Montag3. November 2025

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Neue Filme„Rapaces“ und „Jurassic World: Rebirth“ laufen in Luxemburg an, doch lohnt sich der Kinobesuch?

Neue Filme / „Rapaces“ und „Jurassic World: Rebirth“ laufen in Luxemburg an, doch lohnt sich der Kinobesuch?
Jonathan Bailey (r.) and Scarlett Johansson (l.) in Jurassic World: Rebirth (2025) Foto: Jasin Boland/Universal Pictures/Copyright: Universal Studios, all rights reserved/Quelle: imdb.com

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Die Raubtiere sind los: Geht in „Rapaces“ ein sensationsgeiler Journalist auf Beutefang, beißen sich in „Jurassic World: Rebirth“ die Dinosaurier an Steven Spielbergs Kulturfilmreihe die Zähne aus. Wem der große Fang gelingt.

Wenn Berichterstattung Beute wird (Rating: 2,5/5)

„Rapaces“ von Peter Dourountzis ist ein zur Hälfte diskreter politischer Film, zur anderen ein still vibrierendes Familiendrama. Es geht um Säureangriffe, um journalistische Obsessionen – und um eine Vater-Tochter-Beziehung, die sich irgendwo zwischen Wahrheitssuche und Sensationslust konstituiert.

Fall Kulik

Für „Rapaces“ gilt das, wovon so oft im politischen Kino der Gegenwart erzählt wird: Das, worum es eigentlich geht, bleibt nie dort, wo man es zu Beginn vermutet hat. Samuel (Sami Bouajila), ein verschlagener Journalist eines Boulevardblatts, nimmt seine Tochter Ava (Mallory Wanecque) als Praktikantin mit zu einem scheinbar gewöhnlichen Lokaltermin. In einem Vorort wurde eine junge Frau Opfer eines brutalen Säureanschlags – eine Tat, die Samuels Interesse weckt. Ähnlich eines Polizeiermittlers begibt er sich auf die Suche nach den Tätern. Doch seine Obsession ist auch Ausdruck von Sensationslust – jenseits von Moral und Ethik.

Der Fall Élodie Kulik erschütterte Frankreich im Jahr 2002 und gilt bis heute als eines der aufsehenerregendsten Verbrechen des Landes. Die 24-jährige Bankfilialleiterin verschwand am 10. Januar auf dem Heimweg von einem Restaurant. Ihr Auto war von der Straße abgekommen, und in Panik rief sie den Notruf an. Die aufgezeichneten 26 Sekunden ihres Anrufs zeigen, dass sie von mehreren Männern überwältigt wurde – Schreie, Befehle, Gewaltgeräusche sind zu hören. Zwei Tage später wurde ihre vergewaltigte, erwürgte und angezündete Leiche gefunden. Die Ermittlungen dauerten über zehn Jahre, mit tausenden DNA-Vergleichen. Regisseur Peter Dourountzis dient der reale Fall Élodie Kulik als deutlicher thematischer Bezugspunkt. Die Parallelen sind unübersehbar: Eine junge Frau wird Opfer eines grausamen Verbrechens, und ein entscheidender Tonmitschnitt spielt auch im Film eine zentrale Rolle.

Der Boulevardjournalist

Dourountzis‘ Film ist indes weniger am eigentlichen Verbrechen interessiert als vielmehr am Wesen der Boulevardpresse: Deren Methoden der investigativen Recherchearbeit führen genau in den Grenzbereich, wo Recherche zur Ausbeutung wird. Dourountzis inszeniert den Journalisten als jemanden, der durch die Aufklärung die eigenen Abgründe sichtbar macht. Die Suche nach Wahrheit ist dem Unterfangen, aus einer Gewalttat eine Story zu machen, untergeordnet. Die Beziehung zwischen Samuel und seiner Tochter Ava ist denn auch von einem fragilen Gleichgewicht zwischen Vertrauen und Misstrauen geprägt. Ava, anfangs bewundernd und unsicher, beginnt zunehmend, die manipulative Ader ihres Vaters zu hinterfragen. Ava wird zur moralischen Kontrastfigur ihres Vaters: Während er bereit ist, das Verbrechen zu instrumentalisieren, ringt sie um eine eigene Haltung zwischen Empathie und journalistischer Distanz.

Jean-Pierre Darroussin und Mallory Wanecque in „Rapaces“ (2025)
Jean-Pierre Darroussin und Mallory Wanecque in „Rapaces“ (2025) Quelle: imdb.com

Ferner aber zeigt der Film die Mechanismen einer Presse, die Schmerz in Auflage verwandelt, Opfer zur Ware macht und ethische und moralische Grenzen ignoriert. Nicht nur die Täter sind die titelgebenden „Raubvogel“ – auch Medien erscheinen als Teil eines Systems, das sich an menschlichen Abgründen ergötzt und sich am Leid der Opfer labt. Samuel kommt nicht nur der Polizei zuvor, sondern sucht gezielt das Gespräch mit Angehörigen der Opfer, noch bevor offizielle Ermittlungen überhaupt beginnen. Er erschleicht sich ihr Vertrauen, stellt sich als jemanden dar, der helfen will – doch in Wahrheit geht es ihm darum, emotional aufgeladene Details zu gewinnen. Aussagen, Fotos, persönliche Gegenstände: Was eigentlich Beweismaterial sein könnte, verwandelt er in Bausteine für eine exklusive Story.

Wie Geier wittern sie das Elend aus der Ferne, stürzen sich auf frische Tragödien und reißen gierig an sich, was noch warm ist – im Namen der Öffentlichkeit, doch im Dienst der Auflage. „Rapaces“ stellt die Frage, wie viel journalistische Integrität tatsächlich in einem Bericht steckt, der vor allem Klicks und Emotionen generieren soll – und ob wir als Rezipienten nicht längst Teil des Problems geworden sind. Ein Film, der zeigt, was aus uns wird, wenn wir die Wahrheit nur noch als Produkt behandeln.


Dinosaurier ohne Biss (Rating: 2/5 Punkte)

Mit „Jurassic World: Rebirth“ wagt das Dino-Franchise einen weiteren Neustart. Der Film bleibt zwischen Action-Attraktionen und angedeuteter Kapitalismuskritik stecken und verfehlt den emotionalen Kern, der das Original einst zu einem Klassiker machte.

Wieder einmal führt eine Expedition auf eine abgelegene Insel, auf der Dinosaurier in einem letzten tropischen Rückzugsort überleben. Die Saurier, von Krankheit und Klimawandel bedroht, sollen durch Blutproben zur Grundlage einer neuen Medizin gemacht werden. Während einige Figuren dabei vor allem auf Profit hoffen, entdecken andere eine tiefe, fast spirituelle Faszination für die urzeitlichen Wesen. Doch wie in „Jurassic Park“ (1993) kippt auch hier die vermeintlich wissenschaftlich kontrollierte Unternehmung bald ins Chaos: Forscher werden zu Gejagten, und die scheinbare Ordnung kollabiert inmitten von Morast, Wurzeldickicht und prähistorischem Gebrüll.

Abklatsch?

„Jurassic World: Rebirth“ ist ein Film, der sich seiner Herkunft deutlich bewusst ist. Er referenziert Szenen, Motive und Einstellungen aus den Vorgängern, ohne ihnen jedoch eine neue Bedeutung abzugewinnen. Wie bereits in „Jurassic World“ (2015) dominiert das visuelle Spektakel, während emotionale Tiefe und symbolische Aufladung weitgehend fehlen. Dabei war es genau diese Tiefe, die Steven Spielbergs „Jurassic Park“ (1993) über den Status eines Effektfilms hinausgehoben hatte. Was dort noch als Allegorie über menschliche Hybris, Elternschaft und Verantwortungsübernahme angelegt war, wird im neuen Film bestenfalls angedeutet und zumeist zugunsten zäher Übergänge und flacher Charakterzeichnungen geopfert.

Die Grundidee – Dinosaurier als Projektionsfläche für unsere Ängste und Hoffnungen – schimmert auch in „Rebirth“ gelegentlich durch. Wenn ein Mensch in freier Wildbahn erstmals die raue Haut eines Sauriers berührt, dann hat das für einen Moment die Qualität einer mythischen Begegnung. Doch der Film versäumt es, diesen Moment weiterzudenken. Stattdessen wird er rasch von der nächsten Monsterattacke überrollt, eingebettet in Slapstick-Momente und Abenteuerklischees. Boote kippen, Menschen rutschen über schiefe Decks, hängen von Klippen oder werden in letzter Sekunde vor Saurierkiefern gerettet. Der neue Film folgt der Logik des Franchises: immer größer, lauter, spektakulärer – aber eben auch leerer.

Zu viel des Guten

Selbst da, wo „Rebirth“ eine Spur von Ambivalenz zulässt, etwa in der Darstellung der Natur als letzte Machtinstanz gegenüber menschlicher Maßlosigkeit, bleibt der Film unentschlossen, so sehr vereint er diverse Ambitionen auf sich: Abenteuerfilm, Kritik am Wissenschaftswahn, Familiendrama, Survival-Thriller. Die Rückkehr zu den Dinosauriern wird nicht länger allein durch Sensationslust oder militärisches Interesse motiviert – sondern durch ein hochambitioniertes medizinisches Projekt: Ein Heilmittel gegen Herzkrankheiten, das nur aus dem Blut dreier Dinosaurierarten gewonnen werden kann. Doch das potenzielle Heilmittel bleibt womöglich in Reichweite nur weniger Superreichen.

Sieht bissig aus, ist es aber nicht: „Jurassic World: Rebirth“ überzeugt nicht
Sieht bissig aus, ist es aber nicht: „Jurassic World: Rebirth“ überzeugt nicht Foto: Amblin En/Copyright:Universal Studios. All Rights Reserved/Quelle: imdb.com

Die Dinosaurier werden so zum Schlüssel einer medizinischen Zukunft, die von Beginn an von Ungleichheit geprägt ist – Natur als Ressource für Macht und Profit. Doch gerade durch diesen überladenen Ansatz verliert er seine erzählerische Linie. Vielleicht ist das das Sonderbare an diesem Film: Er funktioniert wie seine eigene Prämisse – als Wiederbelebungsversuch eines längst ausgestorbenen Konzepts. Man kann Dinos digital erschaffen, Erinnerungen wachrufen und ganze Freizeitparks simulieren. Aber man kann keine echte Faszination erzwingen. Diese entsteht nicht durch Größe oder Lautstärke, sondern durch Geschichten, die uns wirklich berühren.

Steven Spielbergs „Jurassic Park“ bleibt ein Meilenstein, weil er weit mehr war als ein Monsterfilm. Er war ein emotionales Lehrstück über Reife, Verantwortung und das, was passiert, wenn Menschen Gott spielen. „Rebirth“ hingegen ist ohne echtes Anliegen, ohne Biss, ohne Zentrum. Ein Film wie ein abgestandenes Echo aus der Vergangenheit. Laut, aber hohl.