Mythos Klöppelkrieg: Als die Bauern im Ösling zu den Waffen griffen

Mythos Klöppelkrieg: Als die Bauern im Ösling zu den Waffen griffen

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Der Klöppelkrieg galt lange Zeit als historisches Ereignis von nationaler Bedeutung in Luxemburg. Mittlerweile ist er jedoch fast in Vergessenheit geraten. Nur noch wenige wie ADR-Abgeordnete Fernand Kartheiser gedenken des Bauernaufstands. Warum eigentlich?

Als Johann von Eisenbach am 26. Februar 1799 aufwacht, weiß er, dass es das letzte Mal ist. Denn der Bauer aus dem kleinen Eifeldorf Arzfeld ist gemeinsam mit seinen Mitstreitern zum Tode verurteilt worden. Und der 26. Februar sollte für ihn, wie für acht weitere Klöppelkrieger, zu denen auch sein Sohn gehört, der Sterbetag sein.

Die Hinrichtung der Klöppelkrieger in Luxemburg auf dem Glacis-Feld sollte zu einem Massenereignis werden. Menschen aus der nahen Umgegend strömen in die Stadt, um Zeugen der Exekution zu werden. Die Verurteilten müssen barfuß, nur mit Kreuz und Rosenkranz in den Händen vorbei an den starrenden Massen bis zu ihrem Grabe laufen. Dort müssen sie niederknien. 90 Soldaten richten ihre Gewehre auf sie. Ein Zeichen. Ein Knallen. Und alle Körper sinken nieder.

Doch als sich der Pulverdampf lichtet, erkennen Soldaten und Schaulustige, dass noch einer auf seinen Knien steht. Es ist Johann von Eisenbach: „Oh, mein Sohn“, winselt der alte Mann und versucht, sich wieder aufzurichten. Die Soldaten zittern, niemand wagt, noch mal zu schießen. Doch der Offizier gibt ein weiteres Zeichen. Ein Knallen. Und auch der neunte Körper fällt ins Grab.

Eine Verquickung von Gründen

Von Eisenbach war einer von 28 Klöppelmännern, die zu Beginn des Jahres 1799 auf dem Glacis-Feld hingerichtet wurden. Manche durch Erschießung, andere durch die neumodische Tötungsmaschine Guillotine. Der Bauer aus Arzfeld hatte sich gemeinsam mit 3.000 anderen Aufständischen im Herbst 1798 gegen die französische Direktorialregierung erhoben.

Es war eine Verquickung von militärischen, religiösen und ökonomischen Gründen, die die Bauern zu Waffen greifen ließ. Die revolutionäre Republik griff nachhaltig in die lokale Lebenswelt der Bauern ein: durch das Erheben von Steuern, aber vor allem durch die Einführung neuer Kalender und Maßeinheiten wie dem metrischen System. Zudem wurde der katholische Glaube dezimiert; Pfarrer wurden gezwungen, ihren Eid auf die Republik zu leisten, wurden gebenenfalls verfolgt und deportiert.

Als schließlich im September die allgemeine Wehrpflicht eingeführt wurde, waren die Bauern bereit, zu den Waffen zu greifen. Ähnlich wie in Belgien (Boerenkrijg) wollten sie die revolutionären Truppen vertreiben. Doch der Aufstand scheiterte schnell. Das Heer der französischen Truppen war zwar zahlenmäßig in der Minderheit, aber deutlich besser ausgerüstet und organisiert. Am 30. Oktober, nur wenige Stunden nach Beginn der Schlacht, wurde der Bauernaufstand zerschlagen.

Nationales Korsett

Der Klöppelkrieg blieb lange in Vergessenheit. Ein halbes Jahrhundert wurde darüber geschwiegen oder gespottet: „Im Ösling rotteten sich die Bauern zusammen, und bildeten die sogenannte Knüppelarmee. Aber sie hätten klüger gethan, beim Pfluge zu bleiben, als sich gegen die französische Übermacht zu sträuben“, schrieb noch in den 1840er-Jahren der Historiker Joseph Paquet.

Doch in der Mitte des 19. Jahrhunderts sollte sich diese Sichtweise verändern. Und zwar radikal. Denn der Geistliche Johann Engling verfasste ein Werk, das ein grundlegend neues Licht auf den Klöppelkrieg warf. Er übte scharfe Kritik an den abwertenden Darstellungen des Bauernaufstands. Für ihn war es vielmehr ein „wahrhaft nationales Ereignis“ gegen das „Joch der Fremdherrschaft“. „Auf dem Boden, wo schon 54 vor Chr. unsere Altvorderen gegen J. Cäsar, ihren Unterdrücker rangen, da erhoben sich auch halbverzweifelt deren Enkel vor 60 Jahren wider ihre Unterdrückerin, die französische Republik.“

Das war neu. Engling deutete die Tat trotz des Scheiterns als heroischen Akt. Aus Bauern wurden Luxemburger, aus einem Aufstand ein Befreiungskampf. Und das Buch stieß auf großen Widerhall in der Luxemburger Gesellschaft und entwickelte sich zu einem Bestseller mit mehreren Auflagen und weit über 1.000 verkauften Exemplaren. Das war damals kein Zufall. Englings Werk erschien zu einem Zeitpunkt, als sich in Luxemburg die nationalen Gedanken ausbreiteten. Auch Engling war ein Verfechter einer eigenen Luxemburger Nation – und es ist wahrscheinlich diese Überzeugung, die ihn dazu veranlasste, den Klöppelkrieg in ein nationales Korsett zu gießen.

Die Deutung von Engling hatte über mehr als hundert Jahre Bestand. Es wurden Denkmäler aufgestellt, Theaterstücke aufgeführt, Sachbücher und Romane verfasst. Kurz: Der „Klëppelkrich“ wurde Teil der nationalen Erinnerungskultur.

Dann kam Gilbert Trausch

Doch dann kam Gilbert Trausch. Ende der 1960er Jahre nahm der Historiker den Klöppelkrieg in den Forscherblick und erkannte darin eine verformte Geschichte. Historiker des 19. Jahrhunderts hätten in einem frühneuzeitlichen Bauernaufstand das gesehen, was sie zu sehnen erhofften: den Beginn des nationalen Erwachens. Für Trausch war es vielmehr ein sozioökonomischer Aufstand von hungernden Bauern jenseits von nationalen Motiven. Der Bruch mit der nationalen Deutung des Klöppelkriegs brachte dem jungen Trausch damals viel Kritik ein. Doch seine Deutung sollte sich durchsetzten. Denn auch die „Vendée belge“, wie der Bauernaufstand in Belgien genannt wurde, sollte sich als verformter Befreiungskampf von nationalgesinnten Historikern des 19. Jahrhunderts darstellen.

Mit der Dekonstruktion des Klöppelkriegs schwand auch das historische Interesse am Bauernaufstand und damit auch das öffentliche Interesse. Der Klöppelkrieg, der vor genau 220 Jahren stattfand, ist aus der Erinnerungskultur verschwunden.

Als nun ein Denkmal auf Limpertsberg an der Kreuzung der Faïencerie-Avenue und der allée des Résistants et des Déportés aufgrund der Trambauten verschwand, befürchtete der rechtskonservative Fernand Kartheiser (ADR) das Schlimmste: Dass ein nationales Denkmal ausgerechnet für die Tram weichen muss. Kulturminister Bettel hat jedoch Entwarnung gegeben: Das Denkmal wird nach den Arbeiten Ende 2019 wieder an seinen Platz gebracht.

Schiltz Robert Mensdorf
20. November 2018 - 8.51

Esou ass et !!

roger wohlfart
19. November 2018 - 13.41

De Schéifer Misch war en éierleche Revoluzzer, dee gekäppt gouf, well hien nët léie konnt. Haut géif hi sech am Graf ëmdréien, wann e geséich wéi uechtert Welt gelunn a bedru gëtt! Haut wier hien keen Held méi, mä ee vun deene gudden Dommen iwwer déi sech lëschteg gemaat gëtt.