7. November 2025 - 6.55 Uhr
EU-ParlamentRechtsstaatliche Situation in Ungarn „signifikant verschlechtert“
Im September 2018 leitete das EU-Parlament ein Verfahren nach Artikel 7 des Vertrages gegen Ungarn ein, da die EP-Abgeordneten im Handeln der ungarischen Regierung von Viktor Orbán das Risiko von schweren Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit sahen. Das Verfahren sieht vor, dass sich die EU-Staaten im Rat dem Fall annehmen. Sollte das inkriminierte Mitgliedsland keine Besserung der rechtsstaatlichen Situation herbeiführen, könnte letztendlich das Stimmrecht im Rat entzogen werden. Doch davon sind die 27 noch weit entfernt. Was im EU-Parlament bedauert wird.
Zwar hatte sich der EU-Rat noch vor rund zwei Wochen in seiner mittlerweile neunten Sitzung zur Rechtsstaatlichkeit in Ungarn mit dem Fall befasst, allerdings „ohne konkrete Schritte“, wie die Berichterstatterin zum EP-Bericht, die niederländische Grünenabgeordnete Tineke Strik, im Vorfeld einer Ausschusssitzung diese Woche bedauerte. Denn die rechtsstaatliche Situation habe sich „signifikant verschlechtert“, und das „an allen Fronten“, wie Tineke Strik meinte, als sie auf einige Punkte im Bericht einging, der am Mittwoch mit großer Mehrheit im zuständigen EP-Ausschuss angenommen wurde.
So würden weiterhin Probleme im Justizwesen bestehen, vor allem bei höheren Instanzen, wie dem Verfassungsgericht. Dort gebe es „besorgniserregende Entwicklungen“. Etwa wenn das Oberste Gericht darüber entscheidet, wie Urteile des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zu interpretieren seien und ob sie befolgt werden sollten oder nicht. Zwar habe die EU-Kommission diesen Umstand in ihrem Bericht über die Rechtsstaatlichkeit angeführt, doch bisher nichts dagegen unternommen, so die Grünen-Abgeordnete. Dabei gilt das Prinzip, dass EU-Recht Vorrang vor nationalem Recht hat. Tineke Strik sieht daher eine „große Gefahr“ für die anderen EU-Staaten, wenn Ungarn dieses Prinzip nicht mehr respektiert.
Ein nationaler Justizrat, der auf Verlangen der EU-Kommission eingerichtet wurde und etwa im Rahmen von Justizreformen konsultiert werden soll, „werde komplett ausgegrenzt“, erzählt die Grünenpolitikerin aus Gesprächen mit „frustrierten“ Mitgliedern dieses Rates während einer Mission des Ausschusses in Budapest. Dabei hatte die EU-Kommission im Dezember 2023 zurückgehaltene EU-Gelder in Höhe von zehn Milliarden Euro freigegeben, nachdem der Justizrat eingerichtet worden war. Für diese Entscheidung wurde die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen damals scharf kritisiert.
Es gebe „weiterhin ein hohes Niveau an Korruption“ in Ungarn. „Orban und seine Clans“ seien darin verwickelt, sagt die niederländische EP-Abgeordnete. Daher werde die Korruption kaum bekämpft. Es gebe zwar eine Behörde zur Korruptionsbekämpfung, doch die habe absolut keine Ermittlungsbefugnis, sei auf öffentliche Informationen oder Whistleblower angewiesen, moniert Tineke Strik.
Weiter Druck auf Medien und Zivilgesellschaft
Die Zivilgesellschaft und Medien im Land stehen ebenfalls weiter unter Druck. Die seien nun zusätzlich von Ermittlungen durch das „Büro für den Schutz der Souveränität“ betroffen, das gegen Organisationen vorgehen soll, die auch mit Geldern aus dem Ausland unterstützt werden. Betroffen seien vor allem Menschenrechts- und Anti-Korruptions-Organisationen, die EU-Gelder erhielten, erklärte die Niederländerin. Gegen das sogenannte „Souveränitätsgesetz“, mit dem das Büro geschaffen wurde, ist eine Klage vor dem EuGH anhängig, da die EU-Kommission das Gesetz als eine Gefahr für die Demokratie in Ungarn erachtet.
Schließlich monierte die Grünenabgeordnete, dass die Regierung weiterhin den vor Jahren erklärten „Notstand“ im Land aufrechterhält, wodurch sie die Möglichkeit hat, das Parlament zu umgehen und per Dekret Gesetze sozusagen über Nacht zu ändern. Das würde zu Rechtsunsicherheit führen, so Tineke Strik weiter.
Sie bedauert, dass die Zurückhaltung sowohl der EU-Kommission als auch des EU-Rates zu einer weiteren Verschlechterung der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn geführt hat. In ihrem Bericht werfen die EU-Parlamentarier daher den EU-Staaten vor, selbst gegen den Vertrag zu verstoßen, da sie den Artikel 7 nicht effektiv anwenden, wodurch dieser an Glaubwürdigkeit verliere. Die EU-Kommission und der Rat werden daher aufgefordert, „der systematischen und vorsätzlichen Aushöhlung der Rechtsstaatlichkeit“ in Ungarn mehr Aufmerksamkeit zu widmen und dagegen vorzugehen.
Der Bericht wird in der letzten Novemberwoche dem EP-Plenum zur Abstimmung vorgelegt.
De Maart

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