KonzerteQueer-feministische Nächte in der Kufa

Konzerte / Queer-feministische Nächte in der Kufa
In der Kufa zu Gast: Lizette Lizette, aka „Miss Gendered“ Foto: Frederik Etoall

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Queers welcome: Die Escher Kulturfabrik will mit der Konzertreihe „Unexpected“ zu einem Begegnungsort für queere Menschen werden – und pfeift dabei auf mögliche Kritik. 

Entpuppt sich die Escher Kulturfabrik zum queer-feministischen Treffpunkt im Süden Luxemburgs? Die Zeichen stehen jedenfalls gut: Nachdem queere Künstler*innen ohnehin regulär im Programm der Kufa auftauchen und das Zentrum seit Jahren Events zur Pride anbietet, legt das Haus jetzt einen drauf und initiiert die queer-feministische Konzertreihe „Unexpected“. Unerwartet ist in dem Fall also nicht die Veranstaltungsserie an sich, sondern vielmehr das Line-up.

Gleich zur Erstausgabe lädt die Kufa eine musizierende Domina und Pole-Tänzerin ein: Malvina. Die Künstlerin beherrscht nicht nur die Peitsche, sondern spielt auch Klavier, komponiert, produziert und singt. Dass diese Mischung bei manchen für Gedankenchaos sorgt, greift sie in ihrem Song „BRAT“ mit bissigen Textzeilen auf. „One thing I like to do is to make you believe the only thing I know is to play the putain“, singt Malvina dort zu schnellen Elektro-Beats. Und kontert sogleich: „Actually I know how to play the clavecin, how to play the piano.“ Allgemein ist der Track eine Kampfansage an alle, die Frauen – vor allem jene, die selbstsicher und offen mit ihrer Sexualität umgehen – auf Objekte der Begierde reduzieren. Zeigt sich die Künstlerin in anderen Songs („Forever“) von ihrer sanften Seite, kommt „BRAT“ einer Ohrfeige gleich. 

Don’t want stupid men catcalling at me

Maïce, Musikerin

Ähnlich hart, aber einen Tick humorvoller, geht Lizette Lizette mit potenziellen Gender-Kritiker*innen ins Gericht. In dem neuen Album „Miss Gendered“ (2022), eine Platte irgendwo zwischen Hyperpop und Elektro, setzt sich Lizette – der Titel verrät es bereits – spielerisch mit Genderfragen auseinander. Lizette selbst ist nicht-binär, also eine Person, die sich weder als weiblich noch männlich definiert – und wird als solche vermutlich oft „misgendered“, sprich von ihrem Umfeld mit den falschen Pronomen angesprochen. Eine oft belastende Erfahrung für Betroffene, die Lizette jedoch mit einem Augenzwinkern kommentiert und sich kurzerhand im titelgebenden Track zur „Miss Gendered“ kürt – „all I’ve ever wanted to be“, wie es in dem Song heißt. Verpackt Lizette ihre Gesellschaftskritik hinter Wortspielen, redet die Rapperin und Sängerin Maïce nicht lange um den heißen Brei herum: In ihren Songs, in denen Hiphop und Elektro zusammenfinden, fallen Sätze wie „Don’t want stupid men catcalling at me, you should remove your baggy jeans, that’s such a pity, put on a skirt, show off your legs“ („Jerks“). 

Wer nach diesen voraussichtlich energiegeladenen Auftritten noch Luft und Lust hat, darf sich außerdem auf ein DJ Set von Miss Sappho, einer schon fast queeren Ikone der luxemburgischen DJ-Szene, und drei Drag Performances freuen. Pailletten und Glamour sucht das Publikum dort allerdings vergeblich, denn die auftretenden Dragkünstler*innen haben damit wenig bis gar nichts am Hut. Eingeladen wurden Eros, Ginger und La Louve noire vom Kollektiv La Queerdom aus Metz.

Das Kollektiv entstand aus dem Bedürfnis heraus, eine inklusive Drag-Gemeinschaft zu bilden, die sich für die Szene engagiert. Die Kollektivmitglieder vereint sowohl ihre Kunst als auch ihr Aktivismus. In dem Sinne begrüßt das Kollektiv Dragkünstler*innen aller Genres und will auch unbekannten Gesichtern eine Bühne bieten. Wie vielfältig Drag ist, zeigen dann auch die ausgewählten Performer*innen: Eros greift bei der Performance auf zeitgenössischen Tanz und ausgefallene, düstere Looks zurück; La Louve noire trägt eine Maske und glitzernde Hüllen um die Finger, während Ginger verspielt und bunt mit Plüschtieren daherkommt. 

Viele Köch*innen verderben den Brei … nicht?

Stichwort Vielseitigkeit: Im Rundtischgespräch „Face à la stigmatisation des identités LGBTQIA+: une multiplicité de stratégies?“ diskutieren vor den Konzerten und Performances unter anderem Elona Dupont, Präsidentin der „LGBTI+ Student’s Association“ der Universität Luxemburg, Nada Negraoui, Beauftragte des „Observatoire des discriminations LGBTIQ+“ des Cigale und Orane Courtalin, Aktivist*in und Dramaturg*in miteinander. Das Gespräch entstand in Zusammenarbeit zwischen der „LGBTI+ Student’s Association“ und dem Cigale. 

Am Programm haben also neben der Kufa drei weitere Organisationen mitgewirkt. Ob das so bleibt? Ja, sagt Sylvain Mengel, in der Programmleitung der Kufa tätig, dem Tageblatt. Ziel der Veranstaltungsreihe sei es, die unterschiedlichsten Akteur*innen aus der Szene zusammenzubringen und ein Event auf die Beine zu stellen, das die Interessen verschiedener Organisationen vereine. Die Nachfrage vonseiten der Akteur*innen sei da und die Kufa ohnehin immer offen für engagierte Kunst. Auch deshalb fiel die Wahl auf eine queer-feministische Konzertreihe. Die Kufa wolle durchaus ein sicherer Begegnungsort für queere Menschen und Ansprechpartnerin für ebensolche Veranstalter*innen sein. „La Pride est un évènement majeur, mais nous avons à coeur de thématiser les sujets queer-féministes à d’autres moments de l’année et d’offrir une plate-forme aux associations actives dans ce domaine“, sagt Mengel. „La thématique queer-féministe n’est pas la seule cause que l’on défend, mais elle est importante et essentielle pour nous.“ 

Eine Ansicht, die nicht alle teilen, wie zuletzt 2023 die Polemik um die Drag Queen Tatta Tom zeigte. Die Escher Stadtbibliothek lud damals zur Kinderlesung mit Tatta Tom ein, was einen anderen Tom, nämlich den Abgeordneten Tom Weidig (ADR), zur Hetze gegen queere Menschen auf sozialen Medien verleitete. Weidigs Protest gegen die Lesung schlossen sich zahlreiche Privatpersonen an, die allesamt die Frühsexualisierung teilnehmender Kinder heraufbeschworen. 

Wirkt sich die Stimmungsmache gegen queere Künstler*innen also vielleicht auch auf die Besuchszahlen der Kufa aus? Sylvain Mengel räumt ein, dass Konzertreihen wie „Unexpected“ eindeutig ein anderes Publikum anlocken als sonst, bewertet dies aber positiv. „Il nous est important de s’adapter aux nouveaux publics“, sagt er. Immerhin würden queere Thematiken auch die Gesellschaft zunehmend interessieren. So soll es auch nicht bei der Erstausgabe bleiben. Im November ist die nächste reguläre Ausgabe von „Unexpected“ geplant; zur Luxembourg Pride (6.-14. Juli) ist eine Sonderedition vorgesehen. Die Kufa stellt den Headliner, alles andere wolle man mit queeren Akteur*innen entscheiden. Wer an dem Abend Hauptattraktion sein wird, weiß Mengel jedenfalls schon – verraten wollte er es den Leser*innen des Tageblatt aber noch nicht. 

Unexpected #1 – Les soirées queer-féministes de la Kufa

6. April
                                                                                                                                                                Rundtischgespräch „Face à la stigmatisation des identités LGBTQIA+: une multiplicité de stratégies?“, ab 17:30 Uhr im Kinosch (Eintritt frei, Anmeldung via inscriptions@kulturfabrik.lu erwünscht)

Konzerte, DJ Sets und Drag Shows in der Kufa (116, rue de Luxembourg, L-4221 Esch-sur-Alzette), von 19:30 Uhr bis 01 Uhr (Vorverkauf: 10 Euro + Gebühren)