Sonntag26. Oktober 2025

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BulgarienNationalistische und prorussische Kräfte rufen zur Verteidigung des vertrauten „Löwen“ auf

Bulgarien / Nationalistische und prorussische Kräfte rufen zur Verteidigung des vertrauten „Löwen“ auf
Nein zum „Euro“: Nicht alle unterstützen die geplante Einführung der EU-Währung in Bulgarien Foto: AFP/Nikolay Doychinov

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Im nächsten Monat soll Bulgarien von Brüssel grünes Licht für die 2026 geplante Einführung des Euro erhalten. Nationalistische und prorussische Kräfte fordern ein Referendum und rufen zur Verteidigung des Lew auf.

Bulgariens besorgte Nationalisten schlagen Alarm – und mobilisieren gegen den ungeliebten Eurotaler: In über 100 Städten und Orten im Balkanstaat demonstrierten Tausende von Bulgaren am Wochenende gegen die 2026 geplante Einführung des Euro. „Wir wollen den Lew, nicht den Euro!“ oder „Rettet den Lew, Tod dem Euro!“, skandierten die Teilnehmer der von der prorussischen „Wiedergeburt“ organisierten Proteste.

Zwar gilt Bulgarien 18 Jahre nach dem Beitritt noch immer als das ärmste EU-Mitglied. Doch die sogenannten „Maastricht-Kriterien“ zur Aufnahme in den Euroraum hat der Balkanstaat seit Jahren weitgehend erfüllt. Bulgariens Staatsschuld ist eine der niedrigsten in der EU und liegt mit nur 20 Prozent weit unter der Vorgabe von 60 Prozent. Das Haushaltsdefizit soll wie im letzten Jahr auch 2025 die Maastricht-Norm von drei Prozent nicht übersteigen. Auch die Inflationsrate ist mit 2,5 Prozent in diesem Jahr endlich unter die Dreiprozenthürde gesackt: Im Juli wird in Sofia mit dem grünen Licht aus Brüssel für die Euro-Einführung gerechnet.

Furcht vor Teuerungswelle

Die meisten Ökonomen in Sofia versprechen sich vom Euro mehr ausländische Investoren, billigere Kredite durch ein steigendes Kreditrating sowie einen Wachstumsschub. Zwar ist der „Lew – Löwe“ schon seit 1997 erst an die DM und seit 2002 an den Euro gekoppelt. Doch es sind weniger wirtschaftspolitische als grundsätzliche Erwägungen sowie eine schon seit Monaten kursierende Welle von Fake-News, die über die Hälfte der 6,4 Millionen Bewohner des Balkanstaates laut Umfragen eher skeptisch in die Euro-Zukunft blicken lassen.

Keineswegs unberechtigt scheint angesichts der Erfahrungen anderer Euro-Staaten die Furcht vor einer Teuerungswelle durch Trittbrettfahrer: Die Währungsumstellung könnten sich gewiefte Händler und Gastronomen für zusätzliche Preiserhöhungen zunutze machen. Eher ins Reich der Propagandafabeln des Kremls gehören die im Web kursierenden Horrorberichte, wonach mit der Euro-Einführung Sparguthaben vom Staat konfisziert werden sollten, um damit die Rüstungshilfe für die Ukraine zu finanzieren.

Bulgariens Verfassungsgericht hatte bereits im April 2023 eine Initiative der „Wiederbelebung“ zur Abhaltung einer Volksbefragung über die Euro-Einführung abgelehnt. Begründung: Ein Referendum zu bereits mit internationalen Verträgen geregelten Fragen sei laut Verfassung nicht zulässig. Nun bemühen sich die Rechtsausleger um ein Referendum zum Aufschub der Euro-Einführung bis 2043.

Unerwartete Schützenhilfe haben sie dabei aus dem Präsidentenpalast erhalten. Ausgerechnet am Europatag am 9. Mai ließ Staatschef Rumen Radew verlauten, dass er glaube, dass für die Einführung des Euro ein „starker nationaler Konsens“ vonnöten sei. Kritiker wittern hinter dem präsidialen Referendumsvorstoß indes eher politisches als verfassungsrechtliches Kalkül. Der als russophil geltende Radew wolle sich vor Ende seines zweiten und letzten Mandats Anfang 2027 als patriotische Alternative zu den bestehenden Protestparteien profilieren, argwöhnen Analysten.

Gleichzeitig setzt Radew mit seinem kaum realisierbaren Vorstoß auch die labile Koalition der rechten Gerb-Partei mit der nationalpopulistischen ITN und den russophilen Sozialisten (BSP) unter Druck. Die ITN war in der Vergangenheit gegen die nun von ihr notgedrungen mitgetragene Euro-Einführung selbst zu Felde gezogen. Die Forderung nach einem Referendum dürfte zudem auch unter dem eher betagten Anhang der BSP Anklang finden.