EditorialRechtsruck gegen den Rechtsruck – wie die Christdemokraten auf die schiefe Bahn kamen

Editorial / Rechtsruck gegen den Rechtsruck – wie die Christdemokraten auf die schiefe Bahn kamen
Die Christdemokraten, die Wege der legalen Migration stets ablehnten, machen sich die selbst geschaffenen unhaltbaren Zustände zum Argument für eine weitere Verschärfung des Migrationsrechts Foto: dpa/Andreea Alexandru

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Die europäischen Christdemokraten wollen das Migrationsrecht drastisch verschärfen. Asyl soll es künftig in sogenannten sicheren Drittstaaten geben. Der Europäischen Volkspartei (EVP) schwebt das Ruanda-Modell vor, das die britischen Tories gerade gegen alle Widerstände aus der Justiz durchboxen. „Wer in der EU Asyl beantragt, könnte auch in einen sicheren Drittstaat überstellt werden und sich dort dem Asylverfahren unterziehen“, heißt es im Wahlprogramm der EVP, der auch die CSV angehört. „Bei positivem Ausgang gewährt der sichere Drittstaat dem Antragsteller Schutz vor Ort.“

Die extreme Rechte träumt schon lange von der „Festung Europa“, deren Mauern niemand überwinden kann. Die Christdemokraten wollen diese Träume jetzt wahr werden lassen.

Aus Nächstenliebe, im doppelten Unsinn.

Der moralische Umhang ist dem Ruanda-Modell schon umgelegt. Die sicheren Drittstaaten, die es bislang nicht gibt, würden dem Sterben im Mittelmeer ein Ende setzen; es wäre demnach quasi moralisch nicht mehr verwerflich, Menschen kein Asylgesuch in Europa mehr anzubieten. Abschiebungen werden damit als lebensrettende Maßnahme verpackt und verkauft – es ist eine zynische Argumentation: Die Konservativen, die Wege der legalen Migration stets ablehnten und sich selten gegen Grausamkeiten wie Pushbacks auf dem offenen Meer auflehnten, machen sich die selbst geschaffenen unhaltbaren Zustände zum Argument für eine weitere Verschärfung des Migrationsrechts. Zum einen.

Zum anderen, und das macht es nicht besser, geschieht dieser nächste Schwenk weiter nach rechts aus wahltaktischen Gründen. Die Christdemokraten kokettieren auf EU-Ebene offen mit den Europäischen Konservativen und Reformern der EKR-Partei, der unter anderem die Fratelli d’Italia von Giorgia Meloni, die polnische PiS und die ADR angehören. Der Wink mit dem Grenzzaun wurde dort sicherlich verstanden.

In Fragen der Migration haben sich die Konservativen mit den Jahren radikalisiert. Das EVP-Wahlprogramm für die Europawahlen ist ein weiterer Schritt in diese Richtung. Diktiert hat es die deutsche CDU, aber die CSV sitzt im selben Boot, auch wenn sie, wie ihr Spitzenkandidat für die EU-Wahlen, Christophe Hansen, gegenüber RTL sagte, den „Ruanda“-Punkt nicht mitgestimmt hat. Bei derselben Gelegenheit behauptete Hansen, das beste Mittel gegen einen Rechtsruck in der EU sei, die CSV zu wählen. Ein Spin, auf den man erst einmal kommen muss.

Bereits nach etwas mehr als 100 Tagen CSV-DP-Regierung wird immer deutlicher, dass die CSV zu wählen hierzulande offensichtlich der beste Weg für einen Rechtsruck war. Teile der DP haben, auch das hat sich rasch gezeigt, nur darauf gelauert, auf diesen Zug aufspringen zu können. Christophe Hansen trägt daran keine direkte Mitschuld, dafür haben andere gesorgt. Etwas mehr Realitätsnähe wäre ihm in dieser Frage trotzdem ans Herz gelegt. CSV-Politiker wie Léon Gloden mit seinem Law and Order gegen Arme sowie Marc Lies, die seine kruden Ansichten in rabiater Sprache unter das Volk brachte, aber auch die DP-Politikerinnen Lydie Polfer und Simone Beissel sind die bekanntesten Beispiele dafür, dass wir es auch in Luxemburg mit zum Teil radikalisierten Konservativen und zum Teil verrohten Bürgerlichen zu tun haben.

Der beste Weg gegen einen Rechtsruck aber ist nicht, ihn selbst zu gehen, sondern ihm etwas entgegenzustellen. Rechte Politik und Strategien zu kopieren, ist auf lange, über den nächsten elektoralen Erfolg hinausgehende Sicht der denkbar schlechteste Weg dafür. Das gilt für das Land und das gilt für Europa.