sich vor der Richterin nicht zu den Vorwürfen. Die Staatsanwaltschaft forderte 24 Monate Gefängnis. Eine Bewährungsstrafe sei möglich, sofern sich L. einer Therapie bei der Anlaufstelle für häusliche Gewalt unterzöge. Auch in diesem Fall wird das Urteil am 24. April verkündet. 

Daher könnten auch einige Zeugenaussagen in Zweifel gezogen werden, so Mioli. Das Gericht stütze sich zudem auf die Aussagen des mitangeklagten D., dabei seien die Aussagen seines Mandanten in seinen Augen genauso plausibel. Es geht dabei vor allem um den Zeitpunkt der Messerstiche. Er denke, L. habe zuerst zugestochen und dann erst mit einem Stein mehrfach ins Gesicht des Opfers geschlagen. D.h. die tödlichen Verletzungen seien zu Beginn des Kampfes entstanden und nicht erst, nachdem A. immobilisiert und wehrlos am Boden gelegen hätte. Außerdem erinnerte Mioli an die schwierige Kindheit L.s, in der sein Charakter begründet läge. Damit meinte er, Gefühle zu unterdrücken, sich zu wehren und mitunter auch aufbrausend zu sein. Jedenfalls bekam nicht nur die Präsidentin der Kriminalkammer Sylvie Conter, sondern auch alle anderen Anwesenden in den letzten beiden Prozesstagen eine ziemlich genaue Vorstellung der Charakterzüge des Hauptangeklagten.  

Was den der schweren Körperverletzung beschuldigten Spielervater D. betrifft, so forderte Anwalt François Moyse den Freispruch von allen Vorwürfen. Was D. getan habe, sei legitime Verteidigung gewesen. Er sollte als Zeuge hier sitzen, nicht als Angeklagter. Sein Mandat hätte sehr großen Mut bewiesen und ziemlich sicher Schlimmeres verhindert. Und das gleich in drei Schlüsselmomenten: Indem er die Kinder wegschickte und den beiden Trainern zur Seite sprang; indem er den Angreifer A. mit seinem Ziegelsteinwurf „aufgeweckt“ hätte; und indem er zum Schluss versuchte, das Leben von A. zu retten, sich schützend über dessen Kopf legte und den beiden Trainern zurief: „Hört auf, hört auf, ihr geht zu weit!“ Für Moyse hätte sein Mandant eher einen Verdienstorden an Nationalfeiertag verdient, als auf der Anklagebank zu sitzen.

Das Urteil wird am 24. April gesprochen. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft hatte am Donnerstag 18 Jahre Gefängnis, darunter einen Teil ohne Bewährung, für den Hauptangeklagten L. gefordert und eine Geldstrafe für Spielervater D.


Der Prozess zum Nachlesen:

Vorschau: https://www.tageblatt.lu/headlines/notwehrexzess-oder-legitime-verteidigung-prozess-wegen-toedlichen-zwischenfalls-beim-jugendtraining-beginnt-dienstag/

Tag 1: https://www.tageblatt.lu/headlines/vom-taeter-zum-opfer-vom-retter-zum-totschlaeger-das-geschah-beim-jeunesse-jugendtraining/

Tag 2: https://www.tageblatt.lu/headlines/prozess-tag-2-keine-neuen-erkenntnisse-nach-den-zeugenaussagen-prozess-wird-verlaengert/

Tag 3: https://www.tageblatt.lu/headlines/18-jahre-gefaengnis-fuer-jugendtrainer-gefordert/