Montag24. November 2025

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Escher CHEM„Nicht in ein Szenario wie im Wilden Westen geraten“: Krankenhaus sucht nach Alternativen, um Notaufnahme zu entlasten

Escher CHEM / „Nicht in ein Szenario wie im Wilden Westen geraten“: Krankenhaus sucht nach Alternativen, um Notaufnahme zu entlasten
CHEM-Präsident Christian Weis (l.) und CHEM-Generaldirektor René Metz am Dienstagnachmittag im Escher Rathaus Foto: Editpress/Julien Garroy

Seine Pläne, eine Antenne im GridX zu eröffnen, hat das Escher CHEM diese Woche verworfen. Das Problem der langen Wartezeiten in der „Urgence“ und am Empfang bleibt bestehen. Bis das neue Südspidol voraussichtlich Ende 2033 den Betrieb aufnimmt, sollen ambulante Strukturen an den CHEM-Standorten Niederkorn und Düdelingen geschaffen werden. 

Rund zwei Wochen nachdem das Lëtzebuerger Land darüber berichtet hatte, hat der Verwaltungsrat des „Centre hospitalier Emile Mayrisch“ (CHEM) seinen Plan, eine sogenannte Krankenhaus-Antenne im Wickringer Auto- und Konsumtempel GridX der mit Immobilien reich gewordenen Familie des Bauunternehmers Marc Giorgetti zu eröffnen, in seiner Sitzung am Montag einstimmig verworfen. In einer Mitteilung ließ der CHEM-Verwaltungsratspräsident und Escher CSV-Bürgermeister Christian Weis wissen, das neue Südspidol sowie die beiden Standorte Niederkorn und Düdelingen hätten absolute Priorität. Der Bedarf an zusätzlichen ambulanten Antennen werde erst in einer zweiten Phase untersucht.  

In seiner „strategischen“ Sitzung vom 18. September hatte der zum größten Teil aus Lokalpolitikern aus Esch, Differdingen, Düdelingen, Petingen und Käerjeng sowie aus Vertretern von ArcelorMittal und einer Beamtin aus dem Gesundheitsministerium zusammengesetzte Verwaltungsrat einen „Masterplan“ zur Entwicklung der drei CHEM-Standorte und möglichen Antennen diskutiert. Die Idee, eine Antenne im GridX zu eröffnen, wurde unseren Informationen zufolge von der (medizinischen) Direktion eingebracht.  

Politischer Druck

Das GridX habe sich angeboten, weil dort ausreichend Fläche zur Verfügung stehe und es im Süden liege, nur zehn Autominuten von Esch entfernt, sagt CHEM-Generaldirektor René Metz am Dienstag im Gespräch mit dem Tageblatt. Eigentlich hätte der Verwaltungsrat am Montag „ohne Stress und Druck“ ein Verfahren einleiten wollen, um zu prüfen, ob sich die Struktur des GridX-Gebäudes für den Betrieb eines schweren Magnetresonanztomografen (IRM) überhaupt eigne, erzählt Metz. Wegen des Presseberichts sei jedoch unerwartet öffentlicher Druck entstanden. 

„GridX hat sehr viele Fragen aufgeworfen“, sagt CHEM-Präsident Christian Weis dem Tageblatt. Der Druck war vor allem politisch. Einerseits stellte sich die Frage, ob es angebracht ist, dass ein öffentliches Krankenhaus eine Praxis für medizinische Bildgebung in einem Konsumtempel eröffnet. Andererseits hatte ebenfalls das Land vor drei Wochen berichtet, dass Marc Giorgetti (nebst anderen) als Investor an der „Findel Clinic“ beteiligt ist, die der frühere AMMD-Präsident Alain Schmit, einst gastroenterologischer Belegarzt am CHEM, und sein ehemaliger AMMD-Vize Philippe Wilmes, Orthopäde an den Hôpitaux Robert Schuman (HRS), unweit des Flughafens eröffnen wollen.

Die Notaufnahme und die Patientenaufnahme am Escher CHEM sind seit Jahren überlastet
Die Notaufnahme und die Patientenaufnahme am Escher CHEM sind seit Jahren überlastet Foto: Editpress/Alain Rischard

Um Ärzten zu erlauben, kommerzielle Gesellschaften zu gründen, will CSV-Gesundheitsministerin Martine Deprez noch dieses Jahr einen Gesetzentwurf vorlegen. Jedoch will sie dabei nicht so weit gehen, wie die AMMD es sich wünscht. Die Ärztevereinigung verlangt, dass nicht-medizinische Finanzinvestoren sich an den Gesellschaften beteiligen dürfen und will in Verhandlungen mit der Gesundheitskasse CNS eine selektive Konventionierung sowie Tarifautonomie für Mediziner erreichen. Sowohl Deprez als auch CSV-Premier Luc Frieden hatten jedoch zuletzt betont, die Regierung wolle ausschließlich Ärzten den Zusammenschluss in Gesellschaften erlauben. Sodass in den vergangenen beide Wochen von Oppositionspolitikern, Krankenhausärzten und Gewerkschaften gemutmaßt wurde, die „Findel Clinic“ könne sich am Rande der Illegalität bewegen und sie ein erster Schritt hin zur Kommerzialisierung des öffentlichen Gesundheitswesens sei.  

Ech mengen, dass mer lo net däerfen an e Rush op Antenne verfalen, dass een net lo däerf an eng Situatioun kommen, wou d’Spideeler a jidderee kuckt, wéi kann ech elo zu mengem hei kommen

Christian Weis, CHEM-Präsident und Escher CSV-Bürgermeister

„Ech mengen, dass mer lo net däerfen an e Rush op Antenne verfalen, dass een net lo däerf an eng Situatioun kommen, wou d’Spideeler a jidderee kuckt, wéi kann ech elo zu mengem hei kommen“, sagt Christian Weis. Als Vizepräsident der CSV hatte er diese Woche, gemeinsam mit der Fraktion, die von dem früheren LCGB-Gewerkschafter Marc Spautz präsidiert wird, eine Mitteilung verschickt, in der die Partei die Pläne der CSV-Gesundheitsministerin ausdrücklich unterstützt und sich unmissverständlich zum Fundament des solidarischen Gesundheitssystems, zur obligatorischen Konventionierung aller in Luxemburg praktizierenden Ärzte sowie zu einer „guten“ landesweiten Verteilung der medizinischen Versorgung bekennt. Vielleicht war dieses Bekenntnis notwendig geworden, weil an der „Findel Clinic“ auch Mitglieder von CSV und DP beteiligt sind. 

Nach aktuellem Zeitplan soll der Bau des Südspidol im Sommer 2027 beginnen, die Eröffnung ist für Ende 2033 geplant
Nach aktuellem Zeitplan soll der Bau des Südspidol im Sommer 2027 beginnen, die Eröffnung ist für Ende 2033 geplant CHEM

Das CHEM brauche einen Plan, der festlegt, wo die Bedürfnisse der Patienten sind, bekräftigt Weis gegenüber dem Tageblatt. Man habe eindeutig den Anspruch, die Südregion abzudecken: „Das müssen wir planen und strukturieren. Wir dürfen nicht in ein Szenario wie im Wilden Westen geraten“, warnt Weis. Erst müsse geklärt werden, was auf den CHEM-Standorten in Niederkorn und Düdelingen passiert, bevor man über Zusatzangebote durch Antennen redet.  

Dass das CHEM kurz- bis mittelfristig Antennen braucht, daran zweifeln aber weder die Direktion noch der Verwaltungsrat. „Mir sinn net an engem Rush, do si mer eis 100 Prozent eens, mee et ass eng gewëssen Urgence do, dass mer eis Patiente-Fluxe besser an de Grëff kréien“, betont René Metz. Die Infrastruktur des CHEM sei älter als die der anderen Krankenhäuser; drei Standorte gleichzeitig zu organisieren, sei manchmal kompliziert, insbesondere in Niederkorn nehme das Patientenaufkommen zu.  

„All Dag Garde“

Das CHEM bedient ein Einzugsgebiet, in dem rund 220.000 Menschen wohnen – fast ein Drittel der Bevölkerung. Zusätzlich steige die Zahl der Patienten aus der französischen Grenzregion, sagt Weis. „Mir hunn en enormt Gewiicht par Rapport zu den Urgencen, mir hunn all Dag Garde“, klagt der CHEM-Generaldirektor. Es komme durchaus vor, dass ein Facharzt während einer Sprechstunde „de Bic fale léisst“, um im Krankenhaus Notdienst zu leisten, und den Patienten in der Praxis zurücklassen muss. Die anderen beiden großen Krankenhauszentren HRS und CHL, die lediglich fünf Kilometer (Luftlinie) voneinander entfernt in der Hauptstadt angesiedelt sind, würden jeweils nur jeden zweiten Tag medizinischen Notdienst anbieten. Das könne das CHEM sich nicht erlauben.

Neben der Notaufnahme sei auch der Empfang überlastet, erzählt Metz. Zwar habe man rezent drei zusätzliche Schalter eröffnet, doch sie reichten nicht aus, um den Patientenandrang zu bewältigen – fast täglich kommt es an der Patientenaufnahme zu langen Wartezeiten.

Mir sinn net an engem Rush, do si mer eis 100 Prozent eens, mee et ass eng gewëssen Urgence do, dass mer eis Patiente-Fluxe besser an de Grëff kréien

René Metz, CHEM-Generaldirektor

Um die Notaufnahme zu entlasten, will die Direktion die Patientenströme trennen – also weniger schwer Erkrankte von Schwerkranken. Akutes und ambulantes Spital sollten jedoch „unter einer Haube“ bleiben, sagt Metz. Das 2012 erstmals vorgestellte Südspidol, das das CHEM im Escher Stadtviertel Sommet bauen will, soll das ermöglichen, doch der Baubeginn wurde immer wieder verschoben. Nachdem vor fünf Jahren ein Audit Probleme in der Ausführung aufgezeigt hatte, trennte sich das CHEM von dem österreichischen Architekten Albert Wimmer. Die Suche nach einem neuen Konsortium (SWG-Gruppe) und die Überarbeitung der Pläne nahmen viel Zeit in Anspruch. Das Finanzierungsgesetz von 2018 in Höhe von über 640 Millionen Euro (nach derzeitigem Bauindex) soll angepasst und in einem Jahr vom Parlament angenommen werden. Rund 60 Millionen Euro hat das CHEM bislang schon für Studien und Vorarbeiten ausgegeben. Im Sommer 2027 sollen laut Projektplaner Sam Saberin die Ausführungsarbeiten beginnen, die Inbetriebnahme des Südspidol soll frühestens Ende 2033 erfolgen.

Die Baustelle im Escher Stadtviertel Sommet 
Die Baustelle im Escher Stadtviertel Sommet  Foto: Editpress/Hervé Montaigu

So viel Zeit hat das CHEM aber nicht: „Wann am Masterplang steet, hei hu mer eng Solutioun a fënnef Joer, ass et mäi Rôle an dee vun der ganzer Direktioun ze soen, fënnef Joer kënne mir net méi waarden“, sagt René Metz. Auch Christian Weis geht davon aus, dass das CHEM noch Antennen eröffnen wird, bevor das Südspidol den Betrieb aufnimmt. In Niederkorn sei man bereits dabei, auf die ambulante Chirurgie (der Patient wird im Krankenhaus operiert, übernachtet aber anschließend zu Hause) umzustellen, sie soll in den kommenden Jahren noch ausgebaut werden, sagt René Metz. Ein entsprechendes Projekt in einem kleinen Nebengebäude des früheren „Hôpital Princesse Marie-Astrid“ sei bereits auf dem Instanzenweg, es sei so konzipiert, dass es weiterbestehen kann, wenn das eigentliche Spital nach der Eröffnung des Südspidol wohl abgerissen wird, sagt Metz. Ab 2034 könne es für Erstversorgung und kleinere Behandlungen weitergenutzt werden.

Termin im Ministerium

Schwieriger gestaltet sich die Nutzung des CHEM-Standorts Düdelingen, wo das alte Krankenhaus laut Metz nicht für den Betrieb von Kernspintomografen geeignet sei und nicht ausreichend Platz zur Verfügung steht. Um der Nachfrage im Süden gerecht zu werden, suche das CHEM mit den Verantwortlichen der Gemeinde nach alternativen Standorten, um eventuell eine Antenne in Düdelingen zu eröffnen. Die Diskussionen laufen noch. Im Dezember hat die Direktion des CHEM einen Termin bei der Gesundheitsministerin, um ihr den Masterplan vorzustellen.

Kurz nachdem das Gesetz zur ambulanten Wende im Juli 2023 vom Parlament angenommen wurde, hatte das CHEM schon Pläne zur Eröffnung einer Antenne in Mondorf ausgearbeitet. Neben Radiologie sollten auch andere Behandlungen dort angeboten werden. Weil es aber zwei Jahre dauerte, bis das HRS die Pauschale zur Finanzierung ihrer Antenne auf Cloche d’Or mit der CNS ausgehandelt hat, habe das CHEM ihr Mondorfer Antennen-Projekt nicht weiter verfolgt, sagt René Metz. Im Gespräch war auch eine Antenne mit der von französischen Privatinvestoren gegründeten Hygie Group, die ohne Erlaubnis des Gesundheitsministeriums radiologische Geräte in ihrer Praxis unweit des Escher Rathauses installiert hatte. Aus Sicherheitsgründen hat das CHEM dieses Projekt jedoch nicht weiterverfolgt.

„Eng aner Welt“

Das sogenannte Ärztehaus, das an das Südspidol angegliedert werden soll, hatte vor Jahren für Zerwürfnisse zwischen der CHEM-Direktion und der AMMD gesorgt. Die Idee stammt vom früheren Generaldirektor Michel Nathan, der Belegärzten am CHEM eine Praxis in unmittelbarer Nähe des Krankenhauses zur Miete anbieten wollte, um ihnen lange Anfahrtswege zu ersparen. „Natürlich wollen wir weiterhin ein Ärztehaus“, sagt René Metz, ein großes neben dem Südspidol, doch er könne sich auch vorstellen, Fachärzten Beratungsbüros in Niederkorn und Düdelingen zur Verfügung zu stellen. Um Belegärzte im Krankenhaus halten zu können, wünscht Metz sich, dass die CNS ihnen Festbeträge für ihre unterschiedlichen Tätigkeiten (Behandlung, Ausbildung, Forschung) im Krankenhaus gewährt. Damit das System weiterhin funktioniert, müssten die Ärzte sich an gewisse Standards und Regeln halten, die in ihrer Privatpraxis nicht gelten. Alle Ärzte müssten sich bewusst sein: „Wann ech de Fouss an d’Spidol setzen, kommen ech an eng aner Welt.“