Rechter Newcomer und linker Veteran in Stichwahl in Kolumbien

Rechter Newcomer und linker Veteran in Stichwahl in Kolumbien

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Auf der ganzen Welt wird Kolumbien für das Abkommen mit den Rebellen bejubelt, daheim aber ist es äußerst umstritten. Bei der Abstimmung über den neuen Präsidenten geht es um die Zukunft des Friedens: Die Kolumbianer haben die Wahl zwischen zwei Extremen.

Kolumbien ist tief gespalten: Zwischen jenen, die den Friedensvertrag mit den linken Farc-Rebellen für eine Kapitulation vor skrupellosen Schwerverbrechern halten und jenen, die in dem Abkommen den einzigen Ausweg aus Leid, Tod und Zerstörung sehen. Der künftige Präsident des südamerikanischen Landes wird diesen Riss kitten und die kolumbianische Gesellschaft versöhnen müssen.

Aus der ersten Runde der Präsidentenwahl ging der konservative Kandidat Iván Duque von der rechten Partei Centro Democrático mit 39,14 Prozent als Sieger hervor, wie das Wahlamt am Sonntag mitteilte. An zweiter Stelle lag mit 25,09 Prozent Gustavo Petro von der linken Bewegung Colombia Humana. Die beiden werden bei der Stichwahl am 17. Juni gegeneinander antreten. Präsident und Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos durfte nach zwei Amtszeiten nicht erneut kandidieren.

Bei der Abstimmung ging es vor allem um die Zukunft des historischen Friedensabkommens mit der linken Guerillabewegung Farc. Der international bejubelte Friedensprozess ist in dem südamerikanischen Land selbst äußerst umstritten. Duque will den Vertrag in wesentlichen Punkten ändern und könnte die Ex-Rebellen damit zurück in den Untergrund treiben. Petro hingegen will an dem Abkommen festhalten und die Umsetzung beschleunigen.

„Als Land haben wir uns dazu verpflichtet, den Vertrag mit den Farc zu erfüllen. Wenn wir das nicht tun, wird es uns teuer zu stehen kommen“, sagt Esperanza Cárdenas, bevor sie in der Hauptstadt Bogotá ihre Stimme abgibt. Einige Meter hinter ihr in der Schlange steht Diana Almanza. Sie macht sich Sorgen. „Wenn Petro gewinnt, könnte es hier wie in Venezuela werden, mit enteigneten Firmen und einer Diktatur“, sagt die junge Frau.

Nach mehr als einem halben Jahrhundert der Gewalt hatten die Regierung und die Farc den Bürgerkrieg im Herbst 2016 mit einem Friedensvertrag beigelegt. In dem Konflikt waren mehr als 220 000 Menschen ums Leben gekommen und Millionen vertrieben worden. Die Farc haben nun die Waffen niedergelegt und wollen künftig als politische Partei für ihre Ziele eintreten. Für ihre schweren Verbrechen haben sie laut Vertrag nur mit relativ milden Strafen zu rechnen. Zudem erhalten die Ex-Rebellen für zwei Legislaturperioden zehn Sitze im Kongress.

Das erste Mal in seinem Leben gibt auch der ehemalige Oberkommandeur der Farc bei einer Präsidentenwahl seine Stimme ab. „Lasst uns diesen Tag zu einem Tag der Versöhnung zwischen allen Kolumbianern machen“, sagt Rodrigo „Timochenko“ Londoño. Der 59-Jährige verbrachte den Großteil seines Lebens im Untergrund und konnte deshalb bislang nie wählen gehen. Zunächst wollte Londoño selbst bei der Präsidentenwahl antreten, zog seine Kandidatur dann aber wegen gesundheitlicher Probleme zurück.

Zwar hat die Gewalt in Kolumbien seit dem Friedensvertrag deutlich nachgelassen, Experten erwarten in den kommenden Jahren ein solides Wirtschaftswachstum. Trotzdem sind viele Menschen mit dem Abkommen unzufrieden. Nach dem Geschmack der Rechten machte der Staat den Rebellen zu viele Zugeständnisse, nach Ansicht der Linken erfüllt die Regierung ihre Zusagen nicht.

„Wenn Duque die Wahl gewinnt, gerät der Friedensprozess in ernsthafte Schwierigkeiten“, sagt Adam Isacson vom Forschungsinstitut Washington Office on Latin America. „Er will Teile des Friedensvertrags ändern, die für die Farc unverhandelbar sind. Das birgt die Gefahr, dass die ehemaligen Kämpfer in den Dschungel zurückkehren.“

Fraglich ist nun, für wen die Anhänger der ausgeschiedenen Kandidaten in der zweiten Runde stimmen. Der Ex-Bürgermeister von Medellín, Sergio Fajardo, kam immerhin auf 23,74 Prozent. Die Wähler des liberalen Mathematikprofessors dürften in der Stichwahl wohl eher zum linken Petro als zum rechten Duque tendieren. Zudem wird es darauf ankommen, wer seine Basis am besten mobilisiert. Bei der ersten Runde lag die Wahlbeteiligung bei gerade einmal 53 Prozent.

„Der künftige Präsident wird eine Menge ungelöster Probleme erben: die Umsetzung des Friedensvertrags mit den Farc, die andauernden Gespräche mit der kleineren Guerillaorganisation ELN und der Umgang mit den zahlreichen Flüchtlingen aus Venezuela“, sagt der Analyst der International Crisis Group, Kyle Johnson. „Bei dieser polarisierten Wahl steht der Frieden auf dem Spiel.“