Große Welt, kleine WeltOne-Way-Ticket ins große Abenteuer: Eine Luxemburgerin reist durch Südostasien

Große Welt, kleine Welt / One-Way-Ticket ins große Abenteuer: Eine Luxemburgerin reist durch Südostasien
Über Stock und Stein: Laila Bintner auf Wanderung durch Sa Pa Foto: Laila Bintner

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Mit einem One-way-Ticket fliege ich im April mit nur meinem Rucksack als Gepäck nach Hanoi. In den kommenden Monaten werde ich auf eigene Faust quer durch Südostasien reisen, so weit wie möglich über Land. Einen genauen Plan habe ich nicht. Überlegungen darüber, wohin mich diese Reise bisher geführt hat.

Viel passt nicht ins Gepäck, obwohl mehrere Monate zu meistern sind
Viel passt nicht ins Gepäck, obwohl mehrere Monate zu meistern sind Foto: Laila Bintner

Die Lichter Deutschlands sind bereits unter einer dicken Wolkendecke verschwunden. Ich sitze im Flugzeug nach Hanoi und beobachte auf dem Bildschirm in dem Sitz vor mir, wie sich das Flugzeugsymbol auf der digitalen Karte immer weiter nach Osten bewegt. Ich verfolge die Namen der Städte: Berlin, Budapest, Sarajevo, Tirana. Mir wird bewusst, dass ich meine Freunde und Familie verlasse und unterwegs zu einem mir fremden Kontinent bin. Ich habe das Gefühl, weggerissen zu werden aus allem, das ich kenne. „Vietnam, wie willkürlich“, denke ich. Es ist ein Land, in dem ich nichts kenne und in dem mich niemand erwartet. Ich habe ein Hostel für die ersten vier Nächte in Hanoi gebucht, alles andere steht noch offen. Auf einmal habe ich das Gefühl, ein wenig verloren zu sein in der großen Welt.

Ich sehe auf dem Bildschirm, wie das Flugzeug gerade die bulgarische Küste verlässt und auf die Türkei zusteuert. Ich muss daran denken, wie oft ich in meinen Teenagerjahren davon geträumt habe, an ferne Orte zu reisen. In meinem kleinen luxemburgischen Dorf schien das unendlich weit entfernt. Jetzt aber lebe ich diesen Traum, versuche ich zu begreifen. Ich habe es weit gebracht.

„Vielleicht ziehe ich bald aus Berlin weg und verreise“, meinte ich wenige Monate zuvor noch. Es war tiefer Winter in Berlin und ich hatte das Gefühl, langsam von der Stadt erdrückt zu werden. Ich war unzufrieden mit meinem Studiengang und verbrachte mehr Zeit damit, zu arbeiten als meine Vorlesungen zu besuchen. Ich arbeitete als Concierge in einem Hotel, um Geld für Reisen zu sparen. Wie das genau aussehen würde, wusste ich noch nicht. Aber mit der Zeit wurde mir immer klarer: Ich musste weg aus Berlin. Wenigstens für ein paar Monate, bis zum nächsten Wintersemester, in dem ich ein neues Studium anfangen könnte.

Café mit Aussicht in Hanoi
Café mit Aussicht in Hanoi Foto: Laila Bintner

Ich begann also damit, das Leben, das ich mir in diesen wenigen Monaten aufgebaut hatte, wieder auseinanderzunehmen. Ich brach mein Studium ab, kündigte meine Arbeit, vermietete meine Wohnung und packte mein Zimmer in Kisten ein. Es dauerte lange, bis meine Reisepläne konkret wurden. Ich wollte eine neue Herausforderung und deshalb außerhalb Europas reisen. Ich hatte letzten Sommer bereits eine Rucksackreise mit Zug, Bus und Fähre von Luxemburg nach Istanbul und zurück gemacht. Europa hatte ich erst einmal für eine Kanada-Reise mit meinen Eltern kurz verlassen.

Ich entschied mich nach vielem Hin und Her für Südostasien. Die Gegend ist bekannt als Reiseziel für junge Backpacker, weil sie sicher und günstig, aber auch kulturell interessant und landschaftlich vielfältig ist. Meine Reise würde in Vietnam beginnen, entschloss ich mich, und buchte einen Einwegflug nach Hanoi für Mitte April.

Ankunft in Vietnam

Als ich in Hanoi aus dem Flughafen trete, kommt mir der Winter in Berlin wie aus einem anderen Leben vor. Die Hitze ist erdrückend: Es sind über 35 Grad, mit einer Luftfeuchtigkeit von um die 80 Prozent. Hanoi ist eine Stadt, in der sich alles zu bewegen scheint. Auf der Straße drängeln sich Motorräder laut hupend aneinander vorbei, während auf dem Bürgersteig alle möglichen Waren dargeboten werden. Es werden Früchte verkauft, die ich nicht benennen kann, und in der heißen Sonne liegt rohes Fleisch. Am Straßenrand wird Pho-Suppe gekocht, die auf kleinen Plastikstühlen serviert wird.

Ungewöhnliche Begegnungen auf den Bürgersteigen Hanois
Ungewöhnliche Begegnungen auf den Bürgersteigen Hanois Foto: Laila Bintner

In meinen ersten Tagen verbringe ich viel Zeit damit, etwas verloren umherzulaufen. Ich fühle mich fremd und bereue manchmal meine Entscheidung, hierhergekommen zu sein. Ich sehe hübsche Bilder davon, wie Europa in der Frühlingssonne aufblüht und denke mir: Albanien hätte es als Reiseziel auch getan. Ich weiß aber auch, dass ich mir Zeit geben muss. Es ist erst der Beginn meiner Reise.

In manchen Momenten empfinde ich großen Frieden. Ich habe festgestellt, dass die meisten Cafés in Hanoi erst gegen 23 Uhr schließen und oft mehrere Stockwerke haben. So verbringe ich Abende in dem dritten Stock eines Cafés, trinke Tee und beobachte das Treiben der Stadt von oben. Nachts kehrt etwas Ruhe ein in Hanoi: Die Hitze lässt nach und der dichte Verkehr beruhigt sich. In diesen Momenten habe ich das Gefühl, einen Platz in der Stadt zu haben.

Nach Hanoi fahre ich in die Nähe von Sa Pa im Norden Vietnams. Ich verbringe einige Tage in einem Gasthaus mit Blick auf die Reisfelder und Berge. Dort mache ich lange Wanderungen durch kleine Dörfer und Felder, auf denen Wasserbüffel grasen. Ich trinke Tee auf der Terrasse des Hostels und finde Freunde, mit denen ich eine Weile reisen werde. Ich bereue es nicht mehr, nach Vietnam gekommen zu sein.

In meinem Monat in Vietnam gewöhne ich mich an das Land. Ich reise bis in den höchsten Norden an die Grenze zu China und dann hinunter in den Süden bis nach Ho Chi Minh City. Die Distanzen in Vietnam sind größer, als ich erwartet hatte – zwischen den beiden Städten liegen in etwa so viele Kilometer Luftlinie wie zwischen Luxemburg und Lissabon. So muss ich viele lange Nächte in sogenannten „sleeper buses“ verbringen, Bussen mit kleinen, ungemütlichen Liegen, die als Betten für die Nacht dienen.

Kleine Stärkung gefällig? Eine Raststätte auf dem Weg nach Kambodscha.
Kleine Stärkung gefällig? Eine Raststätte auf dem Weg nach Kambodscha.  Foto: Laila Bintner

Als ich in den Bus nach Kambodscha steige, fühle ich mich nicht ganz bereit dafür, mich wieder an eine neue Kultur, Sprache und Währung zu gewöhnen. Aber ich weiß: Die Reise muss weitergehen.

Und die Reise geht weiter. Ich reise drei Wochen durch Kambodscha, fahre dann nach Laos. Ich will das Land in ungefähr zwei Wochen durchqueren und dann nach Nordthailand übersetzen. Vieles von dem, das am Anfang unvorstellbar schien, ist nach zwei Monaten Reisen schon lange Realität geworden. Orte, die mir vor wenigen Wochen noch fremd waren, verbinde ich jetzt mit Erlebnissen und Menschen.

Es ist immer noch nicht einfach, alleine durch ein fremdes Land zu reisen. Es kann anstrengend sein, alle paar Tage den Ort zu wechseln und sich neu orientieren zu müssen. Aber mit jedem Tag wird mir etwas Unbekanntes vertraut. Ich merke mir den Weg zu meinem Hostel, probiere neues Essen, finde ein Lieblingscafé, lerne neue Menschen kennen. Ich konzentriere mich nicht auf den langen Weg vor mir, sondern lebe Tag für Tag. Moment für Moment gesehen ist die Welt klein. Ich werde mich nicht in ihr verlieren. 

Zur Person

Laila Bintner wurde im November 2002 geboren und ist in Lintgen aufgewachsen. Sie ist am Fieldgen zur Schule gegangen und hat während ihrer Schulzeit ein Praktikum beim Tageblatt absolviert. In Berlin hat sie Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft sowie Politikwissenschaft als Nebenfach studiert. Seit April reist sie auf eigene Faust durch Südostasien und berichtet über ihre Erfahrungen.