Es ist still im Weinberg. Oder fast: Das rhythmische Knacksen von abgezupften Weinblättern unterbricht die Ruhe in regelmäßigen Abständen. Drei Tageblatt-Mitarbeiter stehen an diesem sonnigen Donnerstagmorgen in der Domaine-Tageblatt-Parzelle und entblättern die Reben. Niemand redet – wir befinden uns alle in einem fast meditativen Zustand.

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Das Projekt ist ambitioniert und soll Einblicke in die Welt der Winzer verschaffen. Die Tageblatt-Redaktion wird in den kommenden anderthalb Jahren versuchen, ihren eigenen Wein herzustellen, in einer wöchentlichen Serie über Erfolg und Misserfolg berichten und dabei tiefere Einblicke in die Welt des Weinbaus geben.
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Eine halbe Stunde zuvor: Grafikerin Kim Kieffer, Lokaljournalistin Sandra Lutz und ich stehen am Fuß des Weinbergs und hören den Erklärungen von Théo zu, der seit drei Jahren beim Weingut Domaine L&R Kox arbeitet. Heute geht es um die Entblätterung der Reben. Heißt: Wir entfernen die Weinblätter, damit die Trauben genügend Sonnenlicht zum Reifen bekommen und besser durchlüftet sind. Dadurch wird die Abtrocknung nach Regen beschleunigt, was wiederum Fäulnis vorbeugt. „Das Ziel ist es, dass die Trauben etwa einen Monat Sonnenschein bekommen“, erklärt Théo. Da unsere Lese Mitte September beginnt, sind wir ausnahmsweise gut im Zeitplan.

Entblättert wird vor allem auf der Morgensonnenseite der Reben. Die Nachmittagsseite bleibt weitgehend belaubt, weil dort die Sonne gnadenlos brennt. Je nach Rebsorte wird auch hier ein bisschen abgezupft, aber immer mit Vorsicht. Bei uns ist das heute nicht nötig.
Théo zeigt uns, wie es geht. „Man muss nur auf die Trauben aufpassen, wenn man nach den Blättern greift“, erklärt Théo. Wenn man die Beeren zu fest berührt und Druckschäden hinterlässt, verfaulen sie. Der 23-Jährige zupft flink die Blätter, steigt dabei den Hang hoch, als wäre das nichts. „Ich mach’s gerade etwas langsamer, aber ihr könnt ruhig schneller arbeiten“, sagt er. Nein, können wir nicht, denke ich mir noch, bevor wir uns selbst an die Arbeit machen. Dieser Verdacht bestätigt sich schnell: Kim, Sandra und ich benötigen ungefähr dreimal so lange wie Vollprofi Théo und sein Kollege Mirek, die durch die Reihen pflügen wie Laubstaubsauger auf zwei Beinen.
Aufpassen: Wespen!

Die Trauben schmecken noch sauer, aber den Wespen ist das egal. Immer wieder schwirren ein paar von ihnen zwischen den Reben herum. Ich schicke Corinne Kox ein paar Bilder der gelb-schwarzen Insekten, die gerade an den Beeren knabbern. Die Winzerin beruhigt mich per Nachricht: „Das ist ein Zeichen, dass sie anfangen, reif zu werden.“ Dagegen vorgehen müssen wir laut Corinne nicht, erst einmal nur zuschauen. „Es bleibt demnächst trocken, dann fault nichts und das trocknet ein“, schreibt sie.
Wir arbeiten also weiter und nach einer Stunde hat jeder von uns ungefähr eine halbe Reihe hinter sich. „Ich dachte, das würde schneller gehen“, rufe ich meinen Tageblatt-Kolleginnen zu. Zustimmende Laute wehen zurück.
Dann klingelt das Telefon: Winzer Laurent Kox ist dran. Er erinnert uns ein weiteres Mal daran, dass wir die Trauben nicht zerquetschen dürfen – und fragt, ob wir eine Kopfbedeckung tragen. Die Antwort: Kim ja, Sandra und ich nein. Ab 30 Grad wäre das Pflicht, sagt er. Glücklicherweise sind es heute nur 25, aber ein bisschen mehr Sonnenschutz würde uns trotzdem guttun. Die Tageblatt-Novizen haben sich alle einen Sonnenbrand eingefangen, trotz Sonnencreme.
Nach zwei Stunden sind wir endlich fertig mit unseren drei Reihen. Wie erwartet haben Théo und Mirek in der Zeit fast alle restlichen Reben entblättert. Auch wenn die Arbeit kein Hexenwerk ist, erkennt man schnell, wer dies hauptberuflich macht und wer die meiste Zeit am Computer sitzt. Wenn wir in diesem Tempo alleine gearbeitet hätten, hätten wir die Lese im September vermutlich knapp verpasst.
Erster Einsatz im Weinberg
Das Freilegen der Trauben am Donnerstagmorgen war für mich der erste Einsatz in unserem Weinberg seit meinem Start als Lokal-Journalistin. Ich bin zwar weder eine große Weintrinkerin noch -kennerin, interessiere mich dennoch für den Weinbau. Wie viel Handarbeit in einer Flasche Wein steckt, ist schon bemerkenswert: Allein das Abzupfen der überschüssigen Blätter in der prallen Mittagssonne verlangt viel Geduld, Fingerspitzengefühl und Achtsamkeit. Und genau diese machte die Erfahrung zu einer zweistündigen Meditationsreise, die hin und wieder im entspannten Austausch über die Weinreben hinweg mit meiner Kollegin und meinem Kollegen pausierte. Die Arbeit an den Weinstöcken hinterließ trotz Sonnenschutzfaktor 50 ihre Spuren – ein leichter Sonnenbrand zierte im Anschluss Schultern und Arme. (Sandra Lutz)
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