Fahrradhandel„Radfahren erlebt eine wahre Renaissance“

Fahrradhandel / „Radfahren erlebt eine wahre Renaissance“
Geschäftsinhaber Philippe Hutmacher ist in der Radsportszene bekannt Fotos: René Hoffmann

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Im Lockdown entdeckten immer mehr Menschen das Radfahren neu. Das brachte mit sich, dass viele eingestaubte Räder, die bisher im Keller gelagert wurden, generalüberholt werden mussten oder neue weggingen wie heiße Semmeln. Wir haben uns mit einem Fahrradhändler unterhalten.

Philippe Hutmacher, 31, ist in der Radsportszene kein Unbekannter. Als Jugendlicher gewann er die Cyclocross-Meisterschaft und war regelmäßig bei Rennen auf dem Podium zu sehen. Später litt er dann unter gesundheitlichen Problemen – unter anderem am Knie sowie an der Schulter – und musste so im Alter von nur 18 Jahren seine Radsport-Karriere an den Nagel hängen. Dem Radsport blieb der junge Mann aber treu, unter anderem als Mechaniker für die Cyclocross-Nationalmannschaft und als Mitglied des „Conseil d’administration“ der „Fédération du sport cycliste luxembourgeois“.

Philippe Hutmacher absolvierte eine Lehre als Zweiradmechaniker in Bitburg. Den praktischen Teil der Ausbildung machte er in einem Atelier in Niederanven. Anschließend zog der gebürtige Koericher nach Frankfurt, um den Meisterbrief als Zweiradmechaniker zu machen. Dieser sei in Deutschland mit einem Bachelorabschluss gleichgestellt, so Hutmacher. 2012, nach seinem Studium, kam er zurück ins Land, um ein Geschäft zu eröffnen. Während mehrerer Jahre empfing er seine Kunden in Mamer, ehe er 2018 nach Hagen, in ein größeres Lokal, umzog. „Ich habe die Ladenfläche per Zufall gefunden. Die Lage an einem Radweg (PC12) ist aber sicherlich ein Vorteil“, so Hutmacher. Der Umbau des „Vëlosatelier“ übernahm der Unternehmer damals selbst, nachdem er seine tägliche Arbeit in seinem Geschäft in Mamer beendet hat – sprich nach dessen Öffnungszeiten. „Es war anstrengend, aber es hat sich definitiv ausgezahlt!“, meint er heute. In Giant fand er dann auch einen Partner für den Fahrradverkauf: „Das ist die Marke, mit der ich früher an den Wettbewerben teilgenommen habe. Ich habe diese Marke schon ein paar Jahre geführt und war dementsprechend auch froh, einen Giant-Store zu eröffnen.“

„Der Lockdown kam zu plötzlich“

Philippe Hutmacher betreibt den Laden zusammen mit Ben Haupert, der derzeit Fahrrad-Mechatronik studiert. „Hier zu arbeiten, erlaubt es mir, Berufspraxis zu sammeln und mich so zu verbessern“, so der junge Student.
Als der Lockdown im März beschlossen wurde, musste das „Vëlosatelier“ jedoch seine Türen schließen. „Ich kann die Entscheidung der Regierung zwar nachvollziehen, doch sie kam etwas zu plötzlich. Man konnte sich nicht vorbereiten …“, so der Händler. Fortan wurden in Hagen nur noch Notreparaturen durchgeführt. „Es gab weniger Arbeit.“ Er war gezwungen, die Arbeiten alleine durchzuführen, da sein Mitarbeiter als Lehrling nicht arbeiten durfte. Die kaputten Fahrräder wurden während des Lockdowns hinter der Halle abgestellt. Die Kunden wurden per SMS das Ende der Reparaturarbeiten informiert. Anschließend wurde ein Termin für die Abholung vereinbart. Philippe Hutmacher stellte das Fahrrad zur besagten Zeit hinter dem Atelier ab, wo der Kunde es abholte. Als Zahlung wurden ausschließlich Überweisungen akzeptiert.

Seit den Lockerungen zieht das Geschäft wieder an – unter anderem die Anzahl der Verkäufe ist gestiegen. Während des Lockdowns habe sich ein Fahrradverkauf – im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit – als recht umständlich erwiesen. „In der Regel waren mehrere Gespräche notwendig. Die Informationen wurden fast ausschließlich übers Internet vermittelt. Tests mit den Rädern waren überdies nicht möglich. Das erschwert das Ganze“, erklärt Hutmacher. Das Rad wurde nach der Bestellung zum Kunden nach Hause geliefert, wo dann noch notwendige Erklärungen über die Funktionsweise gegeben werden mussten – unter Einhaltung der Mindestabstände, wohl gemerkt.

Ein Rad für jedes Bedürfnis

Das „Vëlosatelier“ hat seit dem 11. Mai mehr als 100 Räder verkauft. Die Hälfte davon seien E-Bikes – Tendenz steigend, erläutert der Verkäufer. Was die Preise der neuen Räder betrifft, so könne man keine präzisen Aussagen machen. Alles hänge vom Kunden ab. Gute „Bio-Bikes“ (ohne elektrische Hilfe) gebe es schon ab 800 Euro und Rennräder können bis zu 2.500 Euro kosten. Mountainbikes sind hingegen etwas teurer, und für E-Bikes müsse man mit Kosten von etwa 3.000 Euro rechnen. Aufgrund der hohen Nachfrage gebe es jedoch Lieferengpässe, unabhängig davon, ob es sich hierbei um ein Herren-, Frauen- oder Kinderräder handelt. Einige Modelle seien überhaupt nicht mehr lieferbar, so Hutmacher. Die Stocks der Händler seien quasi überall ausverkauft. Das bestätigt auch Fred Dargent von „Bike World“ aus Bereldingen. Ihm zufolge habe es einen regelrechten Run auf die Fahrradgeschäfte gegeben.

Ein ähnliches Bild bietet sich bei den Reparaturen. „Ich habe im Augenblick durchgehend 50 Fahrräder hier, die repariert oder einer Revision unterzogen werden müssen“, sagt Hutmacher. Seit April stehe das Telefon nicht mehr still. Bei der Dauer der Arbeiten hänge vieles von den Arbeiten ab, die anstehen. Eine normale Überprüfung gehe relativ schnell. Wenn jedoch Teile ersetzt werden müssen, dauere die Reparatur länger – vor allem dann, wenn die benötigten Ersatzteile zuerst noch beim Großhändler oder beim Hersteller bestellt werden müssen. Auch hier könne es vorkommen, dass diese die Teile derzeit nicht vorrätig haben. Bei „Bike World“ soll sich die Wartezeit so auf mehr als einen Monat erhöht haben. „Viele haben das Radfahren neu für sich entdeckt und kommen jetzt zu uns, um ihr Gefährt wieder in Schuss zu bringen“, so Fred Dargent. „Ich hatte mein Rad während Jahren unangetastet in der Garage stehen. Jetzt fahre ich wieder regelmäßig. Was konnte man während des Lockdowns machen außer Radfahren?“, meint Jessica (30) aus Luxemburg.

Luxemburger passen gut auf ihre Fahrräder auf

Gute Noten erhalten die Luxemburger, was den Zustand der Fahrräder anbelangt. „Die Leute passen in der Regel gut auf ihr Gefährt auf und lagern es auch ordentlich“, freut sich Philippe Hutmacher. Die meisten Fahrräder müssten lediglich geölt, eingestellt und gereinigt werden. Manchmal sei aber auch das Ersetzen der Bremsen, der Räder oder der Schaltung notwendig, so der Reparateur aus Hagen. Eine weitere Einnahmequelle des „Vëlosatelier“ besteht aus dem Verkauf von Accessoires – darunter Helme, Schuhe, Klingeln, Schlösser usw. Kleider werden in Hagen auch angeboten, finden aber keinen reißenden Absatz, so der Geschäftsinhaber.

Beim Besuch des „Vëlosatelier“ wird in puncto Sicherheit übrigens nichts dem Zufall überlassen: Im Eingang kann man sich die Hände desinfizieren, das Tragen der Gesichtsmaske ist Pflicht und alle Gebrauchsgegenstände, wie das Zahlungsterminal und die Tür, werden regelmäßig desinfiziert. Einlassbeschränkungen stehen in Hagen aber nicht auf der Tagesordnung. „Pro Tag kommen im Durchschnitt zwischen 30 und  50 Kunden. Es sind aber nie mehr als ein halbes Dutzend gleichzeitig im Geschäft“, erklärt Philippe Hutmacher. Trotzdem hofft er auf eine baldige Normalisierung der Lage: „Uneingeschränkte zwischenmenschliche Kontakte vereinfachen einfach das Geschäft.“