Montag3. November 2025

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Ein Jahr nach der JahrhundertflutRegierungschef Valencias tritt zurück – Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung

Ein Jahr nach der Jahrhundertflut / Regierungschef Valencias tritt zurück – Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung
Am 1. November 2024 türmen sich Trümmer entlang einer Straße, nachdem die Stadt Paiporta in der Region Valencia im Osten Spaniens von verheerenden Überschwemmungen heimgesucht wurde Foto: AFP

Ein Jahr nach der Horrorflut, die am 29. Oktober 2024 weite Teile der spanischen Mittelmeerregion Valencia verwüstete und 229 Menschen das Leben kostete, hat der konservative Regionalpräsident Carlos Mazón seinen Rücktritt erklärt. Er zieht damit die Konsequenzen aus seinem umstrittenen Krisenmanagement während der Katastrophe, bei der ganze Dörfer in den Wassermassen versanken.

„Es ist Zeit, eigene Fehler anzuerkennen“, sagte Regionalpräsident Carlos Mazón am Montag in seinem Regierungssitz in der Regionalhauptstadt Valencia. Der 51-Jährige räumte ein, er habe die Lage bei der Horrorflut im Oktober vergangenen Jahres falsch eingeschätzt: Er sprach mit brüchiger Stimme, wirkte erschöpft. „Ich weiß, dass ich Fehler begangen habe und werde mein ganzes Leben mit ihnen leben müssen.“ Schließlich bekannte er: „Ich kann nicht mehr.“

Neuwahlen in seiner bekannten Mittelmeerregion, die jedes Jahr von Millionen Urlaubern besucht wird, rief Mazón zunächst nicht aus. Stattdessen bat er das Regionalparlament, einen Nachfolger zu bestimmen. Bis dahin bleibt er kommissarisch im Amt. Mazóns konservative Volkspartei ist auf die Zustimmung der rechtspopulistischen Partei Vox angewiesen, mit der Mazón bisher regiert hatte.

Druck zuletzt enorm gewachsen

Der Druck auf den Regionalpräsidenten war zuletzt enorm gewachsen – politisch, juristisch und moralisch. Bei einem Staatsakt zum Jahrestag der Flutkatastrophe vor wenigen Tagen empfingen Angehörige der Todesopfer Mazón mit „Mörder“-Rufen und Transparenten, auf denen stand: „Es waren vermeidbare Tote.“ Die Stimmung war aufgeheizt.

König Felipe VI. mahnte beim Staatsakt, die Ursachen der Tragödie genauestens zu analysieren, damit sie sich nicht wiederholt. Der Monarch forderte, „alle Lehren aus dem Geschehen zu ziehen, um Leben zu schützen“ und um die künftige Reaktionsfähigkeit der Katastrophenschutzbehörden zu verbessern.

Parallel dazu laufen seit Monaten strafrechtliche Ermittlungen. Die Untersuchungsrichterin Nuria Ruiz ermittelt wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung gegen mehrere frühere Mitglieder der Mazón-Regierung. Sie sieht „erdrückende Indizien für grobe Fahrlässigkeit“. Die Regionalregierung soll den Katastrophenstab viel zu spät einberufen und einen Handy-Warnalarm an die Bevölkerung erst um 20.11 Uhr abends ausgelöst haben – da waren viele Menschen bereits in den Fluten gestorben.

Die Ermittlungsrichterin betonte, die materiellen Schäden seien unvermeidlich gewesen – die Todesopfer nicht. Sie spricht von „handfesten Versäumnissen“ bei der Krisenkoordination und dem Umgang mit bekannten Risikozonen entlang von Flussläufen.

Ermittlungen laufen

Die Ermittlungen richten sich derzeit konkret gegen die damalige regionale Innenministerin Salomé Pradas und ihren Staatssekretär Emilio Argüeso. Mazón selbst ist (noch) nicht offiziell Beschuldigter. Als Regierungschef und Abgeordneter war er bisher durch seine parlamentarische Immunität geschützt. Dennoch gerät er als oberster politischer Verantwortlicher zunehmend in den Fokus der Ermittlungen – vor allem wegen seines Verhaltens am Katastrophennachmittag.

Zum Symbol seines umstrittenen Handelns wurde ein ausgedehntes Essen am Tag, als in seiner Region Valencia die Welt unterging. Mazón war am 29. Oktober 2024 gegen drei Uhr nachmittags zu einem stundenlangen privaten Treffen mit einer prominenten Journalistin in einem Restaurant in der Stadt Valencia verschwunden.

In der Region bestand zu diesem Zeitpunkt bereits eine maximale Unwetterwarnung, die ersten Ortschaften im Hinterland standen schon unter Wasser. Erst am späteren Abend, gegen 20.30 Uhr, tauchte Mazón dann im Krisenstab auf. Zu dieser Zeit soll es bereits mehr als 150 Tote gegeben haben. Nun, am Tag der Rücktrittsankündigung, räumte Mazón ein: „Ich hätte die Weitsicht haben müssen, meine Termine abzusagen.“

Regionen tragen die Hauptverantwortung

In Spanien tragen die Regionen die Hauptverantwortung für Zivilschutz und Krisenmanagement. Der regionale Krisenstab koordiniert die Einsätze, Alarmierungen und Evakuierungen – nicht die Zentralregierung in Madrid. Umso heftiger fielen die Vorwürfe aus, die valencianische Regierung habe zu spät reagiert.

Die Flut war Folge eines Starkregenunwetters, das binnen Stunden mehrere Hundert Liter Regen pro Quadratmeter brachte. Aus sonst trockenen Flussbetten im bergigen Hinterland wurden reißende Ströme, die ganze Ortschaften überfluteten und schließlich auch Teile der Regionalhauptstadt Valencia unter Wasser setzten.