Reportage„Man kann schon mal ein Auge zudrücken“: Auf Tour mit einem Düdelinger „Pechert“

Reportage / „Man kann schon mal ein Auge zudrücken“: Auf Tour mit einem Düdelinger „Pechert“
Dieser Autofahrer hat keine gute Wahl beim Parken getroffen Foto: Editpress/Alain Rischard

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Das Nichtentfernen von Hundekot im öffentlichen Raum kann nun auch in Düdelingen mit 25 Euro bestraft werden. Am 1. April trat in Düdelingen die neue Polizeiverordnung und damit auch die Kompetenzerweiterung der „Agents municipaux“ in Kraft; sie können jetzt auch Strafzettel für allgemeine Ordnungswidrigkeiten verhängen. Das Tageblatt begleitete einen „Pechert“ auf seiner Tour durch die Innenstadt.

Bei einem Kleinlaster, der auf einem Lieferantenplatz parkt, bleibt Philippe, Agent Nr. 14 der Düdelinger „Pecherten“, stehen und wechselt ein paar Worte mit dem Fahrer. „Er ist zwar kein Lieferant, sondern ein Handwerker, aber er liefert Material für eine Baustelle. Der Fahrer hat mir gesagt, er sei in ein paar Minuten weg. Da kann man schon mal ein Auge zudrücken. In solchen Fällen gehen wir aber nach zehn Minuten kontrollieren, ob die Person dann auch wirklich weg ist. Wir lassen uns nicht veräppeln.“

Die Beamten lassen den Autofahrern noch drei Minuten Zeit nach Ablauf der Uhr
Die Beamten lassen den Autofahrern noch drei Minuten Zeit nach Ablauf der Uhr Foto: Editpress/Alain Rischard

Kein Pardon kennt Philippe allerdings, als er in der Fußgängerzone einen SUV auf einem Behindertenparkplatz sieht: „Das macht man nicht“, und zückt seinen Block. „Manchmal stellt sich heraus, dass der Fahrer ganz einfach seinen Behindertenausweis vergessen hat. Wenn er ihn dann nachher zeigen kann, ist es gut. In solchen Momenten bin ich froh, ‚Pechert’ zu sein, um solche Fälle bestrafen zu können, wo Leute nicht den geringsten Respekt vor ihren Mitmenschen zeigen.“

Ein Dutzend „Agents municipaux“ gibt es in Düdelingen; zu unterschiedlichen Tageszeiten sind sie in den verschiedenen Vierteln der Stadt unterwegs, oft zu Fuß, aber auch per Rad oder auf einer Vespa. An einem Tag können sie gut mal 15 Kilometer „spazieren“. „Ja, ich werde bezahlt, um fit zu bleiben“, lacht Philippe. In ruhigen Wohnvierteln werde nur ab und zu kontrolliert, bei den Schulen allerdings regelmäßig, wegen des hohen Verkehrsaufkommens dort. Die Ursache: „Verschiedene Eltern würden am liebsten ihre Kinder mit dem Auto bis in den Schulsaal fahren.“

Neue Strafzettel
Neue Strafzettel Foto: Editpress/Alain Rischard

Vor den Geschäften in der Einkaufsstraße dürfen Autofahrer 30 Minuten gratis parken. Erst drei Minuten nach Ablauf der regulären Zeit stellen die Agenten einen Strafzettel aus. Rund 6.000 habe er voriges Jahr verteilt. „Wir erhalten allerdings keine Prämie, und es ist auch keine Mindestzahl an Strafzetteln vorgeschrieben, die wir ausstellen müssen.“

Ab jetzt kommen neue Aufgaben auf ihn und seine Kollegen zu.  Am 1. April trat in Düdelingen die neue Polizeiverordnung und damit auch die Kompetenzerweiterung der „Pecherten“ in Kraft. 17 Vergehen können sie nun ahnden, für die Geldbußen zwischen 25 und 250 Euro vorgesehen sind, wie z.B. illegale Abfallentsorgung, Vandalismus, Ruhestörung oder das Liegenlassen von Hundekot.

Obwohl die neue Verordnung schon fast zwei Wochen in Kraft ist, machen weiterhin Falschparker den Großteil ihrer „Kundschaft“ aus, wie wir selbst feststellen konnten. „Momentan haben wir noch keinen Strafzettel im Rahmen unserer Kompetenzerweiterung ausgestellt, wir machen die Bürger vorerst auf mögliche Vergehen mündlich aufmerksam“, sagt der Verwaltungsleiter der Düdelinger „Agents municipaux“, Marco Czaika. „Ich glaube auch nicht, dass es viele solcher Fälle geben wird.“

Auf unserer Tour konnten wir uns davon überzeugen: Ein Missetäter, der eine der 17 Ordnungswidrigkeiten beging, begegnete uns nicht, eben nur Parksünder. Ihre Arbeitsweise werde sich wegen der Kompetenzerweiterung aber nun wohl ändern. „Es ist nun besser, zu zweit auf eine Tour zu gehen, denn es ist von Vorteil, wenn man einen Zeugen dabeihat, falls nötig.“

Konflikte sind eher selten

In ihrer Ausbildung werden die Ordnungsbeamten auch in Konfliktbewältigung geschult. Regelrechte Frechheiten oder aggressives Verhalten gebe es zwar eher selten, doch Mangel an Respekt würden immer mehr Menschen zeigen, erzählt Philippe.

„Ich konnte noch stets alle Probleme ohne Konflikte lösen“, sagt auch Marco Czaika, der seit 22 Jahren bei den „Pecherten“ arbeitet. „Ich rate den jungen Kollegen, sie sollen sich draußen nicht auf lange Diskussionen einlassen, was auch keinen guten Eindruck macht. Wenn die Leute dann später zu uns an den Schalter kommen, um sich zu beschweren, haben sie sich meistens schon beruhigt.“

Und falls die Konfliktbewältigung „douce“ nicht funktionieren sollte: Die Agenten erhalten auch Kurse in Selbstverteidigung. Bis dato hätten sie die allerdings noch nie anwenden müssen.

Die Agenten verteilen aber nicht nur Strafzettel; zur Ausbildung der „Pecherten“ gehört auch ein Erste-Hilfe-Kurs, was Marco Czaika schon nützte. „Es kam mir einmal eine Frau auf dem Bürgersteig entgegen. Ein paar Meter von mir entfernt brach sie zusammen. Da ist es schon gut, wenn man weiß, wie man im ersten Augenblick reagieren soll.“ Und dann gibt es noch eine andere Sorte von Einsätzen: „Was ab und zu schon mal vorkommt, ist, dass wir einen Hund einfangen und ins Tierheim bringen, falls der Besitzer nicht bekannt ist. Ich habe deshalb stets eine Hundeleine hier im Büro, für alle Fälle.“

Das Kurioseste, was ihm bisher widerfuhr, war das Einfangen eines Schafes, das einem Wanderhirten fortgelaufen war, erzählt Philippe. Als wir uns nach unserer gemeinsamen Tour durch Düdelingen von ihm verabschieden, kommen wir an einem Wagen vorbei, der auf dem Bürgersteig steht. Der Fahrer geht sofort auf Philippe zu und sagt entschuldigend: „Ich lade nur kurz meine Waren aus, in zehn Minuten bin ich weg.“ „Kein Problem“, antwortet unser „Pechert“. Obwohl der Mann nicht auf einem Lieferantenparkplatz steht, drückt er ein Auge zu. „Strikt vom Gesetz her gesehen ist der Mann im Fehler, aber man muss ja auch gesunden Menschenverstand zeigen. Die Leute müssen ja auch die Waren in ihren Laden bringen. In solchen Fällen – und falls die Wagen den Verkehr nicht stören – muss man kulant sein“, sagt Agent Nr. 14.

Die komplette Liste der Handlungen, welche die „Pecherten“ ahnden können, finden sie unter www.dudelange.lu/index.php/avis/nouveau-reglement-de-police/

Ohne Behindertenausweis auf einem Behindertenparkplatz: Dieser Fahrer erhält einen Strafzettel
Ohne Behindertenausweis auf einem Behindertenparkplatz: Dieser Fahrer erhält einen Strafzettel Foto: Editpress/Alain Rischard