Sonntag26. Oktober 2025

Demaart De Maart

DeutschlandRäumung von Lützerath wird zur Belastungsprobe für die Grünen

Deutschland / Räumung von Lützerath wird zur Belastungsprobe für die Grünen
Die Polizei hat am Mittwoch mit der Räumung des Braunkohle-Dorfes Lützerath begonnen Foto: Ina Fassbender/AFP

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Die Räumung des umkämpften Braunkohle-Dorfes Lützerath in Nordrhein-Westfalen wird vor allem für die Grünen zu einer Belastungsprobe. Während der Vize-Kanzler die Vereinbarung mit dem Energiekonzern RWE zur Aufgabe des Dorfes verteidigt, protestiert der Chef der Grünen Jugend vor Ort und klagt das brutale Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten an.

Die Polizei hat am Mittwochmorgen mit der Räumung des von Klimaaktivisten besetzten Weilers Lützerath in Nordrhein-Westfalen begonnen. In den frühen Morgenstunden umstellten die aus 14 Bundesländern rekrutierten Polizeikräfte das Dorf. Beim Vorrücken stieß die Polizei zunächst auf erbitterten Widerstand. Aus den Reihen der Besetzer flogen Molotowcocktails, Böller und Steine. Mehreren Hundertschaften der Polizei gelang es jedoch, schneller als gedacht bis in den Ortskern vorzudringen. Offenbar hatten die Tagebau-Gegner nicht damit gerechnet, dass die Polizei über eine Rampe aus dem Braunkohletagebau kommen würde. Straßenblockaden verfehlten damit ihre Wirkung.

Mehrere Aktivisten leisteten der Aufforderung der Ordnungskräfte Folge, den Ort ohne Konsequenzen zu verlassen. Zahlreiche Menschen verbarrikadierten sich jedoch in den verbliebenen Gebäuden sowie in den Baumhütten und auf Holzkonstruktionen. Polizisten begannen damit, Straßensperren zu entfernen. Die zunächst aufgeheizte Lage beruhigte sich im Laufe des Vormittags. Ein Polizeisprecher erklärte am Nachmittag, die Lage habe sich „vollständig beruhigt“, für die Polizei laufe alles nach Plan.

Das Gelände gehört dem Energiekonzern RWE, der die darunter befindliche Braunkohle abbaggern will. Der Konzern erklärte, als eine der ersten Maßnahmen werde aus Sicherheitsgründen ein gut 1,5 Kilometer langer Bauzaun aufgestellt. „Er markiert das betriebseigene Baustellengelände, wo in den nächsten Wochen die restlichen Gebäude, Nebenanlagen, Straßen und Kanäle der ehemaligen Siedlung zurückgebaut werden“, teilte RWE mit. „Zudem werden Bäume und Sträucher entfernt.“ Anschließend könne der bereits nahe Tagebau Garzweiler damit beginnen, die Braunkohle unter dem ehemaligen Ort freizulegen.

Es ist die richtige Entscheidung, es ist eine gute Entscheidung für den Klimaschutz.

Robert Habeck, Grüner deutscher Wirtschaftsminister

Vor allem für die Grünen wird die Räumung zur Belastungsprobe. Denn die von den Grünen geführten Wirtschaftsministerien in Bund und Land hatten mit RWE einen von 2038 auf 2030 vorgezogenen Kohleausstieg im Westen vereinbart. Dafür sollen zwei Braunkohle-Kraftwerksblöcke, die eigentlich bis Ende 2022 abgeschaltet werden sollten, bis Ende März 2024 in Betrieb bleiben – mit der Option auf ein weiteres Jahr. Die Siedlung Lützerath soll laut Vertrag abgerissen werden, um dort Kohle zu fördern. Fünf bereits weitgehend leer stehende Dörfer in der Nachbarschaft von Lützerath sollen hingegen erhalten werden.

Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verteidigte die Vereinbarung für den Kohleausstieg und die Aufgabe von Lützerath. „Es ist die richtige Entscheidung, es ist eine gute Entscheidung für den Klimaschutz“, sagte Habeck. „Es beendet verbindlich die Abbaggerei im Rheinischen Revier ab 2030. Und fünf Ortschaften, in denen Menschen leben, werden gehalten.“ Habeck betonte auch : „Wir befinden uns noch immer in einer angespannten Energiesituation.“ Er erinnerte daran, dass zwei Kraftwerksblöcke zunächst länger laufen sollen. „Das heißt, wir brauchen im Moment mehr Kohle, leider. Das ist nichts, worauf man stolz sein kann.“ Durch den früheren Kohleausstieg im Westen insgesamt werde aber klimaschädliches Kohlendioxid gespart.

Indirekte Kritik an Parteifreunden

Der Chef der Grünen Jugend, Timon Dzienus, der am Mittwoch selbst vor Ort in Lützerath demonstrierte, kritisierte indirekt seine Parteifreunde. Die Kritik des grünen NRW-Umweltministers Oliver Krischer, wonach sich die Proteste in Lützerath auf den falschen Ort konzentrierten, „kann ich nicht nachvollziehen“, sagte Dzienus dem Tageblatt. „Wir protestieren hier gegen gigantische, zerstörerische Bagger des Energiekonzerns RWE, der zurzeit wieder viele Milliarden mit der Kohleverstromung verdient und für den Kohleausstieg bereits mit weiteren Milliarden abgefunden wird. Unser Protest richtet sich genau gegen die Richtigen und ist absolut richtig. Es geht hier um viel mehr als um Lützerath, es geht um die Ernsthaftigkeit der gesamten Klimaschutzpolitik in Deutschland“, sagte Dzienus. „Ich sehe hier vor allem friedliche Proteste. Wenn aber Hundertschaften der Polizei auf uns zustürmen und zuschlagen, dann ist das auch eine Gewaltanwendung.“

Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge stellte sich indessen hinter die friedlichen Proteste im Braunkohle-Dorf Lützerath und forderte einen vorgezogenen Kohleausstieg auch in Ostdeutschland. „Angesichts der Dramatik der Klimakrise sind friedliche Demonstrationen für mehr Klimaschutz wichtig“, sagte Dröge dem Tageblatt. „Gewalt lehnen wir ab“, betonte Dröge. „Wir Grüne haben es geschafft, den Kohleausstieg im Westen um acht Jahre auf 2030 vorzuziehen. Nun müssen wir erreichen, dass auch der Kohleausstieg im Osten vorgezogen wird und das Tempo beim Ausbau der Erneuerbaren Energien weiter steigt“, sagte Dröge.

kassnic840
12. Januar 2023 - 11.11

Die Grünen sind doch erbärmliche Nichtwahrheitsager oder verstehe ich etwas nicht?