HesperingenNach dem guten Leben: Prozess gegen zwei Ex-Gemeindebeamte beginnt im Januar 

Hesperingen / Nach dem guten Leben: Prozess gegen zwei Ex-Gemeindebeamte beginnt im Januar 
Die fetten Jahre sind vorbei – zumindest für die Angeklagten Foto: Pixabay

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Zwei ehemalige Gemeindebeamte haben in Hesperingen offenbar geschickt ihre Befugnisse sowie die Eigenheiten der laschen Kontrollen genutzt, um mehr als drei Millionen an Gemeindegeldern in die eigenen Taschen umzuleiten. Das ging erstaunlich lange gut – bis es nicht mehr gut ging. Mehr als drei Jahre, nachdem die mutmaßliche Affäre aufgeflogen ist, beginnt im Januar 2023 der entsprechende Prozess.

* „Mutmaßliche“ Täter

Vor allem der ehemalige Gemeindebeamte G. hat sich praktisch geständig gezeigt, wie aus dem Tageblatt vorliegenden Untersuchungsberichten hervorgeht. Trotzdem sei noch einmal erwähnt, woran die Justiz in Luxemburg erinnert: dass nämlich „jede Person, gegen die ein Ermittlungs- oder Strafverfahren eingeleitet wurde, als unschuldig gilt, solange ihre Schuld nicht durch eine endgültige Entscheidung des zuständigen Gerichts in der Hauptsache festgestellt wurde“.

Dass Dreistigkeit siegt, ist auch nur so eine Behauptung des Volksmunds, die sich regelmäßig als unzuverlässig herausstellt – zum Beispiel, wenn eine freche Gaunerei nach langer Zeit doch auffliegt. So wie offenbar 2019 in Hesperingen: „Heute ist wohl der Tag, an dem alles rauskommt“, soll der Beamte G. gesagt haben, als man ihn mit Ungereimtheiten in den Gemeindefinanzen konfrontierte – und er wohl merkte, dass endgültig Schluss sein sollte mit der Dreistigkeit, die ihm jahrelang einen verschwenderischen Lebensstil ermöglicht hatte.

Um zu erklären, wie er unter anderem zu einem Ferrari kommt – so haben es später Zeugen in einem Disziplinarverfahren erklärt –, soll G. abenteuerliche Anekdoten auf Lager gehabt haben: So habe er sich mal als erfolgreichen Künstler dargestellt, dann wieder als findigen Unternehmer oder auch mal als Investor mit glücklichem Händchen.

Doch dann wurde eine Sachbearbeiterin stutzig: Als sie der verschollenen Zahlung einer Versicherung hinterher spürte, stieß sie auf zwei Firmen, die im Verwaltungssystem der Gemeinde mit derselben Kontonummer verknüpft waren – und schon bald nahte nicht nur für den Beamten G. der „D-Day“.

Fiktive Bestellungen, echte Bezahlung

Es zeigte sich, dass G. und ein weiterer Gemeindeangestellter offenbar über Jahre hinweg mehr als drei Millionen Euro aus der Hesperinger Gemeindekasse abgezweigt haben. Dazu wurden aber nicht nur eben Schadenserstattungen von Versicherungen umgeleitet, sondern auch komplett fiktive Bestellungen abgewickelt – und die Forderungen dann an zwei Scheinfirmen bezahlt. Eine davon hieß so ähnlich wie das „Syndicat d’initiative et du tourisme de la commune de Hesperange“ – und lief auch noch über die ehemalige Kontonummer des Tourismusvereins: Das ist nur ein Detail, das zeigt, wie zielsicher die Beamten offenbar ihre Kenntnisse und Befugnisse in der Gemeinde ausgenutzt haben, um rund 200 Zahlungen in ihre Richtung zu lenken. Um die 3,2 Millionen Euro sollen dabei zusammengekommen sein.

Wertsteigerung

Laut Justiz in Luxemburg wurden im Zuge der 2019 begonnenen Ermittlungen „Immobilien und erhebliche Geldmittel“ im Hinblick auf eine mögliche spätere Einziehung beschlagnahmt: „Die Gesamtsumme der beiden Posten beläuft sich auf rund fünf Millionen Euro.“

So beträchtlich wie diese Summe ist natürlich auch die Fallhöhe, in die sich die beiden mutmaßlichen* Täter katapultiert haben. Kurz, nachdem eine aufmerksame Finanzbeamtin die Stirn in Falten gelegt hatte, ging der Parabelflug der beiden Männer in die Absturzphase über, die demnächst noch an Geschwindigkeit zulegt: Nachdem eine Disziplinarkommission offensichtliche Klarheit über Methode und Ausbeute der Veruntreuungen erlangt hatte, hat der Gemeinderat beide Männer gefeuert – ungeachtet der Tatsache, dass der zweite Beschuldigte, F., vor dem Untersuchungsgremium deutlich schmallippiger war als G. und die Beteiligung am Versicherungsbetrug ganz von sich wies.

„Ich hatte ein schönes Leben und jetzt habe ich verloren“, hat G. vor dem Disziplinarausschuss noch räsoniert wie ein abgezockter Spieler. Doch das dicke Ende der Affäre dürfte erst noch bevorstehen: Während disziplinarrechtlich Pflichtverstöße eines Beamten nach drei Jahren verjähren, wird beim jetzt anstehenden Prozess in der Sache deutlich tiefer gebohrt werden. Schließlich hat offenbar zumindest G. sein doppeltes Spiel in eigener Sache über mehr als 20 Jahre betrieben – und selbst vor dem Disziplinarausschuss sogar noch längere Zeitspannen und weitere Involvierte angedeutet.

Zwei ehemalige Angestellte der Gemeinde Hesperingen sollen über Jahre hinweg mehr als drei Millionen Euro aus der Gemeindekasse abgezweigt haben
Zwei ehemalige Angestellte der Gemeinde Hesperingen sollen über Jahre hinweg mehr als drei Millionen Euro aus der Gemeindekasse abgezweigt haben Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Nur in Hesperingen denkbar?

Auf der Anklagebank sitzen aber ab dem 18. Januar zunächst nur G. und F. sowie der Unternehmer D., wie die Justiz auf Anfrage des Tageblatt erklärt. Der 61-jährige Unternehmer soll dem Onlinemagazin Reporter.lu zufolge 15.000 Euro veruntreut haben – die er aber inzwischen samt Zinsen an die Gemeinde zurückgezahlt habe.

An voraussichtlich vier Verhandlungstagen wird es anfangs des kommenden Jahres um Fälschung, die Verwendung von Fälschungen („usage de faux“), die Veruntreuung öffentlicher Gelder, Betrug und Geldwäsche gehen. Möglicherweise werden dabei aber auch Fragen aufkommen, die nicht nur die Angeklagten betreffen: Nach dem Disziplinarverfahren hat auch ein Audit von PwC geradezu fahrlässige Lücken im Controlling der Gemeinde offenbart. Es dürfte auch von Interesse sein, wie ein so breit angelegter Machtmissbrauch über so lange Zeit funktionieren konnte – und ob die entsprechenden Strukturen wirklich nur in Hesperingen dafür so einladend sind.

Jeremi
3. November 2022 - 17.30

Wer hat denn wen kontrolliert ?? Hat der Bürgermeister seine Mitarbeiter noch im Griff ??

Leila
3. November 2022 - 12.26

"Gib einem 'kleinen' Menschen ein bisschen Macht, und er wird diese ganz sicher in irgendeiner Weise missbrauchen"

Filet de Boeuf
3. November 2022 - 11.01

Genau, da muss wieder ein Master-Absolvent darüber sitzen, der das Ganze überwacht. Nur Master-Absolventen kann man vertrauen.