Samstag18. Oktober 2025

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KommunalpolitikNicht genug Zeit, zu viele Aufgaben – warum immer mehr Bürgermeister hinschmeißen

Kommunalpolitik / Nicht genug Zeit, zu viele Aufgaben – warum immer mehr Bürgermeister hinschmeißen
Immer mehr Bürgermeisterinnen und Bürgermeister treten zurück – allein in den vergangenen zehn Monaten waren es fünf Fotomontage: Tageblatt

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Zeitmangel, Überlastung, komplexe Verfahren: Immer mehr Bürgermeister treten zurück. Die Regierung hat reagiert und den „Congé politique“ ausgeweitet. Doch trotz Verbesserungen bleibt der Spagat zwischen politischem Amt und Alltag für viele schwierig.

Der Verantwortungsbereich der Gemeinden wird immer größer. Mit dem wachsenden Aufgabenkatalog nimmt auch die Zahl der Pflichten der Kommunalpolitiker zu, was für die Menschen, die dieses Amt oft nebenberuflich ausüben, mit wachsendem Zeitaufwand verbunden ist. Dass politisches Engagement, Arbeit und Privatleben nicht immer unter einen Hut passen, haben die vergangenen zehn Monate gezeigt. Seit September sind fünf Bürgermeisterinnen und Bürgermeister zurückgetreten. Die angegebenen Gründe dafür sind unterschiedlich, doch Zeitmangel spielt eine Rolle – und dementsprechend auch der „Congé politique“. Also die Zeit, während der ein Kommunalpolitiker von der Arbeit freigestellt wird, um seinen Pflichten als Volksvertreter nachzukommen.

Innenminister Léon Gloden (CSV) ist sich der Problematik bewusst. „Ich habe die Entwicklung seit 2000 selbst miterlebt“, sagt der Ex-Bürgermeister der Gemeinde Grevenmacher. Die kommunalen Aufgaben seien gewachsen, was zur Folge habe, dass Kommunalvertreter zunehmend unter Zeitdruck geraten. „Es ist wichtig, dass die gewählten Lokalpolitiker Zeit haben, um ihrer politischen Aufgabe nachzukommen und sich nicht mit den alltäglichen administrativen Aufgaben befassen müssen“, sagt Gloden.

Dieser Meinung ist auch Emile Eicher (CSV), Präsident des Gemeindesyndikats Syvicol. „Sehr viele Menschen sagen mir, dass die Missionen der Gemeinden zunehmen und immer komplexer werden. Der Druck auf die Politiker nimmt zu.“ Auch die kleineren Gemeinden würden mehr „Congé politique“ benötigen.

Mehr Zeit für mehr Aufgaben

In diesen 27 Gemeinden arbeiten momentan Vollzeit-Bürgermeister und -Bürgermeisterinnen: Bartingen, Bettemburg, Clerf, Diekirch, Differdingen, Düdelingen, Esch, Ettelbrück, Hesperingen, Junglinster, Käerjeng, Kayl, Kehlen, Luxemburg-Stadt, Mamer, Mersch, Monnerich, Niederanven, Petingen, Roeser, Sanem, Schifflingen, Steinfort, Steinsel, Strassen, Walferdingen und Wolz.

Diesen hat die Regierung allerdings schon vergangenes Jahr angehoben. Vor der Gesetzesänderung war der Bürgermeisterposten nur in den Gemeinden mit 10.000 oder mehr Einwohnern ein Vollzeitjob – mittlerweile trifft dies auch auf die 27 Kommunen mit einer Bevölkerung ab 6.000 Menschen zu. Auch in den kleineren Gemeinden hat das Innenministerium den „Congé politique“ für Bürgermeister und Schöffen um zwei oder vier Stunden angehoben.

Diese Einteilung soll nach Plänen des Innenministeriums überarbeitet werden. Künftig wird es nur noch eine einzige Kategorie für die bevölkerungsärmsten Gemeinden mit unter 3.000 Einwohnern geben. Heißt: Die Bürgermeister erhalten 16 Stunden Freistellung pro Woche, Schöffen acht Stunden und Gemeinderäte vier Stunden. Dem gesamten Gemeinderat stehen außerdem noch 15 Stunden pro Woche zu, die auf die einzelnen Mitglieder aufgeteilt werden können.

Zusätzlich plant Gloden Folgendes: Schüler, Studierende und Auszubildende sollen in Zukunft Anspruch auf diesen Sonderurlaub haben. Außerdem wird der „Congé politique“ zweimal im Jahr ausbezahlt – und in geraden Stunden bemessen, um die Organisation für Kommunalpolitiker und deren Arbeitgeber zu erleichtern.

Trotzdem betont der Innenminister gegenüber dem Tageblatt: „Der Arbeitsaufwand hängt stark von der Größe der Gemeinde und der Einwohnerzahl ab – ebenso wie vom verfügbaren Personal und der individuellen Herangehensweise, mit der die jeweiligen Lokalpolitiker ihr Mandat ausüben.“ Ziel des Innenministeriums sei es deshalb, die kommunalen Dienste und Strukturen „weiter zu professionalisieren“. Ein Schritt in diese Richtung ist für Gloden die strukturelle Modernisierung der Gemeindeverwaltungen. In Zukunft sollen alle Kommunen über zentrale Dienste wie eine Personalabteilung und einen eigenen Finanzdienst verfügen, wie der Minister Anfang Juni während des Bürgermeistertags angekündigt hat.

„Extrem viel gefordert“

Auch Syvicol-Präsident Emile Eicher fordert seit Langem strukturelle Veränderungen. Mehr Sonderurlaub allein reiche nicht aus, um die Herausforderungen auf kommunaler Ebene zu bewältigen. Vor allem kleinere Gemeinden seien personell oft unterbesetzt und könnten sich nicht die Fachkräfte leisten, die nötig wären, um Kommunalpolitiker im Alltag zu entlasten.

Deshalb müsse man laut Eicher darüber nachdenken, ob sich mehrere Gemeinden künftig Personal – etwa im Bereich Urbanismus – teilen sollten, da die Verfahren immer komplexer werden. „Auch Schöffen seien zunehmend überlastet“, sagt Eicher. Immer mehr von ihnen legten ihr Amt nieder, weil sie im täglichen Kontakt mit Verwaltung, Personal und Bürgern „extrem viel gefordert“ seien. „Alle, die Entscheidungen treffen, brauchen dafür Zeit – und genau die fehlt“, betont er.

Für Innenminister Léon Gloden sei es deswegen umso wichtiger, dass sich Menschen bewusst machen, was ein kommunales Mandat tatsächlich bedeutet. „Es ist wichtig, dass sich Menschen bewusst sind, was es bedeutet, ein gewählter Gemeindepolitiker zu sein, bevor sie sich zur Wahl stellen“, betont Gloden. Deshalb sei es entscheidend, Kandidaten frühzeitig auf die Realität eines kommunalpolitischen Mandats vorzubereiten – gemeinsam mit dem Gemeindesyndikat Syvicol. 

Trotz aller Bemühungen bleibt für Emile Eicher das zentrale Problem bestehen: „Wenn man dauerhaft überfordert ist, ‚da kritt een d’Flemm‘.“

Verschwinden die Doppelmandate?

Ein weiteres wichtiges Thema beim Arbeitsaufwand als Kommunalpolitiker ist die Frage der Doppelmandate. Im Koalitionsabkommen hat sich die CSV-DP-Regierung verpflichtet, gemeinsam mit den anderen Parteien eine Entscheidung darüber zu treffen, ob Personen gleichzeitig ein kommunales und ein nationales Mandat ausüben dürfen. Innenminister Gloden erklärt hierzu auf Tageblatt-Nachfrage lediglich, dass in den kommenden Monaten Gespräche stattfinden sollen.


Claude Daman, Weiswampach

Claude Daman: „Kommst du auch noch mal nach Hause?“, hätten seine Kinder ihn gefragt
Claude Daman: „Kommst du auch noch mal nach Hause?“, hätten seine Kinder ihn gefragt Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Auch Claude Daman gehört zu jenen Bürgermeistern, die im vergangenen Jahr das Handtuch geworfen haben. Bei den Wahlen 2023 wird er Erstgewählter und übernimmt das Bürgermeisteramt in der rund 2.500 Einwohner zählenden Majorzgemeinde. Ein Jahr später, im September 2024, ist Schluss. Nicht wegen politischer Reibereien, sondern aus persönlichen Gründen. Die Dreierbelastung sei zu groß gewesen, sagt Daman damals rückblickend. Die ihm zustehenden 15 Stunden politischer Urlaub würden nicht ausreichen. Sein Familienleben und sein Job bei der CFL hätten massiv unter den Anforderungen des Amtes gelitten. Er zieht die Konsequenzen und tritt zurück.

Er habe den zeitlichen Aufwand unterschätzt, gibt er im damaligen Tageblatt-Gespräch zu. Es habe Tage gegeben, an denen er frühmorgens das Haus verließ und spätabends heimkehrte, ohne seine Kinder gesehen zu haben. „Kommst du auch noch mal nach Hause?“, hätten sie ihn gefragt. Irgendwann sei ihm klar geworden, dass er nicht alles gleichzeitig leisten könne, jedenfalls nicht in der Konsequenz, die er sich selbst abverlange. Schweren Herzens sei er als Bürgermeister zurückgetreten.

Heute, fast ein Jahr später, will Claude Daman über diese Zeit nicht mehr sprechen. Auf telefonische Nachfrage Ende Juni lässt er durchblicken, dass er mit der Kommunalpolitik abgeschlossen hat – endgültig. Kommentieren wolle er die damaligen Beweggründe nicht mehr. (mago)


Monique Smit-Thijs, Bartringen

Monique Smit-Thijs, ehemalige Bürgermeisterin von Bartringen, legte Anfang März ihr Amt nieder
Monique Smit-Thijs, ehemalige Bürgermeisterin von Bartringen, legte Anfang März ihr Amt nieder Foto: Editpress/Didier Sylvestre

Bartringens ehemalige Bürgermeisterin Monique Smit-Thijs (DP) trat Anfang März aus persönlichen Gründen zurück. „Für mich ist der Moment gekommen, das Leben etwas ruhiger anzugehen“, sagte die Lokalpolitikerin damals. Das Tageblatt möchte vier Monate nach ihrer Demission wissen, wie sie mit dem zeitlichen Aspekt des Bürgermeisterseins umging. „Der Zeitaufwand als Bürgermeisterin war zwar groß, hatte allerdings nichts mit meinem Rücktritt zu tun“, so Smit-Thijs.

Da Bartringen mehr als 6.000 Einwohner zählt, hatte sie nach der Gesetzesanpassung im vergangenen Jahr 40 Stunden politischen Urlaub zugute. Das sei ausreichend, um seinen Aufgaben nachzukommen: „Wenn man neben seinem Mandat allerdings einen Vollzeitjob hat, ist es schwierig – außerdem bleibt es für Bürgermeister kleinerer Gemeinden mit weniger ‚Congé politique‘ weiterhin eine zeitliche Herausforderung, den politischen Verpflichtungen nachzugehen.“ (salut)


Marc Lies, Hesperingen

Marc Lies war in den vergangenen Monaten wegen diverser Affären vermehrt unter Druck geraten
Marc Lies war in den vergangenen Monaten wegen diverser Affären vermehrt unter Druck geraten Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Nach mehr als 25 Jahren in der Kommunalpolitik kündigte Marc Lies (CSV) Anfang Juni „aus gesundheitlichen Gründen“ seinen Rücktritt als Bürgermeister von Hesperingen an. Lies war seit dem Jahr 2000 Mitglied des Gemeinderats, wurde 2005 Schöffe und übernahm im Januar 2009 das Amt des Bürgermeisters – ein Posten, den er seither durchgehend innehatte. In einer persönlichen Erklärung sprach er von einer schweren Entscheidung, betonte aber, dass ihm die Kraft fehle, das Amt weiterhin mit dem nötigen Einsatz auszuüben. Künftig wolle er sich voll auf seine parlamentarische Arbeit konzentrieren. (Red.)


Vincent Reding, Weiler-la-Tour

Vincent Reding, Bürgermeister von Weiler-la-Tour, hat am Vorabend vom Nationalfeiertag seinen Rücktritt angekündigt
Vincent Reding, Bürgermeister von Weiler-la-Tour, hat am Vorabend vom Nationalfeiertag seinen Rücktritt angekündigt Foto: Editpress/Julien Garroy

Vincent Reding bekleidete seit November 2018 das Amt des Bürgermeisters von Weiler-la-Tour, einer Gemeinde mit knapp über 2.500 Einwohnern. Am 22. Juni verkündete der 32-Jährige in seiner Rede zum Nationalfeiertag, dass er sein Amt niederlegen wird. 

Tageblatt: Wie schwierig war es für Sie, das Private, das Berufliche und das Amt miteinander zu vereinbaren?

Vincent Reding: Es ist eine Herausforderung. Den meisten Menschen ist nicht klar, dass ich mit 25 Jahren gewählt wurde. Ich war gerade fertig mit dem Studium, ich machte ein Praktikum, ich hatte noch keine eigene Wohnung. Trotzdem wollte ich mich engagieren und Verantwortung übernehmen. In dem Moment wusste ich nicht, was alles auf mich zukommen würde. Man weiß nicht, wo man gebraucht wird, und natürlich ist die berufliche Entwicklung schwierig mit dem „Congé politique“ zu vereinbaren. Ich bin der Meinung, dass jeder Bürgermeister, unabhängig von der Größe der Gemeinde, 40 Stunden pro Woche freigestellt werden sollte, damit er sich professionell und kompetent um alle Dienststellen der Gemeinde sowie die Anfragen der Vereine und Bürger kümmern kann. Zudem könnte der Bürgermeister so alle Projekte gut verfolgen. Meiner Meinung nach geht es nicht anders, denn sonst muss man etwas opfern, entweder im beruflichen oder im privaten Leben.

Wurde es am Ende zu viel?

Irgendwann kann es schon zu viel werden, beide Arbeiten zu kombinieren. Weil man auf beiden Arbeiten Fristen und Dossiers hat und nicht riskieren will, plötzlich Fehler zu machen, sowohl im privaten als auch im beruflichen Leben. Deswegen habe ich die Entscheidung getroffen, eine Pause einzulegen. Es war eine sehr schwierige Entscheidung, denn ich habe das Amt wirklich gerne ausgeübt. Ich habe es geliebt, nah am Bürger zu sein und die Projekte zu verwirklichen.

Sind Doppelmandate überhaupt noch umzusetzen?

Ich weiß nicht, wie verschiedene es schaffen, gleichzeitig eine Kanzlei zu besitzen, ein Mandat in der Partei zu haben, Abgeordneter zu sein und dann auch noch Bürgermeister. Das finde ich sehr schwierig. Wenn man dann noch ein intaktes Familienleben haben möchte – ohne jemandem persönlich zu nahe treten zu wollen –, aber für mich wäre das nicht möglich. Ich denke nicht, dass es angesichts der heutigen Arbeitsbedingungen und der Anforderungen bezüglich komplexer Sachverhalte möglich ist, alles unter einen Hut zu bekommen. Es ist bestimmt für einen kurzen Zeitraum machbar, aber ich frage mich, wie lange man alles zu 100 Prozent professionell und sorgfältig bewältigen kann. (sog)


Jacqueline Breuer (Mitte) bei ihrer Vereidigung als Bürgermeisterin im Jahr 2023
Jacqueline Breuer (Mitte) bei ihrer Vereidigung als Bürgermeisterin im Jahr 2023 Foto: SIP

Jacqueline Breuer, Sandweiler

Jacqueline Breuer (LSAP), Bürgermeisterin der Gemeinde Sandweiler, hat ihr Amt zum 1. Juli 2025 niedergelegt. In einem offiziellen Schreiben begründet sie diesen Schritt mit gesundheitlichen Problemen, die es ihr nicht mehr erlaubten, das Amt „mit Freude, Engagement, Sorgfalt und Ernsthaftigkeit“ in vollem Umfang auszuüben. Politisch aktiv bleiben will Breuer dennoch: als einfaches Mitglied des Gemeinderats – eine Rolle, die „weniger anstrengend, aber nicht weniger nützlich“ sei. (Red.)

Dunord Hagar
23. Juli 2025 - 8.50

Tjo, wat wëlls de hun... och do ass entretemps d'Work-life-Balance Prozedur ukomm.

Reinertz Barriera Manfred
21. Juli 2025 - 10.08

Ein Mandat in der Abgeordnetenkammer und gleichzeitig ein Mandat auf lokaler Ebenen ist eben zeitraubend deshalb sollte man Doppelmandate einfach sang und klanglos abschaffen....

Bibbi
20. Juli 2025 - 18.01

Sollte man sich genauestens überlegen bevor man solch ein
Amt übernimmt, meistens fehlt es an Kompetenz und politisches
NowHow,ist gleichgestellt mit Firmenchef,also Verantwortung
ist gefragt.

Beat Mosimann
10. Juli 2025 - 15.31

Wie sagt man in der Schweiz: "Die Bürger brauchen keinen Meister".

Muller Christian
10. Juli 2025 - 9.31

Wat seet eis dat da wuel iwwert Députés-maires?

D'Lydie Polfer huet an iwwer 12 Joer eng eenzeg QP gestallt an da nach just iwwert d'Sécherheet an der Stad. Zäit fir hir Oarbecht als Députéiert huet se sécher net als Buergermeeschtech vun der gérisster Stad am Land 🤷‍♂️

Reinertz Barriera Manfred
10. Juli 2025 - 9.24

In größeren Städten Deutschlands gibt es mehrere Bürgermeister (zum Beispiel Baubürgermeister,[ Sozialbürgermeister, die einem Oberbürgermeister beigeordnet und meist für spezielle Aufgabengebiete verantwortlich sind. Wàre das kein Modell für uns in Luxemburg??