FR.A.RT (41)Nika Schmitt, 1992, Rotterdam

FR.A.RT (41) / Nika Schmitt, 1992, Rotterdam
 Foto: Anouk Flesch

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In ihren konzeptuell-sensorischen Werken beschäftigt sich Nika Schmitt hauptsächlich mit Bewegung und Ton. Nach Studien der freien Kunst in Maastricht und Kunstwissenschaften in Den Haag lebt sie jetzt in Rotterdam. Regelmäßig zeigt sie ihre Werke in Luxemburg, wie zuletzt in der Philharmonie und der Annexe22 im Rahmen von Esch 2022. Rezent war Schmitt Teil einer Residenz zur Untersuchung des Hafens von Montevideo und seinen Verbindungen zu den Themen der Kolonialisierung, Industrialisierung und der Globalisierung. Neben der Kreation von Installationen singt die junge Luxemburgerin in einer Band und designt Kleidung gemeinsam mit zwei Künstlern.

Tageblatt: Beschreiben Sie sich in drei Wörtern.

Nika Schmitt: Beobachtend, neugierig und risikofreudig.

Worum geht es bei Ihren Werken?

Das Konzeptuelle an meinen Werken ist genauso wichtig wie die subjektive sensorische Erfahrung davon. Es erlaubt mir, diese zu leiten. Ich will eine Geschichte zu erzählen, die verbunden ist mit dem Ort, an dem sich das Werk befindet. Viele meiner Werke bringen die Zuschauer*innen zum Lachen, wenn die Maschinen ein Eigenleben erlangen. Das motiviert mich dazu, weiterzumachen. Während meines Masters beschäftigte ich mich mit der Verbindung zwischen Bewegung und Zeitempfinden. Gibt man sich einer Bewegung hin, erlebt man die Zeit durch die Bewegung schneller oder langsamer.

Wie sind Sie darauf gekommen, sich mit Ton zu beschäftigen?

Seit Anfang meines Studiums beschäftige ich mich mit Bewegung, der Ton war eher ein Nebenprodukt. Ich arbeite mit Systemen, die denselben Akt andauernd wiederholen. Die Wiederholung erzeugt einen Rhythmus, den man als Mensch schnell als Musik oder als Sound erkennt. Nach meinem Bachelor habe ich einen Preis für Klanginstallationen gewonnen, wodurch meine darauffolgenden Projekte mehr in die Richtung gingen. Ich will multisensorielle Erfahrungen im Raum schaffen.

Welche Art Maschinen schaffen Sie momentan?

Es sind Non-Maschinen: Sie sehen aus wie Maschinen, doch produzieren nichts außer Verschleiß. Dadurch schaffen sie eine Veränderung in sich selbst oder im Raum. In letzter Zeit interessiere ich mich besonders für die Verbindung zwischen Bewegung und Empathieempfinden. Ich kreiere kleine, sozusagen tollpatschige Maschinen, die sich selbst zerstören. Diese scheinbar unkontrollierten Bewegungen rühren uns, weil sie etwas Menschliches oder Tierisches an sich haben. Es entsteht eine Art Empathie mit der Bewegung selbst.

Mit welchem/welcher Künstler*in würden Sie gerne einmal zusammenarbeiten?

Es würde mir sicher Spaß machen, an den humorvollen Performances des Künstlerduos Harrison and Wood mitzuarbeiten.

Welcher Teil des Kunstschaffens gefällt Ihnen am wenigsten?

Die finanzielle Instabilität. Hier in den Niederlanden gibt es Richtlinien für die Bezahlung von Künstler*innen, die sehr niedrig sind. Viele Leute stellen diese Beträge, wie z.B. 2000 Euro für ein neues Werk und 200 Euro für den Wiederaufbau eines existierenden Werkes, nicht infrage und gehen davon aus, dass man von Kunst allein nicht überleben kann. Es kann nur klappen, wenn man aus eigener Initiative permanent Anträge auf finanzielle Unterstützung stellt, was wiederum viel unbezahlte Zeit kostet.

Wie erfahren Sie die Kunstszene als Frau?

Männer gelangen einfacher ins Rampenlicht. Ich denke, das liegt daran, dass es in der Kunstwelt noch viele weiße, männliche „Dinosaurier“ gibt, die Chancen eher an junge Männer vergeben. Andererseits bemerke ich, dass Frauen eher Stabilität suchen oder eine Familie gründen wollen – die Frage bleibt, ob das an der Natur an sich liegt oder an unserer Sozialisierung. Zudem gibt es immer noch viele sexistische Übergriffe in der Kunstwelt, die mit dem Argument vertuscht werden, dass ein Künstler seine Grenzen austesten muss. Ein verrückter Künstler zu sein, entschuldigt niemals, anderen zu schaden.

Was würden Sie sich für die luxemburgische Kunstszene wünschen?

Ich bin überzeugt, die luxemburgische Kunstszene wäre viel interessanter, gäbe es eine Kunstuniversität. Wenn man sich als junger Mensch für ein Kunststudium interessiert, ist es wichtig, von Gleichdenkenden umgeben zu sein, die Dinge organisieren und somit die Kunstszene formen. Sie würde auch junge Kunstinteressierte aus dem Ausland anziehen, was für mehr Diversität in der Kunstszene und in der Gesellschaft sorgen würde. Momentan ist die Kunstszene veraltet, weil wenig junge Menschen dazustoßen. Dann würde auch mein Beruf ernst genommen werden. Macht man Kunst ausschließlich als Hobby,, akzeptiert man, dass Professionelle nicht davon überleben können.

Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?

Ich will weiterhin das machen, was mir Freude bereitet. Was nicht unbedingt heißen will, dass es weiterhin Installationen sein werden. Und zu ein wenig mehr finanzieller Stabilität würde ich nicht nein sagen.

Was würden Sie heute machen, wenn Sie nicht Künstlerin geworden wären?

Ich wäre trotzdem im kreativen Bereich. Ich befand mich immer schon zwischen Fashiondesign, Design und freier Kunst. Da meine Eltern im Handwerksbereich arbeiten, kam die Kreativität automatisch. Vielleicht hätte ich aus Interesse Psychologie oder Philosophie studiert.

Welche luxemburgische Künstlerin empfehlen Sie?

Aurélie d’Incau, die momentan im CAW ausstellt.

@FR_A_RT

Frauen sind in der Kunstwelt nach wie vor unterrepräsentiert. Um dem entgegenzuwirken, stellt die FR_A_RT-Porträtserie Künstlerinnen vor, die eine Verbindung zu Luxemburg haben. Jedes Porträt besteht aus einem Interview und Fotos. Das Projekt schließt diverse visuelle Kunstgenres sowie etablierte Künstlerinnen und Newcomerinnen ein.