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CoronavirusNationale Reisewarnungen lähmen die EU – Asselborn kritisiert, Brüssel will gegensteuern 

Coronavirus / Nationale Reisewarnungen lähmen die EU – Asselborn kritisiert, Brüssel will gegensteuern 
Ungarn hat seine Grenzen am Dienstag wieder dichtgemacht Foto: AFP/Robert Jäger

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Unterschiedliche Reisewarnungen, unterschiedliche Testpflichten und unterschiedliche Quarantäne-Regelungen: Wer in Zeiten von Corona innerhalb der EU reisen will, hat es bislang nicht leicht. Auch die Arbeit der Europapolitiker leidet.

Die Absage kam in letzter Minute und sie traf das halbe Europaparlament. Wegen der Corona-Reisewarnung für Brüssel könne die Bundesregierung derzeit leider keine Minister in die EU-Kapitale schicken, hieß es in Berlin. 13 parlamentarische Anhörungen ließ der deutsche EU-Vorsitz allein in dieser Woche platzen; mit Spannung erwartete Live-Debatten wurden durch Videokonferenzen ersetzt.

Das wäre nicht weiter schlimm – wenn die Reisewarnung nicht ausgerechnet aus Deutschland gekommen wäre. Berlin warnt vor Reisen nach Brüssel – und legt damit nicht nur das Europaviertel, sondern auch den eigenen EU-Vorsitz lahm. Ausgerechnet jetzt, da die deutsche Präsidentschaft nach der Sommerpause durchstarten wollte, platzt ein Termin nach dem anderen, Planung ist kaum noch möglich.

Auch Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn hat die Corona-bedingte deutsche Reisewarnung für Brüssel scharf kritisiert. Sein Land habe erlebt, „wie willkürlich die Obergrenze von 50 Infektionsfällen als einziges Kriterium des Robert-Koch-Instituts“ sei, sagte der Minister zuletzt dem Nachrichtenmagazin Spiegel laut einer Vorabmeldung vom Freitag. Die Ausweisung der EU-Hauptstadt als Risikogebiet habe auch Folgen für die europäische Zusammenarbeit, sagte Asselborn: „Wir können doch Brüssel jetzt nicht einfach zumachen und nur noch in Berlin tagen!“

Doch nicht nur Deutschland sorgt für Ärger. Auch andere EU-Länder haben Chaos angerichtet. „Deutschland warnt vor Brüssel, Finnland warnt vor Deutschland und niemand blickt mehr durch bei den Reisewarnungen“, klagt die grüne Europaabgeordnete Anna Cavazzini. Wenn das so weitergehe, werde es mit Grenzschließungen enden – so wie im Frühjahr, auf dem Höhepunkt der Corona-Panik.

Erste Schlagbäume gehen wieder runter

Tatsächlich gehen schon wieder die ersten Schlagbäume runter. So hat Ungarn gerade erst seine Grenzen dichtgemacht, alle EU-Ausländer gelten als potenzielle Träger der neuen Seuche. Auch Belgien macht Ärger. Das an Frankreich angrenzende Land hat Reisen nach Paris untersagt – und damit tausenden Belgiern und Franzosen die „Rentrée“ vermiest.

Jeder macht, was er will. Die Leidtragenden sind Touristen, Geschäftsreisende – und die Europapolitiker. Wer gehofft hatte, die EU-Kommission werde für Ordnung sorgen, sieht sich getäuscht. Die Brüsseler Behörde, die sich gern als „Hüterin der Verträge“ präsentiert, hat zwar versprochen, für offene Grenzen zu werben. Doch gegen nationale Reisewarnungen könne man nichts tun.

Deutschland warnt vor Brüssel, Finnland warnt vor Deutschland und niemand blickt mehr durch

Anna Cavazzini, Europaabgeordnete

Immerhin will sich die Kommission nun um eine bessere Koordinierung bemühen, um den Flickenteppich nationaler Maßnahmen einzudämmen. Auch der deutsche EU-Vorsitz ist aufgewacht. Aufgeschreckt durch die Grenzschließung in Ungarn und Beschwerden aus dem Europaparlament hat die Bundesregierung einen eigenen Aktionsplan angekündigt.

Bald gemeinsame Kriterien für Risikogebiete?

Vor einer Sitzung der EU-Botschafter am Mittwoch bot Berlin sogar an, beim Kampf gegen das Reise-Chaos die Führung zu übernehmen. So sollen Risikogebiete künftig auf Grundlage gemeinsamer Kriterien bestimmt werden – und nicht nach nationalem Belieben. Auch bei der Erfassung und Bewertung der Daten soll es mehr Abstimmung geben.

Allerdings bleibt abzuwarten, ob sich die 27 EU-Länder auf gemeinsame Kriterien einigen können. Bisher legt jede Regierung ihre eigenen Daten und Analysen zugrunde. Berlin will nun für den deutschen Richtwert von 50 Infektionen pro 100.000 Bewohner werben – wer mehr Coronafälle meldet, soll eine Reisewarnung bekommen.

Allerdings lag diese Schwelle auch schon der deutschen Warnung für Brüssel zugrunde. Wenn sie künftig europaweit gelten sollte, müssten alle Mitgliedstaaten vor Reisen in die EU-Kapitale warnen. Für die Europapolitik wäre damit nichts gewonnen – ganz im Gegenteil.

rene reichling
3. September 2020 - 8.46

@Klitz-richtig zusammengefasst,kurz und knackig!

Klitz
2. September 2020 - 23.05

@ HTK
Klar dass mir Orban nicht geheuer ist (ums mal freundlich auszudrücken). Nur hat das direkt nichts mit der Problematik der Grenzschliessungen wegen Corona zu tun. Die skandinavischen Länder mögen einerseits ein Beispiel an gelebter Demokratie sein reagieren aber bisweilen auch sehr egoistisch und uneuropäisch wenn ihren Interessen widerläuft. Die Dänen sind halt nicht viel europäischer eingestellt als die Briten und bevorzugen auch ein à la carte Europa. Soviel dazu.

HTK
2. September 2020 - 19.08

@Klitz,
schon was von Orban gehört? Solche "Brüder im Geiste" ob rechts oder links,gehören nicht in eine EU. Dänemark und alle skandinavischen Länder sind ein Musterbeispiel für gelebte Demokratie. Auch ohne Corona.

Klitz
2. September 2020 - 12.40

Wieso regt man sich denn jetzt über Ungarn auf? Dänemark macht genau dasselbe seit März? Zumindest ist Ungarn konsequent und unterscheidet nicht zwischen Nationen. Genau das machen aber Dänemark, Litauen, Norwegen, Island und die Schweiz (letztere sind auch im Schengenraum). Nicht zu vergessen unsere deutschen „Freunde“ gegen die J. Asselborn am liebsten poltert.
Die EU ist zu einer Karikatur der Reiseunfreiheit verkommen. Hört doch auf!

HTK
2. September 2020 - 9.43

Orban ist sowieso ein heisses Eisen für die EU. Vielleicht sollte man die Grenzen zu Ungarn dicht lassen!? Kommt wieder wenn ihr Demokratie gelernt habt.