Donnerstag6. November 2025

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ConternNach dem Urteil zurück zum Alltag: Wie geht es den Mitarbeitern?

Contern / Nach dem Urteil zurück zum Alltag: Wie geht es den Mitarbeitern?
Für die Mitarbeiter des Ateliers sind die jüngsten Geschehnisse eine Zerreißprobe Grafik: Kim Kieffer

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Die Mitarbeiter des Ateliers von Contern mussten ein Jahr lang die Schlagzeilen ihrer Gemeinde mitansehen. Nun soll ihr ehemaliger Vorgesetzter zurückkommen – wann und wie, ist unklar. Das Tageblatt hat sich mit ihnen getroffen.

Ein Arbeiter steht vor der Tür des Conterner Ateliers und raucht. Er winkt herein und geht die Treppe hoch. Hinter zwei weiteren Türen sitzen seine Kollegen an einem großen Versammlungstisch. Immer mehr Männer in grauen Shirts der Gemeinde strömen in den kleinen Raum, bis am Ende 20 Arbeiter am Tisch Platz nehmen. Dafür, dass hier so viele Menschen sitzen, ist es erstaunlich still. Trotzdem: Sie alle wollen endlich ihre Sicht auf die Situation in Contern erzählen. 

Spätestens seit ihrem Auftritt im Gemeinderat hatten sich die Mitarbeiter erhofft, dass jemand von den Politikern auf sie zukommen würde – vergebens. Sie bedauern, dass vor allem die Perspektive der beiden entlassenen Mitarbeiter verbreitet werde. Abwechselnd erzählen sie, wie es ihnen geht. Ihre Stimmen wirken matt und kraftlos. Sobald jemand das Wort ergreift, schweigen die anderen und nicken. Die Arbeiter machen sich Sorgen um ihre Zukunft, sagen sie. Deswegen wurden ihre Namen in diesem Text geändert.

Zweischneidige Briefe

„Diese Briefe sind aus freien Stücken, aus unserer Initiative heraus entstanden. Da hat niemand uns dazu bewogen“, sagt Sascha. Er bezieht sich auf die zwei offenen Briefe des Gemeindeateliers, die mit 21 Unterschriften versehen sind. Der erste Brief wurde im Februar geschrieben, der zweite im Juli, nachdem der ehemalige Vorarbeiter des Ateliers vor dem Arbeitsgericht recht bekam und seine Rückkehr klar wurde. Darin positionieren sie sich gegen die Wiedereinstellung des ehemaligen Chefs und berichten von unzumutbaren Arbeitsbedingungen. Die Briefe blieben nicht unbeachtet, denn im politischen Schlagabtausch stärken sie vor allem die Position der Bürgermeisterin Marion Zovilé-Braquet (CSV).

     
      Foto: Editpress/Georges Sold

Im Gemeinderat vom Dienstag hob Oppositionsrat Ari Arrensdorff („déi gréng“) die Position der Gewerkschaft OGBL hervor, dass die Briefe als verlängerte Version des Mobbings angesehen werden könnten: „Und ich frage mich, ob sie (die Mitarbeiter, Anm.d.Red.) sich bewusst sind über die Reichweite dieses Briefs, und welche Konsequenzen dieser Brief mit sich bringen kann, wenn er als Diffamation und Mobbing angesehen wird.“ Arrensdorff behauptete, dass der Brief von vier Personen unterschrieben worden sei, die nie mit dem Vorarbeiter zusammengearbeitet hätten. Er fragte anschließend, ob es einen Gruppenzwang gegeben hätte, denn seinen Informationen nach sei ein Mitarbeiter zur Unterschrift genötigt worden.

Auf die Frage, ob es stimmt, dass vier Personen unterschrieben hätten, ohne mit dem Vorarbeiter zusammengearbeitet zu haben, antwortet Thomas: „Ja, das stimmt – aber die sitzen auch hier.“ Nils meldet sich zu Wort. Er ist einer der vier Arbeiter, die den Vorarbeiter nicht kannten. Er erzählt davon, dass das Arbeitsklima zuerst nicht gut war und sich dann stark verbessert habe. Wie Paul, der sich danach meldet, haben sie den Brief aus Solidarität heraus unterschrieben.

Im Atelier sagt Thomas deutlich: „Wir alle an diesem Tisch haben Angst, denn im Gemeinderat wurde auf uns gezeigt und gesagt: ‚Wisst ihr, was ihr mit diesem Brief getan habt?’ Wir haben alle Angst, dass es nachher um unsere Köpfe geht.“ Benjamin sagt: „Wir wussten keinen anderen Ausweg mehr. Man muss sich ja irgendwie Gehör verschaffen. Wir sind Arbeiter. Wir sind keine Journalisten oder Anwälte.“

Wir alle an diesem Tisch haben Angst, denn im Gemeinderat wurde auf uns gezeigt und gesagt: ‚Wisst ihr, was ihr mit diesem Brief getan habt?’

Der Vorarbeiter

Die Opposition, die Gewerkschaft und der Anwalt des Vorarbeiters stellen ein und dieselbe Frage: Warum wurde der Vorwurf des Mobbings erst jetzt, nach 28 Dienstjahren, erhoben und nicht schon früher? Sie sind der Meinung: Der Rauswurf des Mitarbeiters hatte andere, persönliche Gründe.

Die Arbeiter sind sich einig: Die Beziehung mit dem Vorarbeiter sei schlecht gewesen. Er sei nie persönlich gegen jemanden vorgegangen. „Er hat dir zu verstehen gegeben, dass alles in Ordnung war“, sagt Thomas, „erst danach hast du Probleme bekommen.“ Es sei vor allem hinterrücks passiert. Dadurch hätten die Arbeiter in ständiger Angst gelebt, Fehler zu machen. Sascha erzählt, dass einige von ihnen selbst jetzt andere Strecken fahren würden, um ihm nicht begegnen zu müssen. 

Das Atelier der Gemeinde Contern
Das Atelier der Gemeinde Contern Foto: Editpress/Georges Sold

Wachsende Gemeinde, fehlende Organisation

Als Ursache für den Konflikt gibt das Personal zum Teil die fehlende Organisation im Atelier an. Die Gemeinde Contern ist in den vergangenen sechs Jahren stark gewachsen. Wie aus den Statistiken der Kommune hervorgeht, zählte sie im Jahr 2017 noch 3.791 Einwohner. 2023 waren es bereits 4.477, im Dezember 2024 wurden 4.712 Bürger gezählt. Die Gemeinde befindet sich damit in einer historischen Wachstumsphase. Dies wirkt sich auf die Infrastruktur und die Zahl der notwendigen Mitarbeiter aus. „Früher waren wir acht Arbeiter. Jetzt müssen wir anders aufgestellt sein, um das alles verwalten zu können“, sagt Benjamin.

Der Anwalt des Vorarbeiters, Alex Penning, bestätigt am Freitag im Gespräch mit dem Tageblatt, dass der Vorarbeiter nach 27 Dienstjahren plötzlich mit einem jüngeren Kollegen zusammenarbeiten musste, wobei die Hierarchie zwischen den beiden nie vollkommen klar gewesen sei. Dies habe zu Unruhen geführt. Trotzdem würde sich der ehemalige Vorgesetzte freuen, wieder zurück zur Arbeit zu kommen – in der Hoffnung, sich endlich erklären zu können. 

Man muss das alles miterlebt haben, um uns zu verstehen

Sowohl die Gewerkschaft OGBL als auch die LSAP haben für dessen Rückkehr eine Schlichtung gefordert. Die Mitarbeiter des Ateliers stehen dieser Option skeptisch gegenüber. Im Juni 2024 hätten sie sich darauf geeinigt, einen Neuanfang zu wagen, doch das habe nicht funktioniert. Thomas sagt dazu: „Genau eine Nacht hat es gedauert, und am nächsten Morgen wurde uns gesagt, wie der Hase läuft. Und wehe, jemand macht den Mund noch einmal auf.“ Sascha fügt hinzu: „Man muss das alles miterlebt haben, um uns zu verstehen.“ Für Außenstehende sei es einfach, zu fordern, dass der Streit im Dialog geklärt werden sollte, aber so einfach sei das nicht.

Trotzdem kann sich niemand der Arbeiter vorstellen, zu gehen. „Es sind viele Freundschaften entstanden und die will man nicht einfach aufgeben“, sagt Benjamin. Zudem würden sie ihre Arbeit gerne ausüben. Nun verspüren sie Angst, wenn sie nach vorne blicken. Sie wissen nicht, wie es weitergehen wird. Dabei wollen sie einfach nur ihr Leben in Ruhe und Frieden genießen und wieder lachen können, betonen die Mitarbeiter.

Was ist passiert?

Zwei Mitarbeiter der Gemeinde hatten im August 2024 Bürgermeisterin Marion Zovilé-Braquet (CSV) und dem Schöffenrat Mobbing vorgeworfen. Im September gelangten Bedenken über ein toxisches Arbeitsklima an die Öffentlichkeit. Die Gewerkschaft OGBL und die Opposition kritisierten die Gemeindeverantwortlichen für ihre Tatenlosigkeit. Ende 2024 wurden die genannten zwei Mitarbeiter entlassen, u.a. mit der Begründung, die Mobbinganzeige sei ungerechtfertigt. Die Mitarbeiter klagten vor Gericht gegen die Entlassung und bekamen Recht. Seit Februar 2025 hat die große Mehrheit des Gemeindepersonals vier offene Briefe unterzeichnet, in denen sie sich gegen eine Wiedereinstellung der beiden Mitarbeiter positioniert, die seitdem beurlaubt sind.

JUNG LUC
20. Juli 2025 - 10.16

Na ja, Mobbing gibt es in vielen Gemeinden. Als pensionierter Gemeindesekretär ist dieses nichts Neues für. Persönlich war ich ein Mal zu Zeiten der differdinger Dp-Führung davon betroffen.