Die Arbeit beginnt gut eine Woche vor dem großen Knall – nicht etwa mitten in der Stadt, sondern etwas abseits, in der Nähe des „Schluechthaus“. „Der Ort ist ein Kompromiss“, erklärt Jo André, der Pyrotechniker hinter dem alljährlichen Nationalfeuerwerk. Hier ist genug Platz für die Absperrungen – und vor allem für die nötige Sicherheit. Es braucht nämlich einen bestimmten Sicherheitsabstand zu Wohnhäusern und anderen Gebäuden. Denn was hier auf den neun Trailern verteilt wird, hat es in sich: knapp eine Tonne Nettoexplosivmasse, insgesamt 17.000 Zündpunkte, dazu Gestelle mit über elf Tonnen Gesamtgewicht.

„Wir können es nicht direkt am Abschussort aufbauen, sonst müsste die Adolphe-Brücke eine Woche im Voraus gesperrt werden. Und das ist schlicht unmöglich“, erklärt André. So könne man in unmittelbarer Stadtnähe aufbauen und das Ganze in einem Sondertransport mit den notwendigen Vorkehrungen gegen sechs, sieben Uhr am Abend bis zur Brücke bringen. „Die genaue Anordnung der Trailer, die jeweiligen Sicherheitsperimeter, die Strecke für den Sondertransport … es ist alles ganz genau durchgetaktet“, erklärt André.

Kreatives Planen
So auch beim Feuerwerk selbst. Das Spektakel basiert jedes Jahr auf der Komposition eines Künstlers, die André zwischen Dezember und Januar erhält. An dieser sogenannten „Maquette“ werde danach nur noch in puncto Instrumente gefeilt, die Bewegungen, Tempowechsel, unterschiedliche Motive und die Länge hingegen stehen fest. „Dann beginnt mein kreativer Prozess“, denn das Feuerwerk soll die Komposition begleiten. „Die Musik läuft im Auto, zu Hause, überall – bis jede Passage verinnerlicht ist.“ Dann baue André langsam den Ablauf der Effekte zusammen. Diesen plant der Pyrotechniker mit einem Programm, das an eine Video-Editing-Software erinnert. Unten liegt die Audiospur des Musikstückes, oben wird mit Strichen aus verschiedenen Farben die Dauer der jeweiligen Effekte markiert.
Dabei muss André auch ganz genau bedenken, was mit dem vorgeschriebenen Budget und den jeweils verfügbaren Produkten machbar ist. „Gerade mit den globalen Krisen, wie sie derzeit sind, ist nicht immer garantiert, dass wir auch geliefert bekommen, was wir wollen.“ Manche Produkte würden in Asien hergestellt, andere seien aufgrund ihrer aufwendigen Herstellung seltener zu bekommen. So etwa das Blau der luxemburgischen Trikolore. Die braucht André aber unbedingt: Denn in diesem Jahr beginnt und endet die Show mit den Luxemburger Nationalfarben. Doch auch „Brocade“ – eine Mischung zwischen Gold und Silber, wird in diesem Jahr viel zu sehen sein. Es ist Andrés Farbe für die großherzogliche Familie.

Ein eingespieltes Team
Zurück zum Aufbau: Die sieben Männer hantieren in praller Sonne mit explosivem Material, das sie in die jeweiligen Gestelle einfügen. Die Hitze selbst macht dem Material nichts aus. „Die einzige Gefahr wäre ein Gewitter oder eine statische Aufladung der Atmosphäre. Das könnte zu einem Unfall führen.“ Deswegen sei die Kleidung der Feuerwerker auch antistatisch.
Das Team hier kennt sich gut, betont André. „Wir arbeiten schon seit Jahrzehnten zusammen. Man kennt sich, jeder weiß, was er zu tun hat. Eine eingespielte Choreografie.“ Sie alle gehören zur „Frédefeier ASBL“ und engagieren sich freiwillig für das Feuerwerk in Luxemburg-Stadt. Für keinen ist es der Hauptberuf. Auch für André nicht. „Das ist mein Hobby“, sagt er.

Die Leidenschaft hat er vom Vater geerbt, der den Posten des Pyrotechnikers und Cheforganisators vor ihm innehatte und auch eine Firma in dem Bereich leitete. Als dieser in den 2000ern aufhörte, stand André vor einer Wahl: „Aber ich konnte und wollte das nicht hauptberuflich übernehmen – es ist zu unsicher. Wenn es den Menschen schlechter geht, hört man als Erstes auf, Geld in die Luft zu schießen.“ Eine Zusammenarbeit mit der spezialisierten deutschen Firma WECO sicherte das Projekt langfristig ab. „Und jetzt bin ich schon 37 oder 38 Jahre dabei. Genau weiß ich es nicht, aber die 40 habe ich fast erreicht“, scherzt André.

Drohnen, KI und Umweltbelastung
Auch in der Pyrotechnik denke man zunehmend um. Verpackungen werden biologisch abbaubar, Plastik wird durch Karton ersetzt. „Man kann sagen, sie geben sich Mühe – oder sie reden’s sich schön. Aber es geht in Richtung Klimaneutralität“, sagt André. Auf die Lärmbelastung für Anwohner und Haustiere angesprochen meint André: „Ich glaube, bei vielen Menschen ist es eher das rücksichtslose und anhaltende Schießen an Silvester, das für Unmut sorgt.“ Bei den großen Feuerwerksshows wüssten Anwohner hingegen ganz genau, wo und wie lange geschossen werde. Für ihn müsse ein Feuerwerk etwas „Einzigartiges“ sein. Deswegen sieht er auch Drohnenshows nicht als Bedrohung. Sie hätten nicht den gleichen Effekt eines Höhepunkts wie ein Feuerwerk, sondern seien eher eine „Begleitshow“. „Heute gibt es wieder weniger Feuerwerke – dadurch ist jedes Einzelne umso besonderer.“
Große technische Neuerungen habe es zuletzt eher selten gegeben – mit KI könnte jedoch ein neuer Innovationssprung bevorstehen. „Vielleicht designt sie irgendwann Choreografien. Aber aufbauen müssen wir es noch selbst.“
Die besten Plätze für die Show am Vorabend von Nationalfeiertag? „Die place de la Constitution – oder als Geheimtipp: die alte Brücke (Viadukt)“, sagt André. Von dort sieht man fast alles – außer dem berühmten „Wasserfall“. Und: Die Musik ist dort ebenfalls hörbar. Der Pyrotechniker selbst steht während des Feuerwerks bei der „Gëlle Fra“. Von dort aus hat er alles im Blick – und kann bei Bedarf eingreifen.

Auf der Adolphe-Brücke sichern mehrere Absperrungen den Sicherheitsperimeter. Hier steht auch das restliche Team bereit, um im Notfall sofort eingreifen zu können und danach schnell den Rückbau durchzuführen. Erst wenn alles sicher ist, darf die Brücke wieder genutzt werden. „Und am nächsten Tag muss schon wieder alles frei und geputzt für die Militärparade sein.“
André hofft aber vor allem darauf, dass die Zuschauer während des Feuerwerks Spaß haben. „Ich will den Menschen einfach nur Freude bereiten.“

De Maart

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