Sonntag26. Oktober 2025

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Sahel-ZoneMali-Mission der EU steht vor dem Aus

Sahel-Zone / Mali-Mission der EU steht vor dem Aus
Ein solcher Besuch wäre zurzeit nicht möglich: der damalige belgische Premier Charles Michel und Xavier Bettel bei einem Besuch der EUTM-Mission in Mali im November 2017 Foto: Archiv/AP/Geert Van den Wijngaert

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Eigentlich überwiegen die strategischen Interessen Europas an einer stabilen Sahel-Region. Doch die trotz Truppenpräsenz verschlechterte Sicherheitslage und eine Serie von Provokationen der malischen Machthaber lassen ein Ende der EU-Mission in Mali immer wahrscheinlicher werden.

Wenn das Scheitern in Afghanistan mitsamt überhastetem Abzug nicht gewesen wäre, täten sich die Militärstrategen in Paris, Brüssel und Berlin leichter mit dem Schlussstrich unter das Militär-Engagement in Mali. Gleich zwei Rückzüge, ohne zuvor dauerhafte Stabilität vor Ort geschaffen zu haben, das ist in den Zeiten wachsender Aggressionen Russlands und Chinas für den Westen als Signal an die Welt schwer zu schultern. Und dann beginnt ein internes EU-Papier mit der Analyse der aktuellen Lage in der Sahelzone auch noch mit der Feststellung: „Malis Stabilität ist von strategischer Bedeutung für Europa.“

Denn die Gründe für das Eingreifen in dem westafrikanischen Bürgerkriegsland sind dieselben geblieben. Das strategische Interesse der Europäischen Union wird begründet „nicht nur wegen seiner enormen Bodenschätze, sondern weil die EU die Länder der Region davor bewahren muss, unter die Kontrolle dschihadistischer Gruppen zu fallen oder zur Brutstätte für Terroristen zu werden“. Denn dies könne „neue Migrationswellen oder Terroranschläge in Europa hervorrufen“.

Probleme werden größer

Doch die Probleme sind seit dem Jahr 2013, als die Missionen auf den Weg gebracht wurden, nicht kleiner, sondern größer geworden. Nach zwei Militärputschen kann von einer selbsttragenden Stabilität keine Rede sein. Die Rückkehr zu freien Wahlen erst in vier Jahren ist inakzeptabel für die EU, und dann tut die Militärjunta auch alles, um dem Westen sein Engagement madig zu machen. Der französische Botschafter flog raus, Deutschland wurde ein Überflug verboten und die für die Sicherheit der Soldaten so nötigen Überwachungsdrohnen mit ungewöhnlichen Auflagen versehen. Als Letztes redete der amtierende Ministerpräsident Choguel Kokalla Maiga den Einsatz der Franzosen schlecht.

Deswegen haben die Franzosen alle Missionen auf den Prüfstand gestellt: Barkhane, der nicht auf Mali beschränkte französische Kampfeinsatz in der Region, soll von knapp 5.000 Soldaten deutlich reduziert werden. Takuba, die jüngste Eingreiftruppe mit europäischen Spezialtruppen, wird von Mali als „nicht eingeladen“ qualifiziert. Minusma ist die größte Mission, wird gesteuert von den Vereinten Nationen, zählt 13.000 Blauhelme und ist mit 260 Gefallenen der gefährlichste UN-Einsatz geworden. Deutschland beteiligt sich hieran mit rund 1.100 Kräften. Hinzu kommen gut 300 bei der Ausbildungsmission EUTM der Europäischen Mission.

Gerade letztere wird in diesen Tagen in Brüssel zunehmend infrage gestellt. Österreich hat zwar erst zum Jahreswechsel die Führung übernommen, sieht sich nun aber in einem „wirklichen Dilemma“: Entscheide sich die EU für den Rückzug, riskiere sie ein Machtvakuum, das andere Akteure, etwa Russland, füllen würden. Andererseits drohe die Mission am Ende unter das Kommando der russischen Söldnergruppe Wagner zu fallen, mit denen das Militärregime einen Vertrag geschlossen hat. 300 bis 500 sollen schon im Land sein – verbunden mit Zweifeln, ob sich ihr Eingreifen immer an den Menschenrecht-Standards ausrichtet.

Luxemburgs Verteidigungsminister François Bausch („déi gréng“) sagte gegenüber Radio 100,7, die Situation müsse zwischen den europäischen Partnern ab jetzt „Woche für Woche evaluiert“ werden. Bausch schließt nicht aus, dass sich die Europäer bis zum Sommer zurückziehen könnten. Die Frage, wie es jetzt weitergehe, knüpft der Luxemburger Verteidigungsminister dabei „ganz eng“ daran, ob weiterhin russische Söldner der Wagner-Gruppe in dem Sahel-Staat aktiv sein würden. Zurzeit sind 23 Luxemburger Soldaten in Mali stationiert, 21 davon in der EUTM-Mission und zwei unter der Minusma-Fahne.

In Moskau versicherte Präsident Wladimir Putin, nichts mit den Söldnern zu tun zu haben. Allerdings nahm er das NATO-Ukraine-Argument von der Freiheit jedes Staates, sich seine Sicherheitsorganisation selbst wählen zu können, und drehte es auf die Freiheit Malis, sich von Söldnern unterstützen zu lassen. Mehrfach haben europäische Regierungsvertreter Mali aufgefordert, zur Demokratie mit Wahlen zurückzukehren und die Finger vom Söldner-Einsatz zu lassen. Inzwischen wird die Forderung befristet auf die „nächsten Tage“.

Das hat damit zu tun, dass auch Frankreich eine Entscheidung bis „Mitte Februar“ haben will. Am 17./18. Februar ist in Brüssel EU-Afrika-Gipfel, bei dem es nicht nur um eine Wohlstand-für-Afrika-Initiative, sondern auch um eine neue afrikanische Sicherheitsarchitektur gehen soll. Der deutsche Unions-Europa-Experte Gunther Krichbaum hält es für „richtig, beim EU-Afrika-Gipfel über neue Einsatzformen zu diskutieren“. Bei beiden Mali-Einsätzen stecke die Bundeswehr in einer Zwickmühle. Einen Abzug könnten islamistische Terroristen und kriminelle Banden ausnutzen. Andererseits verweigere die Militärregierung in Mali zunehmend die Zusammenarbeit und behindere den Militäreinsatz der Europäer.

Region bleibt wichtig

Deshalb sorgt sich Krichbaum bereits um die Abwicklung des Abzuges. „Das Beispiel Afghanistan hat uns allen vor Augen geführt, wozu ein überhasteter und nicht abgesprochener Alleingang führen kann“, gibt der CDU-Politiker zu bedenken. Eine Wiederholung in Westafrika müsse unbedingt verhindert werden. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), bringt deshalb einen kurzen Zeitaufschub ins Spiel. „Möglich wäre eine Mandatsverlängerung für wenige Monate, um dann eine endgültige Entscheidung zu treffen: Bleiben oder gehen wir?“, sagte sie dem Tageblatt.

Die FDP-Verteidigungsexpertin erinnert daran, dass die Europäer in Mali keine Besatzer seien, sondern gebeten wurden, die malische Armee zu unterstützen und die Region stabilisieren zu helfen. An der Stabilisierung der Region hat indes Frankreich auch aus einem weiteren Grund ein Interesse: Für die Modernisierung und den Ausbau der Atomkraft braucht es Zugang zu Uranlieferungen. Ein beträchtlicher Teil kommt aus Malis Nachbarland Niger. Auch das spricht – zusammen mit der Migrations- und der Terrorismus-Problematik – dafür, dass sich der Westen nicht vollständig aus der Sahel-Zone zurückzieht, dass aber die Tage der Ausbildungsmission in ihrer aktuellen Ausprägung gezählt sind.

rczmavicrom
9. Februar 2022 - 9.32

Alle werden an die Ukraine Front verlegt wo die nächste Niederlage lauert!