Freitag31. Oktober 2025

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Konklave 2025Papstwahl: Wie viel echte politische Macht hat ein Pontifex heute?

Konklave 2025 / Papstwahl: Wie viel echte politische Macht hat ein Pontifex heute?
Kardinäle in der Basilika Santa Maria Maggiore. Dort wurde Papst Franziskus beigesetzt. Foto: AFP

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Der Papst ist geistliches Oberhaupt von über einer Milliarde Menschen. Aber was bedeutet das konkret in politischer Hinsicht? Ein Gespräch mit dem früheren Sprecher der katholischen Kirche Luxemburgs, Théo Péporté.

Tageblatt: Der Papst ist nicht nur Oberhaupt der katholischen Kirche, sondern auch Staatschef des Vatikans – mit diplomatischem Netzwerk, Einfluss auf Millionen Gläubige und moralischem Gewicht in globalen Fragen. Wie viel echte politische Macht hat ein Papst heute?

Théo Péporté: Was bedeutet Macht? Weltliche Macht hat der Papst keine. Er kann reden und versuchen, ein Wertesystem einzubringen und in den Vordergrund zu stellen. So hat Papst Franziskus sich zum Beispiel für die Armen der Welt eingesetzt und das Wirtschaftssystem kritisiert. Er hatte aber keine politische Partei oder Gewerkschaft, die seine Forderungen hätten umsetzen können. Trotzdem ist das, was er sagte, dank der Millionen Menschen hinter ihm, etwas wert.

Théo Péporté (72) war Religionslehrer, Medienberater und Leiter der Erwachsenenbildung. Bis 2013 leitete er den Kommunikations- und Pressedienst der katholischen Kirche in Luxemburg. Eine aktive Rolle hat er immer noch bei Signis, der Weltorganisation katholischer Medien. Im Jahr 2017 übernahm er für Signis die Koordination der ökumenischen Jurys in Cannes. In dieser Funktion arbeitete er eng mit Interfilm, der protestantischen Partnerorganisation, zusammen, um Filme zu würdigen, die künstlerische Qualität mit humanistischen und spirituellen Werten verbinden.
Théo Péporté (72) war Religionslehrer, Medienberater und Leiter der Erwachsenenbildung. Bis 2013 leitete er den Kommunikations- und Pressedienst der katholischen Kirche in Luxemburg. Eine aktive Rolle hat er immer noch bei Signis, der Weltorganisation katholischer Medien. Im Jahr 2017 übernahm er für Signis die Koordination der ökumenischen Jurys in Cannes. In dieser Funktion arbeitete er eng mit Interfilm, der protestantischen Partnerorganisation, zusammen, um Filme zu würdigen, die künstlerische Qualität mit humanistischen und spirituellen Werten verbinden. Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Und wenn Menschen sagen, der Papst müsse mehr tun?

Dann sollte man erst mal genau gucken, ob die, die das sagen, sich auch selbst an dem Tun beteiligen wollen. Es ist zu einfach zu sagen, da müsste jemand dies oder das tun, aber ‚ich bitte nicht‘. Dann gibt es noch jene, die anderer Meinung sind, das ist legitim und die sollten auch ihre Meinung sagen und dafür werben.

Diese Woche ist Papstwahl: Progressive, Konservative und Kandidaten der Mitte treffen aufeinander. Hinter verschlossenen Türen. Wo bewegt sich das zwischen göttlicher Eingebung durch den Heiligen Geist und Strategien des innerkirchlichen Machtspiels?

Der Heilige Geist hat auch nur das Material, das er vorfindet, also die Menschen. Die Kardinäle müssen sich austauschen, sich und ihre Ideen kennenlernen, dabei werden Fragen diskutiert über die Zukunft der Kirche. Ist die Linie von Franziskus die richtige? Welche Themen müssen gesetzt werden und wie wichtig sind sie für die Zukunft? Es ist wichtig, dass die Kardinäle ihre Positionen kennenlernen und wissen, wer wofür steht, bevor sie zur Wahl schreiten.

Der Papstname

Bei der Wahl seines neuen Namens hat der Papst einige Möglichkeiten. Er kann den Namen eines Heiligen wählen. Er kann den Namen eines oder auch zweier Vorgänger nehmen. Rein theoretisch könnte er auch seinen Taufnamen nehmen (zuletzt passiert 1555). Man muss aber bedenken, dass der Papstname auch Programm sein kann, sagt Théo Péporté. Mit der Wahl seines Namens drücke der Papst so gewissermaßen die Marschrichtung und die Grundprinzipien seines Pontifikates aus.

Johannes Paul II. soll mitgeholfen haben, den Kommunismus in Osteuropa zu Fall zu bringen. Könnte ein Papst heute wieder geopolitisch so bedeutend werden wie der polnische Papst im Kalten Krieg?

Man kann sich vorstellen, dass auch der kommende Papst mit den katholischen Christen weltweit Veränderungen bewirken kann. Ich denke an Franziskus’ Ideen zum Klimawandel oder allgemein zu Umweltfragen. Das ist eng verknüpft mit sozialen Ideen, wenn man nicht möchte, dass die ärmeren Menschen für die Versäumnisse der Reicheren zahlen müssen. Ich kann mir vorstellen, dass auch ein nächster Papst sagt, dass man die Welt nicht zerstören oder kommenden Generationen keine Welt hinterlassen darf, in der sie nicht mehr atmen können. Der Papst kann ohne Gesetze etwas erreichen, aber er muss Überzeugungsarbeit leisten.

Der Vatikan ist ein kleiner Stadtstaat mit Geheimdienst, Bank und diplomatischen Beziehungen zu fast 200 Staaten. Unterschätzen wir seine moralische Autorität und weltpolitische Relevanz?

Ich denke schon, dass die weltpolitische Relevanz da ist, weiß aber nicht, wie man das messen könnte. Man hat gesehen, welches Echo der Tod von Franziskus hatte, wie sein Tod die Menschen bewegte und berührte. Die katholische Kirche ist durchaus auch ein Akteur in weltpolitischen Bezügen, selbstverständlich nicht der einzige, aber sie gehört dazu, mit ihren Werten und Zielen, mit denen jede und jeder einverstanden sein kann oder nicht. Darüber darf gestritten werden, im positiven Sinne.

Der Schornstein auf dem Dach der Sixtinischen Kapelle, auf den bei der Papstwahl weltweit die Augen gerichtet sind
Der Schornstein auf dem Dach der Sixtinischen Kapelle, auf den bei der Papstwahl weltweit die Augen gerichtet sind Quelle: Vatican Media

Vorbereitungen fürs Konklave

Am Mittwoch beginnt in Rom das Konklave. Hinter verschlossenen Türen suchen die 133 zur Wahl stehenden Kardinäle, darunter der Luxemburger Erzbischof-Kardinal Jean-Claude Hollerich, ab dann einen Nachfolger für Papst Franziskus. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Zum Beispiel wurde jüngst auf dem Dach der Sixtinischen Kapelle ein Schornstein angebracht. Den kennt und beobachtet ab Mittwoch die ganze Welt – schwarzer Rauch: kein Papst; weißer Rauch: Habemus Papam, wir haben einen Papst! Mehr über die Vorbereitungsarbeiten rund um das Konklave in unserer morgigen Ausgabe.

Papst Franziskus sprach über Migration, Armut und den Klimawandel. War das noch Kirche oder schon Weltpolitik?

Er hat über Sachen geredet, aber mehr noch hat er klare Zeichen gesetzt. Seine erste Reise führte nach Lampedusa. Das wirkte, da hat er seine Position ganz deutlich gezeigt. Das wirkt bis heute nach, beispielsweise in Deutschland, wo die beiden großen Kirchen einen Brief an die CDU geschrieben haben und in Bezug auf die Fragen der Migration auf das C, das christliche Menschenbild hingewiesen haben. Der Papst hat also etwas angestoßen, was andere aufgegriffen haben.

Was erwartet man nun vom nächsten Papst? Wo soll/muss er seine Macht spielen lassen? Muss er den USA, Italien oder zum Beispiel Ungarn Paroli bieten?

Eher nicht. Es geht nicht um Länder und deren politische Ausrichtung. Übergeordnete Themen, die eine Auswirkung haben, sind größer. Es geht um große Themen wie Flüchtlingspolitik, Flüchtlinge und Migration zum Beispiel. Wenn die Kardinäle der Auffassung sind, dass diese Themen stärker behandelt werden müssen, dann werden sie den suchen, der das bewältigen kann.

Wer schält sich dann ob dieser Erwartungen von den Kandidaten heraus?

Das ist nicht so eindeutig. Man muss sehen, welches Thema dominant ist. Vielleicht wird es ein Kandidat, der in einem als wichtig empfundenen Bereich als progressiv gilt, in einem anderen aber vielleicht eher konservativ. Da kann man Überraschungen erleben. Paul VI. hat beim zweiten vatikanischen Konzil in den sechziger Jahren große Offenheit gezeigt, dann aber mit seiner Enzyklika „Humanae Vitae“ 1968 die Antibaby-Pille verboten.

Und die Chancen für Kardinal-Erzbischof Jean-Claude Hollerich?

Er liegt auf einer Linie mit Papst Franziskus, was für Kontinuität sprechen würde. Ich halte es aber für eher unwahrscheinlich, dass zweimal hintereinander ein Jesuit gewählt wird. Aber zu seinen Gunsten spricht auch, dass er während der Synode weltweit einzelne Gruppierungen zusammengebracht und zusammengehalten hat. Wenn also einer gesucht wird, um die verschiedenen kulturellen und religiösen Tendenzen in der Kirche zusammenzuhalten, dann könnte das ein Vorteil für Kardinal Hollerich sein.

Kann ein Papst unpolitisch sein?

Nein, weil Kirche immer auch politisch ist. Jeder, der Werte hat und sie vertritt, ist politisch aktiv.

In einer Welt der säkularen Mächte – wofür steht da heute der Papst?

Für Weltgewissen, nicht im Sinne des einzigen Weltgewissens, aber eines mit klarem Standpunkt, an dem man sich reiben darf, das man aber zur Kenntnis nehmen sollte.

Eine Filmfrage

Wir haben Théo Péporté auch gefragt, welche drei Filme seiner Meinung nach heute dem interessierten Laien einen besonders guten Einblick in die Welt des Vatikans, des Papsttums, geben.
An erster Stelle nennt er „Konklave“ von Edward Berger nach dem gleichnamigen Roman von Robert Harris. An zweiter Stelle „Habemus Papam“ (Ein Papst büxt aus) von Nanni Moretti.
Und drittens „Ein Mann seines Wortes“, ein Dokumentarfilm von Wim Wenders aus dem Jahre 2018.

Atheist
5. Mai 2025 - 15.23

Vu wegen Buchtip. Esou wéi se waren a sin. "Sex Lives of the Popes" Nigel Cawthorne 1996 ISBN 1-85375-207-X

JJ
5. Mai 2025 - 12.30

Ich hätte noch einen Buchtip zum Thema der sicher von keinem Priester erwähnt wird.

SODOMA von Frédéric Martel.