Der seit Tagen anhaltende Regen hat Bäche und Flüsse in der Emilia Romagna zu reißenden Strömen werden lassen. Straßen, Autobahnen und Schienenwegen sind überflutet oder unterspült. In den Städten wie Faenza und Forli müssen die Menschen mit Schlauchbooten aus ihren Häusern gerettet werden. In mehreren Fällen setzte die Feuerwehr Hubschrauber ein, um Menschen von den Dächern ihrer Häuser bergen zu können. Bei Budrio rissen die Fluten die Motta-Brücke weg. Vor allem die Provinzen der Po-Ebene mit den bevölkerungsreichen Städten Cesena, Faenza und Forli sind von den andauernden Regenfällen betroffen. Nachdem der Po über Monate einen zu niedrigen Pegelstand verzeichnete – auch die der großen Seen Lago Maggiore und Gardasee sanken bedenklich –, haben die jetzt anhaltenden Regenfälle zu katastrophalen Situationen geführt. In Faenza fielen binnen 24 Stunden 240 Liter Wasser pro Quadratmeter, so viel wie sonst in einem halben Jahr. Sturm riss an der Adriaküste bei Rimini ganze Strandteile ins Meer.
Die bisherige Bilanz: Neun Menschen verloren in den Wassermassen ihr Leben. Eine Frau wurde erst zwanzig Kilometer von ihrem Wohnort entfernt tot aus dem Schlamm geborgen. Mehrere, zahlenmäßig noch nicht benannte Personen werden immer noch vermisst.
Mehr als 13.000 Menschen mussten evakuiert werden, sie kamen bislang bei Verwandten oder in Notunterkünften unter. Für 27.000 Haushalte ist die Stromversorgung ausgefallen. „Die Wirklichkeit hat die schlimmsten Befürchtungen übertroffen“, erklärte der entsetzte Bürgermeister von Forli, Gian Luca Zattini, den hiesigen Medien.
Schäden vor allem in der Landwirtschaft
Neben dem Schaden an den Kommunikationseinrichtungen verzeichnet auch die Landwirtschaft schon jetzt erhebliche Verluste. Der Bauernverband Coldiretti erklärte, dass mehr als 5.000 landwirtschaftliche Betriebe unter Wasser stehen und vor allem der Obst- und Gemüseanbau in der Region in dieser Saison mit drastischen Ausfällen zu rechnen haben wird.
Der Gouverneur der Emilia Romagna, Stefano Bonaccini, erklärte bereits, dass die „Schäden voraussichtlich die Milliardensumme deutlich überschreiten“ würden. Eine ähnliche Einschätzung trifft auch Luigi Rossi, Vertreter des Verbandes Confagricoltore der Region: „Es wird Wochen dauern, bis die Wasser- und Schlammmassen von den Feldern und Gärten beseitigt sind. Viele Obstbäume sind bis an die Wurzeln beschädigt, wir rechnen mit Ausfällen in Höhe von 1,2 Milliarden Euro.“ Bonanccini fordert von der Zentralregierung in Rom, einen Sonderkommissar für die Naturkatastrophe einzusetzen – bislang gab es vonseiten der Meloni-Regierung jedoch noch keine Reaktion.
Weitere Regenfäle für Wochenende vorhergesagt
Meteorologen und Klimaforscher sind sich bereits darüber einig, dass die jetzige Katastrophe in engem Zusammenhang mit dem Klimawandel steht. Das Ansteigen der Temperaturen im Nordpolargebiet führt zu einer Verlangsamung des Golfstroms und der damit verbundenen Windbewegungen. In der Folge bleiben Druckgebiete über den kontinentalen Bereichen über längere Zeit stabil. Mit einem solchen Phänomen sei derzeit Italien konfrontiert. Während „normalerweise“ starke Westwinde den Regen vom Atlantik in Regionen wie Ligurien, Piemont, Sardinien oder Sizilien bringen, werden derzeit die westeuropäischen Gebiete von stabilen Hochdruckgebieten beherrscht. „Ein Tief, das von der Adria aus vor den Höhen der Apenninen liegt, bringt derzeit dauerhaften Regen mit sich“, erklärt Giulio Betti, Meteorologe des Wetterdienstes CNR-Lamma. Ein Luftaustausch findet nicht statt, das Tief bleibt lokal beständig über der Region.
Bereits zum Wochenende rechnen die Meteorologen mit neuem starkem Regenfall, der weitere Überschwemmungen mit sich bringen und die ohnehin schon desolate Lage weiter verschärfen könnte. Der Wassermangel, an dem die Landwirtschaft in den vergangenen Monaten litt, wird allerdings durch die jetzigen Extremregenfälle nicht ausgeglichen: Der trockene Boden ließ den Starkregen, der bereits seit Anfang Mai über der Region niedergeht, nicht in tiefere Schichten eindringen. Das Wasser floss überirdisch ab und riss zum Teil noch fruchtbare Schichten mit sich.
Schon lange kritisieren Umweltschützer und Lokalpolitiker, dass die Reaktionen auf die Extremwetterlagen nicht adäquat sind. Seit langem stehen die Forderungen im Raum, Schutzmaßnahmen wie Dämme und Überflutungsräume einzurichten, statt Böden immer weiter zu versiegeln. Doch statt der geforderten Milliardenbeträge für den Umweltschutz sind nur einige Millionen investiert worden. So bleibt absehbar, dass es auch in naher Zukunft zu weiteren Katastrophen kommen wird.
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