Montag10. November 2025

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ItalienNach ersten Querelen schreitet die Regierungsbildung voran

Italien / Nach ersten Querelen schreitet die Regierungsbildung voran
Die angehende italienische Regierungschefin Giorgia Meloni (M.) vorige Woche im Parlament Foto: AFP/Alberto Pizzoli

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Nach längeren internen Auseinandersetzungen in der Rechtskoalition scheint in Italien nun der Weg für eine Regierungsbildung frei zu sein. Giorgia Meloni, Chefin der Fratelli d’Italia und erste Ministerpräsidentin in spe, hat sich mit Macht und Geschick durchgesetzt. Ihre Partner Matteo Salvini (Lega) und Silvio Berlusconi (Forza Italia) müssen zähneknirschend klein beigeben.

Es war dem Ex-Cavaliere anzusehen, dass er mit dem Verlauf der ersten Senatssitzung unzufrieden war. In tagelangem Streit hatte er versucht, einige von ihm protegierte junge Damen mit Ministerposten zu versehen. Doch bei Giorgia Meloni stieß Silvio Berlusconi, ewiger Chef der Forza Italia (FI), auf Granit: Die Vorsitzende der Fratelli d’Italia (FdI) und wahrscheinlich erste Ministerpräsidentin des Belpaese hatte ihre eigenen Vorstellungen. Berlusconi schmollte und veranlasste seine Senatoren, sich bei der Wahl des Präsidenten Ignazio La Russa zu enthalten. Findige Journalisten fotografierten und veröffentlichten einen Notizzettel, auf dem der 86-jährige Berlusconi seine Einschätzung Melonis darlegte: Ihr Verhalten ist erstens anmaßend, zweitens selbstherrlich, drittens arrogant, viertens beleidigend. „Keine Bereitschaft, sich zu ändern. Mit ihr kann man sich nicht einigen.“ Einen fünften Punkt, Meloni sei „lächerlich“, hatte er gestrichen.

Senatspräsident La Russa – 2012 neben Meloni Mitbegründer der FdI – hielt die Notiz für ein „Fake“. Die Parteichefin selbst konterte ironisch: „Eines hat er noch vergessen: Ich bin auch nicht bestechlich.“

Der Streit drohte zu eskalieren und die Koalition auseinanderzubrechen, noch bevor ein Kabinett nominiert war. Nebst Berlusconi zeigte sich auch Lega-Chef Salvini verschnupft, weil Giorgia Meloni nicht im Geringsten geneigt war, ihn wieder als Innenministers zu benennen. Das Kalkül war klar: Meloni wollte sich keine Abfuhr seitens des Staatspräsidenten holen – es gilt als sicher, dass Sergio Mattarella den Lega-Chef im Innenamt nicht bestätigt hätte.

Sitzung in der Höhle der Löwin

Auf dem Höhepunkt der Krise berief Meloni nun ein Treffen mit Berlusconi ein. Demütigend, denn der Ex-Cavaliere musste im Hauptsitz der Fratelli in Rom antreten. Die italienische Presse schrieb von „einem Gang nach Canossa“. Nach stundenlangen Debatten hatten die beiden eine Vereinbarung. Das Ziel des Treffens, eine regierungsfähige Koalition aus den drei Rechtsparteien zu schließen, war erreicht. Dass Meloni jegliche Verhandlungen dominierte, darf nicht verwundern. Immerhin hat ihre Partei mit 26 Prozent ein Wahlergebnis eingefahren, das mehr als dreimal so hoch ist, wie jenes ihrer jeweiligen Koalitionspartner, die beide nur knapp über acht Prozent der Stimmen erhielten.

Meloni und ihre FdI wissen jedoch auch, dass sie ohne ihre Partner nicht regieren können. So müssen auch die Fratelli einlenken und personelle Zugeständnisse anbieten.

In ihren öffentlichen Auftritten betont Meloni, sie wolle den Kurs der Stabilität des noch amtierenden Mario Draghi fortsetzen, wissend, dass Italien auf die vorgesehenen 191 Milliarden Euro aus dem EU Recovery Fund angewiesen ist. So will sich die FdI-Chefin vorerst nicht mit Brüssel überwerfen, denn erst 40 Milliarden dieser Gelder sind bislang geflossen. Auch wiederholt Meloni – im Gegensatz zu ihren Partnern und Putin-Freunden Salvini und Berlusconi – dass Italien an der Unterstützung der Ukraine festhalten werde.

Rechte Hardliner in Schlüsselressorts

Zum dritten erklärte die FdI-Chefin anlässlich des Gedenktages der Deportation der römischen Juden am 16. Oktober 1943, der Akt sei ein Ausdruck einer „feigen und unmenschlichen Furie der Nazifaschisten“, der sich nie wiederholen dürfe. Mit dieser Verurteilung versucht die Parteivorsitzende ein weiteres Mal, sich vom Mussolini-Erbe zu distanzieren und als moderate Politikerin zu gelten.

Die Personalwahl für die neue Ministerriege indes lässt einen deutlichen Rechtsruck erkennen. Nicht nur, dass die beiden Kammerpräsidenten, der Mussolini-Devotionalien sammelnde Ignazio La Russa (Senat) und der ultraorthodoxe und homophobe Abgeordnetenhauspräsident Lorenzo Fontana (Lega) jeweils den rechten Flügeln ihrer Parteien angehören. Auch die bisherigen Nominierungen der Schlüsselministerien tendieren nach rechts. Als Außenminister und Vizeregierungschef wird der FI-Politiker und ehemalige EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani gehandelt. Auch er hat mit Mussolini-Verehrung von sich reden gemacht. Das Innenressort soll der Salvini-Vertraute Matteo Piantedosi übernehmen. Er leitete bereits unter Salvini zur Zeit der umstrittenen Migranten-Aktionen das Büro des Innenministers. Im Justizressort möchte Meloni ihren Parteikollegen Carlo Nordio installieren, der ebenfalls als Hardliner gilt.

Lega-Chef Matteo Salvini, der eigentlich in den Viminale-Palast zurückkehren wollte, soll den Posten des Infrastrukturministers erhalten und zum Trost auch Vizepremier werden. Beide „Juniorpartner“ – Lega und FI – werden mit je fünf Ministerien bedacht. Auf weiteren Schlüsselpositionen will Giorgia Meloni Fachleute setzen, getreu ihrem Motto: Wir bilden eine starke Regierung. Die könnte dem Staatspräsidenten bereits um den 20. Oktober vorgeschlagen werden, zu der Zeit, da Mario Draghi Italien ein letztes Mal im Europäischen Rat repräsentiert.

Robert Hottua
18. Oktober 2022 - 18.15

Die Aussagen von Herrn BOLAFFI betreffen auch Luxemburg seit mindestens 1933.
▪ Die ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Faschismus
Angelo BOLAFFI, 1946 in Rom geboren, lehrte als Professor für politische Philosophie an der Universität La Sapienza.
(…) Mit Sicherheit lässt sich festhalten, dass sich Italien trotz Zehntausender von Kundgebungen, Büchern, Veranstaltungen, Filmen und Symposien mit dem Faschismus letztlich nie ernsthaft auseinandergesetzt hat. Die italienische Vergangenheitsbewältigung fand nur partiell statt. Vielfach prägten sie Oberflächlichkeit und rhetorische Floskeln, häufig erstarrte sie zum Ritual. (…)
URL: Eine Zäsur in der Geschichte Italiens (msn.com)
MfG
Robert Hottua