EditorialNicht unbedingt nur verlässliche Partner in der NATO

Editorial / Nicht unbedingt nur verlässliche Partner in der NATO
Szene eines NATO-Manövers dieser Tage im Norden Polens Foto: Wojtek Radwanski/AFP

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Seit Donnerstag gehört Schweden dem transatlantischen Militärbündnis, der NATO, an. Was vor mehr als zwei Jahren noch undenkbar schien, vor allem für die Menschen in Schweden, aber auch in Finnland, ist nun Teil einer neuen Realität. Dem war eine noch viel undenkbarere und vor allem schrecklichere Wirklichkeit vorausgegangen: nämlich der russische Überfall auf die Ukraine mit dem Ziel – so viel ist mittlerweile in Anbetracht der Geschehnisse in den russisch besetzten Gebieten bekannt –, die ukrainische Staatlichkeit und Kultur auszulöschen.

Allerdings: Finnland und vor allem Schweden wurden nicht gleich von allen NATO-Mitgliedern mit offenen Armen aufgenommen. Vielmehr ließen sich die Türkei und der EU-Partner Ungarn über Gebühr Zeit, um Schweden letztendlich doch noch den Beitritt zum Verteidigungsbündnis zu ermöglichen. Mit teils fadenscheinigen Argumenten verzögerte die ungarische Regierung den entsprechenden Prozess und führte zeitweilig die Kritik Schwedens an der mangelhaften Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien in Budapest als Beweggrund für die zögerliche Haltung an. Dabei kritisieren alle übrigen EU-Staaten mehr oder weniger den Zustand der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn, vor allem da wegen festgestellter Mängel vermutlich in hohem Maße EU-Steuergelder in dem unter Korruptionsverdacht stehenden Land versickern. Nun ist es gut, dass es im kriegerischen Ernstfall nicht auf die unsicheren Kantonisten in Ungarn ankommt, gleichwohl die ausgesprochen große Nähe ihres Regierungschefs Viktor Orban zum russischen Machthaber Wladimir Putin doch ein gewisses Unbehagen hinterlässt.

Doch auch der immer weniger berechenbare Partner am Bosporus, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, hat seine Zustimmung zum schwedischen NATO-Beitritt mit anderweitigen Forderungen verknüpft. Der türkische Alliierte hat sich mit seinem Verhalten daher auch nicht als über alle Zweifel erhabener und verlässlicher Partner erwiesen. Doch Erdogan weiß als Wächter über die Meerengen am Marmarameer und damit über den maritimen Zugang zum Schwarzen Meer um seinen Wert in der Militärallianz und nutzt dies weidlich aus. Während allerdings die Türkei die um ihr Überleben kämpfende Ukraine mit Bayraktar-Kampfdrohnen versorgt hat, die dem Land anfangs dabei geholfen haben, sich gegen die russischen Invasoren zur Wehr zu setzen, lehnt es Ungarn kategorisch ab, sich dem in der NATO bestehenden Konsens über die unabdingbare militärische Unterstützung für die Ukraine anzuschließen. Im Gegenteil: Viktor Orban verweigert sogar den Transit von Militärgütern an das Nachbarland über ungarisches Territorium.

Ganz ungeschoren können in diesem Zusammenhang jedoch ebenfalls manch andere NATO-Staaten nicht davonkommen. Wohl haben sie mit ihrer Militärhilfe dazu beigetragen, dass die Ukraine bislang nicht vollends unter das Joch des Moskauer Regimes geraten ist. Doch offenbar reicht das noch lange nicht aus, um das einst gesteckte Ziel zu erreichen: Denn im Vorfeld von eventuellen Verhandlungen, so das Versprechen, sollten die ukrainischen Verteidiger in die Lage versetzt werden, eine Position der Stärke in den umkämpften Gebieten zu erlangen. Vielmehr ist dort nach anfänglichen Erfolgen nun das Gegenteil eingetreten: Es mangelt allseits an Munition und anderem Gerät, die ukrainischen Truppen sind in der Defensive, die russischen Invasoren machen Geländegewinne. Die NATO-Staaten, vor allem in Europa, müssen demnach schon mehr tun, um sich insbesondere in diesen prekären Kriegszeiten als verlässliche Partner zu erweisen.