Sonntag26. Oktober 2025

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LuxemburgMehr als nur ein Screenshot: Wie Menschen täglich das Urheberrecht verletzen

Luxemburg / Mehr als nur ein Screenshot: Wie Menschen täglich das Urheberrecht verletzen
Wer für eine Zeitung zahlt, darf diese natürlich lesen. Das Recht, die Artikel abzufotografieren, erwirbt man damit allerdings nicht. Foto: Editpress/Julien Garroy

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Schnell ein Foto von einem Presseartikel machen und dieses einer Person aus dem Bekanntenkreis schicken – täglich tun Menschen das. Gérard Scheiwen und Clarisse Amador von der „Luxembourg Organization for Reproduction Rights“ (Luxorr) erklären, weshalb sie dabei gegen Urheberrecht verstoßen und welche Folgen das hat.

Tageblatt: Bei der Unesco gilt der 23. April als Welttag des Buches und des Urheberrechts, außerdem findet an dem Datum der Luxemburger Tag des geistigen Eigentums statt. Luxorr verwaltet im Großherzogtum Urheberrechte – warum ist das wichtig?

Luxorr-Direktor Gérard Scheiwen: Wer am Kiosk eine Zeitung kauft, erwirbt das primäre Recht, diese zu lesen – aber nicht, diese zu kopieren. Solche Vervielfältigungen betreffen das sekundäre Recht, das wir bei Luxorr verwalten. Wir verkaufen Lizenzen an Nutzer geschützter Inhalte: Dazu gehören unter anderem Gemeinden, der Staat oder Organisationen aus der Privatwirtschaft. Sie zahlen Gebühren, die wir an Produzenten von Inhalten weitergeben. Ein Beispiel: Das Informations- und Presseamt des Staates sieht einen interessanten Artikel und übernimmt diesen für seine tägliche Presseübersicht für die Beamten. Der Text wird zigfach kopiert und verbreitet. Da der Staat eine Lizenz bei uns hat, ist das rechtlich abgesichert. Wir sorgen dafür, dass Texte, Bilder und Fotos geschützt werden.

Wo werden im Alltag Urheberrechte verletzt? 

Clarisse Amador, „Attachée à la direction“: In einem konkreten Fall verteilte eine politische Partei im Wahlkampf Flyer, auf denen auch ein Foto abgedruckt war. Der Inhaber des Urheberrechts – also der Fotograf – wandte sich an uns und fragte, ob die Partei eine Lizenz für die Nutzung des Bildes habe. Da das nicht der Fall war, kontaktierten wir die Partei. Diese hatte seine Rechte verletzt, zahlte eine Gebühr und konnte das Foto dann weiter nutzen. Ähnliches erleben wir oft mit Gemeinden, die in der Medienrubrik auf ihrer Webseite Artikel veröffentlichen. Dafür müssen sie bei uns eine Lizenz anfragen. Der Text kann dann für ein Jahr online bleiben oder nach Zahlung weiterer Gebühren auch länger. So behalten geschützte Inhalte ihren Wert.

Sie haben Gemeinden oder den Staat angesprochen. Aber was müssen Privatpersonen in puncto Urheberrecht beachten?

G.S.: In Luxemburg sind Kopien im privaten Raum erlaubt – vorausgesetzt, die Urheber werden fair entlohnt. Das lässt sich allerdings unmöglich kontrollieren. In anderen Ländern wird dafür beim Kauf von PCs, Smartphones oder Tablets ein gewisser Betrag eingezogen, als faire Entlohnung für die Urheberrechte. Wer in Trier ein Handy kauft und damit ein Screenshot eines geschützten Textes macht, handelt legal. In Luxemburg hingegen sind dafür nicht alle gesetzlichen Bedingungen erfüllt.

C.A.: Im Großherzogtum gibt es nämlich keinen Mechanismus und keine Gesellschaft für die Verwaltung von Privatkopien. In der Mehrheit der europäischen Länder – darunter Belgien, Deutschland und Frankreich – gibt es die. Das Gesetz schreibt eine faire Bezahlung vor – wir stellen aber fest, dass es in Luxemburg noch Nachholbedarf in dem Bereich gibt.

Clarisse Amador und Gérard Scheiwen setzen sich bei Luxorr für den Schutz von Texten, Bildern und Fotos ein
Clarisse Amador und Gérard Scheiwen setzen sich bei Luxorr für den Schutz von Texten, Bildern und Fotos ein Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Was also darf ich und was nicht? 

C.A.: Unter der Voraussetzung einer fairen Bezahlung – die es in Luxemburg wie gesagt nicht gibt – ist die Reproduktion von urheberrechtlich geschützten Werken nur im familiären Kreis erlaubt. Man kann also eine Kopie einer Buchseite machen und diese dem eigenen Vater geben, wenn man noch zusammen wohnt. Lebt er jedoch in einem anderen Haushalt, ist das nicht erlaubt. Ein ganzes Buch zu kopieren, ist generell verboten. Wenn man einem Freund einen Screenshot eines Artikels schickt oder diesen in sozialen Netzwerken teilt, ist auch das ein Verstoß gegen das Urheberrecht. 

„Es ist doch nur ein Screenshot“, denken sich da einige …

G.S.: Eigentlich ist es, als würde man in einer Buchhandlung Bücher stehlen: Ein einzelnes, entwendetes Werk richtet vielleicht keinen großen Schaden an. Doch wenn das jeden Tag 100 Menschen tun, können die Angestellten irgendwann nicht mehr bezahlt werden – und das Geschäft muss schließen. Wenn man das Urheberrecht missachtet, nimmt man dem Autor die Kartoffel vom Teller. Die Person hat dann weniger Essen. Menschen leben vom Fotografieren oder Schreiben. Wenn man das nicht respektiert, bringt man sie um ihren Lohn. Denn sie suchen sich dann vielleicht einen besser bezahlten Job in einem anderen Bereich. Nach und nach verschwindet in unserer Gesellschaft so die Kultur. 

Wenn man das Urheberrecht missachtet, nimmt man dem Autor die Kartoffel vom Teller. Die Person hat dann weniger Essen.

Gérard Scheiwen, Direktor von Luxorr

Warum missachten Leute täglich das Urheberrecht, ist das Absicht?

C.A.: Nein, meist ist das nicht der Fall und es geschieht nicht aus bösem Willen. Darum ist Aufklärung wichtig, etwa im Schulunterricht. Davon sind wir aktuell aber noch weit entfernt: In der Schule meiner Tochter kopierte ein Lehrer ein ganzes Buch und gab den Schülern die Kopien mit der Bitte, eine Zusammenfassung zu schreiben. Er hat ein geschütztes Werk vollständig vervielfältigt – das ist verboten. 

G.S.: Ähnlich wie in den sozialen Medien, denken die Menschen, dass alles gratis und frei zugänglich sein muss. Sie sind sich schlichtweg nicht bewusst, dass die Inhalte geschützt sind.

Was in Luxemburg erlaubt ist

Geschützte Inhalte wie Texte oder Fotos dürfen nicht frei verwendet werden – ihre Nutzung ist nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Privatkopien sind laut der Luxorr im engen familiären Umfeld eigentlich gestattet, in Luxemburg fehlen allerdings die Mechanismen einer fairen Vergütung. Kurze Zitate dürfen verwendet werden, sofern die Quelle genannt wird. Auch Karikaturen und Parodien sind zulässig, solange diese gesetzliche und ethische Grenzen einhalten. Im Bildungsbereich – etwa in Schulen oder Universitäten – dürfen kurze Auszüge aus Werken zu Lehrzwecken verwendet werden. Geschützte Werke fallen 70 Jahre nach dem Tod der Urheberin oder des Urhebers übrigens wieder in den öffentlichen Bereich. Alles, was darüber hinausgeht, ist jedoch verboten: etwa das vollständige oder teilweise Kopieren von Werken, das Teilen in sozialen Netzwerken, das Übersetzen oder Bearbeiten von Texten. Auch öffentliche Aufführungen ohne Zustimmung der Urheberrechtsinhabenden sind nicht erlaubt. Mehr Informationen gibt es unter luxorr.lu.

Woher kommt dieses fehlende Bewusstsein? 

C.A.: Durch neue Technologien wie den Computer, das Handy oder das Tablet ist es einfacher geworden, Dinge zu reproduzieren: Mit einem Klick kann man etwas vervielfältigen – schnell und ganz ohne Bestrafung. Wenn man früher etwas kopieren wollte, musste man sich dafür bewegen und zum Beispiel zu einem Copyshop gehen. Eine Reproduktion ist ein Diebstahl, es ist ein Verstoß, ein Verbrechen. Diebstahl ist vielleicht ein starkes Wort, aber das muss den Menschen im Kopf bleiben: Wer konsumieren will, muss zahlen. Denn jede Arbeit verdient eine angemessene Entlohnung.

Und darauf will Luxorr weiter aufmerksam machen. Im kommenden Monat steht ein wichtiger Termin an.

G.S.: Ja, zweimal im Jahr findet der Kongress der „International Federation of Reproduction Rights Organisations“ (IFRRO) statt. Inzwischen sind 161 Organisationen in über 90 Ländern bei der IFRRO Mitglied, damit vertritt sie zwei Millionen Autoren und Verlage. Am 20. und 21. Mai richtet erstmals Luxemburg diese internationale Veranstaltung aus. Etwa 120 Delegierte werden in der Hauptstadt über aktuelle Entwicklungen – wie zum Beispiel die Nutzung von KI – diskutieren. Die Ausrichtung einer solchen Konferenz lenkt die Aufmerksamkeit der Medien auf das Thema Urheberrecht und hilft, die Öffentlichkeit und den Gesetzgeber dafür zu sensibilisieren. Wir sind stolz darauf, endlich Gastgeber zu sein. 


Mehr zu diesem Thema:
– Der stille Rechtsbruch: Warum Urheberrechte Thema sein müssen

Hild Charles
21. Mai 2025 - 11.19

Ich habe da noch ein Problem: Wenn ich die Print-Version des TB kaufe, dann kann ich sie auf dem Dachboden lagern, und auch noch nach mehreren Jahrzehnten Artikel lesen. Mit der digitalen Ausgabe geht das nicht mehr. Die liegt knapp eine oder zwei Wochen bereit! NB.: das war am Anfang anders. Woher kommt dieses kapitalistische Getue? Wenn ich eine Ausgabe einmal gekauft habe, dann sollte ich sie auch definitiv besitzen.

Kantt Luss
20. Mai 2025 - 20.44

Natürlich.
Mütter, die bei einem Kindergeburtstag fremden Kinder den 'König der Löwen' zeigen, gehören ja in den Knast, genau wie die alten Leutchen, die im Altersheim eine DVD im Gemeinschaftsraum 'ausstrahlen', das sind all gefährliche kriminelle IP-Piraten, die gehören hinter Gitter.

Pin Mac
13. Mai 2025 - 7.29

Ech knipsen waat ech well......a loose mer vun esou "Journalisten" soen waat ech soll an net....

Nomi
29. April 2025 - 16.14

Waat Dommheeten !

30% mindestens vun deenen Gesetzer sollten direkt an den ronnen Eemer !

DanV
28. April 2025 - 14.07

Das Thema ist mir am Wochenende nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Wie so vieles in Europa, wird da mal wieder etwas extrem auf die Spitze getrieben.

Was Sie da eigentlich sagen, ist: man darf Information und Wissen nicht weitergeben, wenn man nicht dafür zahlt.

In letzter Konsequenz heißt das, dass unsere Gesellschaft stumm werden muss, denn jedes Wissen hat seinen Urheber. Wir haben eine Menge in der Schule gelernt, der Lehrer war wohl lizensiert, sein Wissen weiter zu geben. Aber was ist mit uns? Dürfen wir das Gelernte nur im stillen Kämmerlein applizieren?

Und dann: jeden Tag lese ich das Tageblatt und manche Artikel diskutieren wir unter Freunden. Es kann vorkommen, dass der Artikel rumgeht, um den ganzen Inhalt vor Augen zu haben. Aber eigentlich darf ich das ja Ihrer Theorie nach nicht, denn einige haben kein Tageblatt-Abo.

Oder soll ich den Klingelbeutel rumgehen lassen, bevor wir über ein Thema sprechen? – Nein, das werde ich NICHT tun.

Sie gehen zu weit. Uns Diebe zu nennen, kommt einer Verleumdung gleich.

Wenn durch eine Gebühr auf Handys, Computer, etc. das Urheberrecht abgegolten wird, dann boxen Sie (Luxorr) das gefälligst durch, anstatt uns zu beschuldigen!

Natürlich soll jede Arbeit gerecht entlohnt werden, aber nicht, indem Sie die Schuld für Unzulänglichkeiten im Gesetz auf uns Konsumenten abwälzen.

Jean-Marie GROBER
23. April 2025 - 15.15

Eine Frage hätte ich noch! Ich bin auf's Tageblatt abonniert (schon sehr, sehr lang). Meine Frau liest auch das Tageblatt, also mein Exemplar. Bin ich jetzt ein Staftäter? Und wenn meine Kinder auch einen Blick in mein Exemplar werfen, bin ich dann ein Mehrfachstraftäter? Um nicht straffällig zu werden bleibt mir wohl nur noch die Lösung, mein Tageblatt-Abonnement zu kündigen! Ironie beiseite! Was soll das? Wenn ich mit fast 40 € monatlich auch mal einen mir wichtigen Artikel zu kopieren und an meine Familie oder ein paar Bekannte weiterzugeben, stelle ich mir die Frage: Wer bezahlt denn die Tageblatt-Autoren und -Journalisten? Sind es wir, die Abonnenten und Käufer? Wo recherchieren denn die Journalisten, wenn sie einen Artikel schreiben? Auf Wikipedia? Wenn das Urheberrecht so wichtig ist, dann müssen alle Online-Medien abgeschafft werden. Und vor allem muss die AI in all ihren Spielarten verboten werden. Viel Erfolg bei diesem Unterfangen! Und ich werde mein Abo natürlich nicht kündigen!

Reinertz Barriera Manfred
23. April 2025 - 14.42

Wo ist der Unterschied>
ich lese einen Artikel in der Zeitung und will meiner Tochter den zukommen lassen: ich schicke ihr die Zeitung per Post oder ich downloade den Artikel und schicke ihn per e-mail an meine Tochter die im Ausland studiert bin dann ein Dieb??__geeht et da nach dann mann Geecht!