175. Geburtstag von Gabriel LippmannLuxemburger Meilensteine in Fotografie und Medizin

175. Geburtstag von Gabriel Lippmann / Luxemburger Meilensteine in Fotografie und Medizin
PostPhilately Luxembourg würdigte den Nobelpreisträger Gabriel Lippmann im März 2020 mit einer Sonderbriefmarke

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Ein Elektrokardiogramm, abgekürzt EKG, gehört heute zu den Standards der Medizin. Über die am Brustkorb angebrachten Elektroden zeichnet das EKG-Gerät die elektrischen Ströme des Herzens auf und liefert den Medizinern wichtige Informationen. Die physikalische Grundlagenforschung verdankt die Medizin einem der beiden einzigen Luxemburger Nobelpreisträger. Am 16. August vor 175 Jahren kam Gabriel Lippmann auf die Welt.

Die aus Frankreich stammende Familie Lippmann ließ sich 1807 in Luxemburg nieder. Gabriels Großvater, Jonas Lippmann, war als Kantor der jüdischen Gemeinschaft registriert. 1821 kündigte er im „Luxemburger Wochenblatt“ die Eröffnung einer Lederhandschuhfabrik „nach Art von Grenoble und Paris“ in der hauptsächlichen rue Philippe II an.

Die Gerberei und Handschuhfabrik zog 1836 nach Bonneweg um. Isaïe, der Sohn von Jonas Lippmann, führte dort das Familienunternehmen fort. Er baute seine Industrie in einem Komplex des ehemaligen Konvents von Bonneweg auf. Aus einer zweiten Ehe mit Miriam Rose Levy ging am 16. August 1845 ein Sohn hervor, Jonas Ferdinand Gabriel. Nur drei Jahre später verließ das Ehepaar zusammen mit seinem Sohn das Land, um sich in Paris niederzulassen.

1858 trat Gabriel Lippmann in das damalige Pariser „Lycée Napoléon“ ein. 1868, im Alter von 23 Jahren, begann er seine wissenschaftliche Laufbahn in der „Ecole Normale Supérieure“ mit Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Elektrizität.

Diese setzte er in den Jahren 1872 und 1874 in Deutschland fort. Unter dem Einfluss des Physikers Kirchhoff, Erfinder der Spektralanalyse, wurde seine Vorliebe für die Physik immer ausgeprägter. 1874 promovierte er an der Universität Heidelberg in Philosophie mit „summa cum laude“. Er verbrachte noch eine kurze Zeit in Berlin im Helmholtz-Laboratorium, bevor er seine Experimente zur Elektrokapillarität wieder in Frankreich, zunächst an der Ecole Normale, später an der Sorbonne, fortsetzte.

Vom Kapillarelektrometer zum EKG

Am 24. Juli 1875 verteidigte er an der Universität Sorbonne seine ursprüngliche Dissertation über die bis dahin unbekannte Beziehung zwischen elektrischen und kapillaren Phänomenen. Dabei ging es um die Veränderungen der Oberflächenspannung einer Flüssigkeit durch elektrische Spannung. Auf dieser Grundlage entwickelte er in Heidelberg das sogenannten Kapillarelektrometer.

Dieses Gerät erlaubte die Messung von sehr geringen Spannungsänderungen im Bereich zwischen 0 und 0,9 Volt. Er befüllte eine dünne Glasröhre, die Kapillare, mit einer Quecksilbersäule (ähnlich wie im alten Quecksilberthermometer). Diese bedeckte er mit verdünnter Schwefelsäure. Das Quecksilber und die Schwefelsäure waren jeweils im Kontakt mit einer Elektrode. Bei geringsten Spannungsänderungen an den Elektroden veränderte sich die Oberflächenspannung des Quecksilbers. Die Wölbung der Oberfläche des Quecksilbers an der Grenzfläche zur Schwefelsäure verschob sich in der Kapillare nach oben.
Mit einer optischen Vorrichtung, dem sogenannten Kathetometer mit einer 220-fachen Vergrößerung, erfasste Lippmann geringste Spannungsänderungen im Mikrovolt-Bereich.

Später nutzen die Physiologen Etienne-Jules Marey und Augustus Desiré Waller das Gerät zur Aufzeichnung von Herzströmen. Den Durchbruch in der Medizin brachte jedoch der niederländische Arzt Willem Einthoven. Er nutzte ab 1894 das Kapillarelektrometer zur Messung der Herzströme, wobei er unterschiedliche Potenzialkurven bei Normalpersonen und Patienten mit Herzerkrankungen aufzeichnete. Im Laufe der Jahre verbesserte Einthoven die Technik und Empfindlichkeit des Gerätes. Er legte die mathematischen Grundlagen fürs EKG und leitete neue Pathologien aus den aufgezeichneten Herzströmen ab. Einthoven wurde 1924 für die Entwicklung des EKGs mit dem Medizinnobelpreis ausgezeichnet.

Über die Fotografie zum Nobelpreis

Lippmann setzte seine physikalischen Forschungen fort, wobei er sich u.a. mit der Aufzeichnung von Erdbewegungen beschäftigte. Im Jahre 1909 führte er ein Gerät zur Aufzeichnung der absoluten Beschleunigung seismischer Bewegungen ein und 1910 einen Flüssigkeitssäulen-Seismographen. Zur Jahrhundertwende, zwischen 1901 und 1908, schlug Lippmann den Bau mehrerer Instrumente für den Einsatz in der Astronomie und Fotografie vor.

Wenn es die Entdeckung der Elektrokapillarität war, mit der sich Lippmann in der internationalen wissenschaftlichen Welt einen Namen gemacht hatte, so war seine Forschung in der Farbfotografie nach dem Interferenzverfahren die Entdeckung, die ihn am meisten ehrte und ihm weltweites Ansehen einbrachte, gekrönt mit dem Nobelpreis der Physik im Jahr 1908.

Ab 1860 bestanden erste Techniken der Farbfotografie. Sie beruhten auf subtraktiven oder additiven Verfahren mit zwei oder drei Farbstoffen. Eines der Haupthindernisse dieser Methoden waren die mangelnde Farbtreue und Beständigkeit der Fotos.

Während langen Jahren forschte Lippmann nach einem neuen Verfahren zwecks Anfertigung farbechter Fotografien. Wie in der Fotgarafie damals üblich, diente als Aufnahmemedium eine mit einer fotografischen Emulsion beschichtete Glasplatte. Diese stellte er aufrecht hin und benetzte die Emulsionsseite mit einem Quecksilberfilm.

Er belichtete die Glasplatte nach dem Prinzip der Camera Obscura durch eine Linse. Die Lichtstrahlen des Objekts fallen auf die Fotoplatte und durchdringen die Emulsionsschicht. Dabei werden die Lichtstrahlen durch den spiegelnden Quecksilberfilm reflektiert und interferieren in der Emulsion mit sich selbst. Im Anschluss wird das Bild auf der Glasplatte chemisch entwickelt und fixiert.

Das Lippmann-Verfahren fand weltweite Anerkennung, war aber aufgrund mehrerer Faktoren für eine kommerzielle Anwendung ungeeignet. So die Handhabung und die fehlende Möglichkeit von Reproduktionen. 1910 wurde seine Erfindung durch trichromatische Verfahren abgelöst.

Am 10. März würdigte PostPhilately Luxembourg den Nobelpreisträger Gabriel Lippmann mit einer Sonderbriefmarke aus der Feder der Luxemburger Künstlerin Anne Mélan. 

Ersttagesstempel aus Luxemburg vom 10.03.2020
Ersttagesstempel aus Luxemburg vom 10.03.2020