FR.A.RT (32)Nina Tomàs, 1989, Brüssel

FR.A.RT (32) / Nina Tomàs, 1989, Brüssel
 Foto: Anouk Flesch

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Nina Tomàs ist ein „rising star“ in der luxemburgischen Kunstwelt. Eigentlich wollte sie Kunstlehrerin in Luxemburg werden. Nach ihrem Studium in Paris entschied sie, doch das Risiko der freischaffenden Künstler*in eingehen zu wollen und spezialisierte sich in der „expression plastique“. Tomàs lebt und arbeitet in Brüssel, ist allerdings sehr aktiv in Luxemburg. 2017 wurde sie sowohl beim „Salon du CAL“ als auch bei der „Biennale d’art contemporain“ in Strassen als beste junge Künstlerin ausgezeichnet und war letztes Jahr für den LEAP (Luxembourg Encouragement for Artists Prize) nominiert. Ihre Werke, die figurative und abstrakte Malerei miteinander verbinden, werden ab dem 11. November in der Ausstellung „Freigeister“ im Mudam zu sehen sein.

Tageblatt: Beschreiben Sie sich in drei Wörtern

Nina Tomàs: Ehrlich, sensibel und lebensfreudig. 

 Foto: Anouk Flesch

Was wünschen Sie sich, dass Ihre Arbeit im Betrachtenden auslöst?

Für meine Werke gibt es keine Gebrauchsanweisung. Sie erzählen keine Geschichten, die verstanden werden sollen. Im Gegenteil – ich verarbeite Elemente in den Werken, die verschiedene Themen anschneiden, zwischen welchen aber jede*r subjektiv eine Verbindung herstellen kann. Doch nicht alles sind Symbole. Ich stelle mir viele formelle Fragen, arbeite an meiner Technik und schaffe abstrakte Formen, die als visuelle Elemente dienen.

Was verbindet Ihre Werke miteinander?

Ich arbeite immer mit Fragmentation, indem ich sehr heterogene Elemente miteinander funktionieren lasse. Es geht darum, die Homogenität zu brechen, um sie anschließend wieder zu suchen. Ich will in einem Ungleichgewicht neue Verbindungen finden. Momentan versuche ich mich an installativer Malerei. Ich will herausfinden, wie andere Medien auch Malerei sein können, wenn ich an sie auf die gleiche Art herangehe wie an ein Bild. Es geht darum, die Malerei aus ihrem Rahmen herauszunehmen, sei es durch das Umdrehen der Leinwand und die anschließende Camouflage des Rahmens oder durch installative Elemente. Meine Art der Bildkomposition auf der Leinwand will ich auf den Raum anwenden – alles soll miteinander funktionieren.

Gibt es einen gesellschaftlichen Aspekt in Ihrer Kunst?

Allein der Fakt, Künstlerin zu sein, ist eine Position und ein Engagement in der Gesellschaft. Auch wenn ich mich eher auf der poetischen als auf der politischen Seite der Kunst sehe, habe ich die Intention, auf eine ironische Art Gesellschaftskritik zu üben. Ich spiele mit gesellschaftlich existierenden Hierarchien und Größenverhältnissen. Die Kohabitation verschiedener Stilrichtungen in meinen Werken steht für die gesellschaftliche Kohabitation. Zuletzt thematisierte ich die Beziehung zwischen Menschen und Tieren.

Warum leben Sie jetzt in Brüssel?

In Kunstschulen in Frankreich und anderswo gilt die Malerei oft als alt oder abgeschlossen. Es werden ihr wenig Möglichkeiten geboten, sich neu zu erfinden. In den letzten Jahren hat die Situation sich verbessert, allerdings vor allem in Nordeuropa. Es bleibt sehr schwer, als Malerin in der zeitgenössischen Kunst seinen Platz zu finden. In der Mudam-Ausstellung werde ich eine der einzigen Maler*innen sein. Brüssel ist ideal, weil es eine Mischung zwischen der südländischen und meiner luxemburgischen Kultur ist. Es gibt viele junge Menschen, die Lust haben, etwas zu verändern, und trotzdem ist es gemütlich. Nach Luxemburg will ich vorerst nicht zurück, aber ich bin regelmäßig dort.

Mit welchem/welcher Künstler*in würden Sie gerne einmal zusammenarbeiten?

Mit Frida Kahlo. Natürlich habe ich erst an einen Mann gedacht, weil wir durch unser Bildungssystem viel mehr männliche Referenzen kennen. Mit Frida hätte ich viel zu besprechen, wie z.B. das Verhältnis zum Körper oder zur Liebe. Es sind persönliche Problematiken, die meine Werke beeinflussen, aber nicht direkt sichtbar sind. Denn Sensibilität ist etwas, das in der zeitgenössischen Kunst nicht immer gut angesehen wird. Besonders als Frau landet man schnell in der negativ konnotierten Schublade der weiblich-sensiblen Kunst.

Gibt es in der zeitgenössischen Kunst eine tiefere Spaltung zwischen Künstler*in und Werk?

Ja. Das ist einerseits gut, denn als Künstlerin soll mein Leben nicht durchsichtig für die Öffentlichkeit sein. Trotzdem fasziniert mich die Persönlichkeit des Künstlers genau so wie sein Werk. Ich will in meinen Werken gleichzeitig über die Gesellschaft und mich selbst reden, ohne dass klar ist, was was ist.

Welcher Teil des Kunstschaffens gefällt Ihnen am wenigsten?

Die Unsicherheit, dass morgen alles hinüber sein kann. Mittlerweile habe ich ausreichend Selbstvertrauen, um daran zu glauben, dass immer wieder etwas kommt. In den letzten fünf Jahren hatte ich nie eine Pause und ich wusste immer, wofür ich gerade arbeite. Dazu ist der große Kontrast zwischen der Intimität des Schaffensprozesses und der Öffentlichkeit der Ausstellungen sehr anstrengend. Die Vorbereitungszeit von Ausstellungen verbringt man fast ausschließlich allein in seinem Atelier. Von einem Tag auf den anderen ist diese sehr persönliche Arbeit für alle sichtbar. Ich mag es, dass die Menschen sich für meine Arbeit interessieren. Es sind erst die Betrachtenden, die meine Kunst aktivieren und deren Sichtweisen mich inspirieren.

Ist die geringe Größe Luxemburgs für Künstler*innen eher Segen oder Fluch?

Speziell ist, dass hier alles viel schneller geht. Will man gesehen werden, wird man es auch, nichts wird verpasst. Bei mir ging alles enorm schnell – innerhalb von vier Jahren habe ich Preise gewonnen, meinen Galeristen Alex Reding kennengelernt und stelle demnächst im Mudam aus. Im Ausland wäre das unmöglich – egal, wie gut man ist. Andererseits sind die Möglichkeiten hier begrenzt. Doch knapp an dem Glück vorbei, hat man wenig Alternativen. Zudem fällt mir auf, dass viele luxemburgische Künstler*innen mit großer Sichtbarkeit nicht unbedingt hier leben. Das Zuhause-Sein in mehreren Ländern und der häufige Ortswechsel sind für mich Teil der luxemburgischen Identität.

Was würden Sie sich für die luxemburgische Kunstszene wünschen?

Unsere Generation hat das Glück, dass es schon viele Plattformen für junge Künstler*innen gibt. Über die finanzielle Situation beschwere ich mich ungern, wenn ich mich mit Künstler*innen im Ausland vergleiche. Allerdings ist der Wohnraum zu teuer, weshalb es einen Mangel an Ateliers gibt.

Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?

Hätte ich viel Geld, würde ich einen Ort schaffen, wo ich Kunst und Yoga miteinander verbinden könnte. Ich will ein Gleichgewicht finden zwischen der Transmission meines Wissens und meiner eigenen Kreation.

Welche luxemburgische Künstlerin empfehlen Sie?

Aline Bouvy, die auch in Brüssel lebt.

FR.A.RT

Frauen sind in der Kunstwelt nach wie vor unterrepräsentiert. Um dem entgegenzuwirken, stellt die „FR.A.RT“-Porträtserie Künstlerinnen vor, die eine Verbindung zu Luxemburg haben. Jedes Porträt besteht aus einem Interview und Fotos. Das Projekt schließt diverse visuelle Kunstgenres sowie etablierte Künstlerinnen und Newcomerinnen ein.