Die Nervosität ist kaum zu übertreffen. Alle paar Stunden geben litauische Militärs und Politiker Pressekonferenzen in den Wäldern und Sümpfen des abgelegenen Truppenstützpunkts von Pabrade, rund 50 Kilometer östlich der Hauptstadt Vilnius. Sie alle erklären, weshalb vier seit Dienstagabend vermisste US-Soldaten noch immer nicht gefunden worden sind. Ihr Panzer soll in einem Sumpfgebiet versunken sein. Immer neue Bergungstechnik wird nun in das nur sieben Kilometer westlich von Belarus gelegene sumpfige Waldstück transportiert, darunter auch eilends aus den USA eingeflogene Taucher und andere Spezialisten.
„Ich wurde gerade vom Einsatzleiter darüber informiert, dass ein riesiges Stück Grasnarbe auf die Stelle gefallen ist, an der sich der Panzerwagen befindet“, überbrachte Verteidigungsministerin Dovile Sakaliene am Sonntag der Öffentlichkeit die neueste Hiobsbotschaft. „In meinen 24 Jahren beim Militär habe ich noch nie gesehen, dass ein Fahrzeug so feststeckt“, erklärte am Sonntag der diensthabende US-Oberst laut dem litauischen Nachrichtenportal Delfi. „Es ist nicht nur das Wasser oder der Schlamm allein, es ist eine Kombination aus beidem; und das alles in extrem schwierigem Gelände“, so der Amerikaner.
Das Nachbarland Polen hatte bereits am Donnerstag ein Rettungsteam der Armee in die abgelegene Region in Litauen rund 200 Kilometer östlich der Suwalki-Lücke entsandt. „Wir reagieren auf die Bitte unserer amerikanischen und litauischen Verbündeten“, twittert Polens Verteidigungsminister Wladyslaw Kosiniak-Kamysz. Der polnische Generalstabschef Wieslaw Kukula betonte, er kenne die US-Kollegen von gemeinsamen Manövern bei Pabrade.
Bislang keine Leichen gefunden
Dort ist bei einem taktischen Training am Dienstagmittag ein unbewaffneter, mit einem Kran ausgerüsteter amerikanischer M88-Hercules-Bergepanzer mit einer Vierer-Mannschaft spurlos verschwunden. Unklar ist, ob seine elektronische Orientierung von dem nahen mit Putin verbündeten Belarus aus gestört wurde. Am Mittwoch wurde der 63 Tonnen schwere Panzer jedenfalls rund fünf Meter tief in einem Sumpfloch entdeckt. Von der Mannschaft fehlte indes jede Spur. Die Litauer gingen zuerst davon aus, dass sie im Panzer eingeschlossen und inzwischen tot seien. Dies vermeldeten litauische Medien. Doch Politiker und Militärs widersprachen inzwischen dieser Darstellung. „Alle Szenarien werden noch geprüft“, sagte die nach Pabrade geeilte Verteidigungsministerin am Donnerstag, „noch sind keine Leichen gefunden worden“. Diese Version gilt inzwischen.
Die politische Mobilmachung immer neuer anreisender Spitzenpolitiker von Premierminister Gintautas Paluckas über Staatspräsident Gitanas Nauseda und auch der Polen macht indes klar, dass die beiden Nachbarstaaten eines immer aggressiveren, imperialistischen Russlands angesichts von NATO-Truppenabzugsdrohungen Donald Trumps aus Europa nichts unversucht lassen wollen, um Solidarität mit den USA zu zeigen. Diese hatten zwar ab 2014 immer wieder Soldaten zu Manövern nach Litauen geschickt und dort 2019 auf Rotationsbasis rund 1.000 Truppen stationiert. Doch Trumps Tiraden gegen die NATO und seine unkritische Wiederholung von Kreml-Propaganda haben die Balten und auch Warschau verunsichert.
Der litauische Armeechef Raimundas Vaiksnoras erklärt deshalb seit Tagen, die Bergungsaktion sei sehr komplex. Das Fahrzeug sei so tief eingesunken, dass es nicht einmal mit Metallstangen des Krans erreicht werden könne. Neben dem sumpfigen Gewässer verlaufe zudem eine Gasleitung. Diese wurde inzwischen abgeschaltet.
„Wir werden nicht ruhen, bis sie gefunden sind“, schrieb auf der Plattform X Trumps Verteidigungsminister Pete Hegseth. Laut dem litauischen Militärexperten und Ex-Oberst Darius Antanaitis ist die Hercules-Mannschaft inzwischen höchstwahrscheinlich erstickt. „Den Soldaten dürfte längst die Luft ausgegangen sein“, sagte er laut Delfi.
De Maart
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