Sonntag26. Oktober 2025

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RusslandPropagandashow mit Präsident Waldimir Putin

Russland / Propagandashow mit Präsident Waldimir Putin
Wladimir Putin während seines Auftritts in der Ausstellungshalle „Gostiny Dwor“ in Moskau Foto: Alexander Zemlianichenko/Pool/AFP

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Bei Wladimir Putins Propagandashow am Ende des Jahres gibt sich Russlands Präsident selbstbewusst. Das Volk dagegen fragt: „Wie können wir in ein Russland umziehen, wie es das Fernsehen zeigt?“

Nach zwei Stunden kommt sie dann doch, die Frage nach den Preisen für Eier. „Wo und wann hat es so hohe Lebensmittelpreise schon einmal gegeben? Zehn Eier kosten bis zu 220 Rubel (das sind umgerechnet 2,20 Euro, Anm. d. Red.)!“, empört sich die Rentnerin, die sich dem russischen Präsidenten Wladimir Putin als Irina Alexandrowna vorstellt. Sie sitzt vor ihrer Spitzengardine bei Krasnodar im Süden des Landes und schaut fordernd in die Kamera. „Wir bekommen keine Millionen Rubel Rente“, sagt sie in der großen Pressekonferenz, die in diesem Jahr zusammengelegt ist mit dem Format „Direkter Draht“, bei dem sich Russinnen und Russen direkt an den Kremlherrscher wenden dürfen. Eine Show, wie für Putin gemacht: keine gefährlichen Fragen, nur ausgesuchte Medienvertreter, vorab eingereichte und geprüfte Anmerkungen. Der Präsident schreibt etwas in sein mitgebrachtes Heftchen, räuspert sich und weiß auf alles eine Antwort.

Seit Tagen fluten Fotos und Videos von Schlangen aus Menschen soziale Netzwerke. Sie zeigen, wie diese quer durchs Land für bezahlbare Eier anstehen. Selbst in Moskauer Hochsegment-Lebensmittelläden fehlen Eier. Während sich der Präsident – gewohnheitsgemäß – für seine „gute Führung an der Front, die gute wirtschaftliche Lage im Land“ eigenmächtig lobt, schreit Irina Alexandrowna ihr Leid fast hinaus: „Haben Sie Mitleid mit den Rentnern, sorgen Sie für Ordnung, Wladimir Wladimirowitsch!“ Und „Wladimir Wladimirowitsch“ versucht sich an der Herstellung dieser Ordnung. So, wie er es gewohnt ist. Mit Zoten, mit Oberflächlichkeiten. Den Landwirtschaftsminister habe er erst kürzlich gefragt, wie es um „seine Eier“ stehe, sagt Putin und ist sich der Lacher im Saal sicher. Die Nachfrage nach Eiern habe eben zugenommen, die Regierung habe es versäumt, die Importe zu erhöhen. Auch er haue schließlich zehn Eier zum Frühstück rein, sagt er flapsig. „Ich entschuldige mich bei Ihnen, Irina Alexandrowna, und verspreche Ihnen, dass sich die Situation zweifellos verbessern wird.“

Da ist er wieder, der Kümmerer. Genauestens inszeniert, zur besten Sendezeit, auf allen Kanälen zu sehen. Wladimir Putin, der russische Übervater, zieht die „Bilanz des Jahres“. So heißt das mehrstündige Mischformat, in dem nach einem Jahr Pause und so kurz vor den anberaumten Präsidentschaftswahlen im März 2024 – mitten im Krieg, den er selbst natürlich nicht Krieg nennt – alle möglichen Themen angesprochen werden. Ziele seiner „militärischen Spezialoperation“ („An Entnazifizierung, Entmilitarisierung, dem neutralen Status der Ukraine hat sich nichts geändert“), eine mögliche zweite Mobilisierungswelle („Es gibt keine Notwendigkeit“), Privilegien für Soldaten, ausbleibende Auszahlungen für eben diese, Geld für Drohnen, Instandsetzung von Infrastruktur, hohe Nebenkosten, niedrige Renten, fehlende Ersatzteile für Flugzeuge, Besuch in den „neuen Regionen“, wie die von Russland besetzten ukrainischen Territorien im Land offiziell genannt werden, der Einsatz von KI, Abtreibungen, traditionelle Werte. Das alles bloß nicht zu kritisch.

Absichtliche Demütigung

Putin gibt eine Art Psychotherapie für alle. Hüstelnd („Die Klimaanlage surrt, wissen Sie“), entschlossen („Sagen Sie noch einmal den Ort, ich kümmere mich“), selbstsicher („Man muss sich immer selbstbewusst seinem Ziel nähern. Ich bin entschlossen.“). Sein Pressesprecher Dmitri Peskow, den er nur mit seinem Kurznamen Dima anspricht, und die beiden Staatsfernsehjournalisten Jekaterina Beresowskaja und Pawel Sarubin liefern sich eine Art Wettbewerb, wessen Fragen nun eher drankommen, die der russischen Journalisten aus den Regionen oder der sogenannten einfachen Menschen quer durchs Land. Putin sucht lieber selbst aus.

Warum unterscheidet sich Ihre Realität von unserer Wirklichkeit?

Frage, die von Purin nicht beantwortet wird

„Nehmen wir doch den Kollegen aus der Türkei“, sagt er dann und holt aus, was er über Gaza denkt. „Eine Katastrophe“, sagt Putin, ohne zu sagen, wie Moskau zur Hamas steht (der Kreml hofiert die Terroristen) und wie Moskau darüber denkt, was am 7. Oktober geschehen ist (den Angriff der Hamas hat der Kreml nie verurteilt). Er holt erst den Journalisten der chinesischen staatlichen Nachrichtenagentur, bevor er der Journalistin der New York Times die wohl einzige wirklich kritische Frage stellen lässt – über Evan Gershkovich, den amerikanischen Journalisten mit sowjetischen Wurzeln, der seit März dieses Jahres wegen Spionage in russischer Haft ist. Sie tut das auf Englisch, obwohl sie bestens Russisch spricht, und gibt Putin so die Gelegenheit, sie absichtlich zu demütigen. Erst gibt sich Putin so, als verstehe er nicht, um wen es sich dabei handelt („ein Österreicher?“), um dann sogleich über den „Dialog mit den Amerikanern“ wegen eines möglichen Gefangenenaustauschs zu sprechen.

Gleichgültig gegenüber dem Krieg

Es ist keine ungewöhnliche Herangehensweise an Offensichtliches. Das Regime tut meist so, als bestünde etwas nicht, um dann umso mehr darauf zu verweisen, wie vertieft dieses angeblich Nichtbestehende bereits bearbeitet wird. Auch der Krieg – in der Gesellschaft oft als fern empfunden und mit größter Gleichgültigkeit hingenommen – wird hier auf eine bizarre Weise als Normalität behandelt. Vor allem in der ersten Hälfte der „Bilanz“ drehen sich alle Fragen darum. Es geht um die Angriffe auf Grenzregionen, um medizinische Hilfe für die Verwundeten, um patriotische Bildung der Jugend durch die zurückgekehrten Kämpfer. Putin spricht darüber, als würde er übers Wetter erzählen. „Wann gibt es Frieden?“, fragt der Moderator Sarubin. „Dann, wenn alle Ziele erreicht werden“, sagt Putin und legt mit seiner altbekannten Leier von „Wir waren gezwungen, so zu handeln – wir haben nicht die Beziehungen verschlechtert“. Wer sei es gewesen? „Unsere amerikanischen Freundchen.“

„Warum unterscheidet sich Ihre Realität von unserer Wirklichkeit?“, wird derweil an die Wand der Studios im Handelszentrum „Gostiny Dwor“ eingeblendet. Irgendeiner hat diese Frage als SMS in die Sendung geschickt. In einer anderen Kurznachricht heißt es: „Wie können wir in ein Russland umziehen, wie es der Erste Kanal zeigt?“ Darauf aber weiß auch der Übervater keine Antwort. Wie auch, wenn er genau in diesem Russland, dem schönen, erfolgreichen, inszenierten Fassaden-Land, lebt.

fraulein smilla
16. Dezember 2023 - 13.26

JJ
Putin ist kein Ex KGB Mann , Putin ist KGB Mann . Einmal Tschekist immer Tschekist .

JJ
16. Dezember 2023 - 9.53

Propagande kennen wir ja schon von Adolf. Putin ist Ex-KGB-Spitzenmann. Das Volk wird verblödet und es scheint ihm zu gefallen.

luxmann
15. Dezember 2023 - 20.19

Beobachter
Ich kann mich erinnern dass die ami experten schon vor 10 jahren erzaehlten, der Vladimir leide an unheilbarem krebs und sei kurz vor dem exit.
Entweder hat russland tolle aerzte oder die ami experten sprechen nur bloedsinn?

Romain C.
15. Dezember 2023 - 16.37

So sehen Sieger aus!

Romain C.
15. Dezember 2023 - 15.14

Vladimir wird Irina ein Paar Hennen schenken und sie wird ihn wählen!
Der Krimsekt für den Sieg steht schon im Kühlschrank.

plop
15. Dezember 2023 - 13.47

De Putin stecht all dei Weicheier-Politiker aus der EU an d'Taesch.
Hien ass emmer een Zug am viraus... Genau wei am Schach mat den weissen Figuren.

fraulein smilla
15. Dezember 2023 - 11.10

Habe Putin schon lange nicht mehr so locker gesehen .Sieht aus als sehe er sich auf der gewonnenen Seite .

Beobachter
15. Dezember 2023 - 10.10

Todkrank sieht er nicht aus, der Putin! Das Möchtegern Grosseuropa wird noch lange mit dem wirklich großen Russland zu kämpfen haben.!