Luxemburg hat keine Gesetzgebung, die große Versammlungen oder Demonstrationen rechtlich umrahmt. Das will die CSV-DP-Regierung mit einem entsprechenden Gesetz ändern. Aus einem „avant-projet de loi“, das dem Tageblatt vorliegt, geht hervor, dass teils sehr starke Einschnitte zu den bisherigen Bestimmungen eingeführt werden. Andere Maßnahmen können wiederum sehr weit interpretiert werden. Ein inhärent disruptives Element bürgerlicher, politischer Beteiligung würde laut dem Entwurf aus dem öffentlichen Raum verbannt und in ein möglichst störfreies Happening umgestaltet werden.
Innenministerium reagiert – Richtigstellung
Das Innenministerium hat am Montagvormittag auf den Tageblatt-Artikel „Einschränkungen im Namen der Ordnung“ reagiert. In diesem hat das Tageblatt unter Berufung auf ein „Avant-Projet de Loi“ beschrieben, inwiefern ein Versammlungsrecht der CSV-DP Regierung aussehen könnte. Wie das Innenministerium schreibt, handele es sich bei dem „Avant-Projet de Loi“ um ein Dokument, das noch von der Vorgängerregierung vor 1,5 Jahren ausgearbeitet wurde. Informationen, die aus dem vorliegenden Dokument nicht klar hervorgingen und auch bei weiteren Tageblatt-Recherchen nicht ersichtlich wurden. Das Tageblatt konnte sich dies jedoch am Montag bestätigen lassen und stellt richtig: Bei dem vorliegenden Entwurf handelt es sich nicht wie im Artikel dargestellt um ein Projekt der jetzigen Regierung.
Das Innenministerium schreibt zudem, dass ein neues „Avant-Projet de Loi“, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, ausgehandelt werden würde. Die Ausarbeitung basiere demnach auf einer Chamber-Motion des 7. Dezembers 2021. Tageblatt-Informationen zufolge soll jedoch das „Avant-Projet de Loi“, auf Basis dessen die Berichterstattung vom Montag erfolgte, unter anderem als Diskussionsbasis für das Gesetzesprojekt der Regierung zirkulieren. Das sei demnach auch der Grund, warum dieser Textentwurf mehrere Jahre, nachdem er eigentlich bereits aufgrund von Kritik zivilgesellschaftlicher Organisationen hin verworfen wurde, wieder im Umlauf ist. Was schlussendlich im künftigen Versammlungsrecht steht, wird demnach wohl erst beim Einreichen des Gesetzesentwurfes in der Chamber bekannt werden.
Die Motivation der Regierung für ein Demonstrations- und Versammlungsgesetz geht klar und deutlich aus der Koalitionsvereinbarung zwischen CSV und DP hervor. „Bei den zahlreichen Demonstrationen, die im Zusammenhang mit der Covid-19-bedingten Pandemie stattfanden, wurde deutlich, dass Luxemburg nicht über eine angemessene Gesetzgebung verfügt, um Demonstrationen einen Rahmen zu geben“, schreiben die Koalitionäre auf Seite 112 der Regierungsvereinbarung. „So wird die Regierung einen rechtlichen Rahmen einführen, der für den reibungslosen Ablauf von Versammlungen notwendig ist, indem sie das verfassungsmäßige Recht auf friedliche Versammlungen und Versammlungen unter freiem Himmel garantiert.“
„Arme“
Toute arme telle qu’énumérée par la loi du 2 février 2022 sur les armes et munitions, ainsi que tous objets ou substances quelconques pouvant servir à blesser, frapper ou menacer.
Wie in dem Abschnitt angedeutet, ist ein Versammlungsgesetz nicht zuletzt auch deswegen nötig, weil die neue Luxemburger Verfassung ein solches Gesetz explizit vorsieht. So heißt es in Artikel 25 der neuen Luxemburger Verfassung: „Toute personne a le droit, dans le respect de la loi, à la liberté de réunion pacifique. Ce droit ne peut être soumis à autorisation préalable que pour des rassemblements en plein air dans un lieu accessible au public.“ Bisher aber wurden die Bestimmungen zu Demonstrationen lediglich auf Gemeindeebene geregelt.
„Rassemblement“ vs. „Attroupement“
Problematisch sind bereits die von der Regierung vorgesehenen Definitionen für die verschiedenen Arten an Versammlungen. So wird im Gesetz zwischen „Rassemblements“ und „Attroupements“ unterschieden werden, wobei ein „Attroupement“ lediglich als eine Zusammenkunft definiert wird, die „die öffentliche Ordnung stört“. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass jedes „Rassemblement“ im Endeffekt auch ein „Attroupement“ sein kann – zumindest in ein solches „ausarten“ kann. Als Waffe wird bei einer solchen Zusammenkunft jeder Gegenstand oder Substanz angesehen, „die zum Verletzen, Schlagen oder Bedrohen verwendet werden kann.“ Ein Passus, der weitreichenden Interpretationsspielraum zulässt – von einem Messer über Regenschirme hin zum Deodorant in der Sprühdose.
Le bourgmestre peut interdire le rassemblement projeté…
… si le rassemblement est projeté d’avoir lieu devant un immeuble destiné à l’habitation, risquant d’en troubler l’usage paisible.
Eine Mindestanzahl an Personen, ab der von einem „Rassemblement“ oder „Attroupement“ gesprochen werden kann, gibt es nicht. Das ist besonders bei der enthaltenen Definition von „Attroupement“ problematisch. Ein „Rassemblement“ konstituiert sich durch Personen, die zusammenkommen, um einer kollektiven Meinung oder einem gemeinsamen Willen friedlich Ausdruck zu verleihen. Beim „Attroupement“ entfällt diese Zuschreibung jedoch. Ein „Attroupement“ ist demnach „toute réunion de personnes, préméditée ou spontanée, en plein air dans un lieu accessible au public, qui trouble l’ordre public“.
Das ist aufgrund der anvisierten Strafen für die Teilnahme an einem „Attroupement“ besonders problematisch. Demnach sind derzeit eine Gefängnisstrafe von acht Tagen bis zwei Jahren und eine Geldstrafe von 500 bis 10.000 Euro für Personen vorgesehen, die trotz polizeilicher Ermahnung an dem vage definierten „Attroupement“ teilnehmen. Führt man eine Waffe nach obiger Definition mit sich, kann die Strafe auf bis zu drei Jahre angehoben werden. Verhüllt man sein Gesicht, sodass man nicht mehr identifizierbar ist, drohen ebenfalls bis zu drei Jahre Haft und eine Geldstrafe von bis zu 10.000 Euro.
Polizeiliche Durchsuchungen
Dem Gesetz zufolge könnte der Bürgermeisterin der Stadt Luxemburg, in der ein Großteil der Demonstrationen von nationalem Interesse stattfindet, noch eine höhere Entscheidungsmacht als bisher zufallen. Demnach kann die Bürgermeisterin eine Demonstration gleich aus mehreren Gründen verbieten. Wenn das Risiko einer Störung der öffentlichen Ordnung besteht oder die Sicherheitsmaßnahmen der Organisatoren für nicht ausreichend gehalten werden, kann die Bürgermeisterin diese Demo verbieten. Eine weitere Maßnahme mit weitreichenden Folgen hat jedoch die Bestimmung, dass auch Versammlungen vor einem Wohngebäude untersagt werden können, wenn dadurch „die friedliche Nutzung des Gebäudes“ gestört werden könnte. Demnach könnte unter Bezug auf diesen Paragrafen jede Demo aus dem Stadtbild entfernt werden. Überspitzt ausgedrückt: Demonstriert wird dann künftig nur noch im „Bambësch“.
Le ministre peut …
[…] sur les lieux du rassemblement, sur les lieux avoisinants et dans leurs accès:
1. ordonner et faire exécuter des fouilles simples […]
3. ordonner des fouilles de véhicules en circulation, arrêtés ou stationnés.
Wenn eine Störung der öffentlichen Ordnung befürchtet wird, kann der zuständige Minister drei Stunden vor Beginn der Demo bis zu deren Auflösung polizeiliche Durchsuchungen veranlassen. Demnach sollen Polizeibeamte dann nicht nur am Ort der Demo, sondern auch in benachbarten Straßen und an den Zufahrtsstraßen Menschen und Fahrzeuge durchsuchen können – unabhängig davon, ob diese an der Demonstration teilnehmen oder auf dem Weg dorthin sind, oder nicht.
De Maart

Zwischen den Zeilen liest es sich so, als wenn der Andersdenkende mundtot gemacht werden soll.
Störung der öffentlichen Ordnung ist…?
Wie wäre es doch einfach ein solches Gesetz wie in Frankreich oder Deutschland bestehen einfach ab zu schreiben statt selbst was aus tüffeln wollen im luxemburger Kleingeist!