Sonntag16. November 2025

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NaturschutzLuxemburger Berichterstatter Roby Biwer beweist Mut im EU-Ausschuss der Regionen

Naturschutz / Luxemburger Berichterstatter Roby Biwer beweist Mut im EU-Ausschuss der Regionen
Berichterstatter Roby Biwer stellte die Stellungnahme vor dem Plenum vor. Seine Rede wurde als mutig bezeichnet. Foto: Robert Schneider

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Rechtlich verbindlich, mit konkreten Terminen versehen und nicht, wie bislang üblich, konservativ, sondern regenerativ ausgerichtet, so präsentiert sich die im Sommer 2022 vorgestellte „EU Nature Restoration Law“, die EU-Verordnung über die Wiederherstellung der Natur also, die zurzeit die diversen EU-Prozeduren durchläuft.

Zu diesen Prozeduren gehört die Verabschiedung einer Stellungnahme durch den Europäischen Ausschuss der Regionen. Es handelt sich hierbei um ein beratendes Gremium, das sich aus regionalen und lokalen Politikern zusammensetzt (Luxemburg ist durch sechs Mitglieder vertreten) und vom Parlament, der Kommission und dem Rat bei Themen konsultiert wird, die eben diese Regionen und Gemeinden betreffen.

Wie Roby Biwer, Vertreter der Gemeinde Bettemburg in dem Gremium, unterstreicht, ist die Bedeutung des Ausschusses während der letzten Jahre gewachsen. Die Meinung der Regionen werde stärker berücksichtigt, die Vorschläge des Komitees, die rein formal nicht bindend sind, würden stärker in die Beschlüsse des Parlaments einfließen. Und: Immerhin drei Viertel aller EU-Verordnungen und Beschlüsse haben einen regionalen Charakter, so Biwer, der während der 153. Plenarsitzung des Ausschusses der Regionen Berichterstatter zu der erwähnten EU-Verordnung über die Wiederherstellung der Natur war und diese Woche seinen Bericht durch das Gremium bringen konnte.

Es war nicht der einzige Diskussionspunkt während der zweitägigen Tagung im politischen Zentrum von Brüssel: Während der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj im Hauptgebäude des Parlaments begeistert empfangen wurde, referierte der Luxemburger Kommissar Nicolas Schmit über die Herausforderungen und notwendigen Fähigkeiten, die in der europäischen Automobilindustrie angesichts der breiten Umstellung auf E-Antriebe notwendig sind.

Ein Achtel der Arten vom Aussterben bedroht

Das EU-Renaturierungsgesetz will sich nicht nur dem potenziellen Verlust an Biodiversität entgegenstellen – etwa ein Achtel aller Tiere und Pflanzen (d.h. eine von acht Millionen Arten) sind auf EU-Gebiet vom Aussterben bedroht – sondern die Natur wiederherstellen, und das bis 2050.

Der Erhalt der Biodiversität ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit
Der Erhalt der Biodiversität ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit Foto: dpa/Hauke-Christian Dittrich

Wie Roby Biwer während seiner Rede vor dem Komitee unterstrich, seien zurzeit 80 Prozent der natürlichen Habitate in der EU in einem schlechten Zustand. Dabei würden gesunde Ökosysteme enormen Nutzen für die Menschen bedeuten, sei es durch frisches, sauberes Wasser und Luft, erneuerbare Energien, physisches und psychisches Wohlbefinden, gesunde Lebensmittel, die auf sauberen Böden produziert werden. Die Wiederherstellung der Ökosysteme sei dabei auch noch wirtschaftlich rentabel: Jeder Euro, der in solche Programme investiert werde, würde 8 bis 38 Euro Gewinn generieren.

Bislang sei auf diesem Gebiet allerdings zu wenig getan worden, so der Bettemburger Politiker, der auf das globale Biodiversitätsabkommen von Kinming/Montreal verwies, in dem sich 190 Länder dazu verpflichteten, dass bis 2030 insgesamt 30 Prozent der angegriffenen Ökosysteme zu Land, in Flüssen und Seen, an den Küsten und in den Meeren in einem effizienten Prozess der Wiederherstellung begriffen sein sollen.

In dem Kontext sei das Wiederherstellungsgesetz der EU zu sehen, das erstmals in der Geschichte eine proaktive Vorgehensweise statt einer rein erhaltenden Methode vorsieht.

Finanzielle und technische Unterstützung

Die EU-Kommission sieht bis 2030 unter anderem die Halbierung des Einsatzes von Pestiziden vor. In Schutzgebieten soll deren Einsatz ganz verboten werden. Jeweils 30 Prozent der Landes- und Meeresflächen sollen unter Schutz gestellt werden, auf mindestens 20 Prozent der Land- und Meeresflächen sollen konkrete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Natur durchgeführt werden, alle Ökosysteme sollen bis dahin auf den Weg der Erholung gebracht werden und bis 2050 sollen alle schützenswerten Systeme an Land und 90 Prozent jener in den Meeren in einen ökologisch guten Zustand gebracht werden.

Es sollen hierfür nationale Wiederherstellungspläne erarbeitet werden. Biwer unterstreicht die Bedeutung lokaler und regionaler Maßnahmen in seiner Stellungnahme und fordert eine starke finanzielle, aber auch technische Unterstützung in diesem regionalen Rahmen. Dies müssten auch die einzelnen Staaten berücksichtigen, die bei der Erstellung ihrer Pläne auf die Regionen und Gemeinden angewiesen seien. Schließlich kennen diese ihre Problembereiche am besten. Dies auch, weil die EU-Verordnung unter anderem vorsieht, dass es keinen Netto-Verlust an städtischen Grünflächen bis 2030 geben darf und dass bis 2050 gar eine Zunahme dieser Flächen um 10 Prozent verbucht werden muss. Auch die Wiederherstellung der Natur in urbaner Umgebung zum Wohl der Menschen wird hier besonders hervorgehoben.

Ein Beispiel einer aktuell bedrohten Art: der Feldhamster
Ein Beispiel einer aktuell bedrohten Art: der Feldhamster Foto: Freepik/vladimircech

66 Änderungsanträge zur Stellungnahme

Die Vorgehensweise im Rahmen der Plenarsitzung des Ausschusses der Regionen ist recht speziell. Die Stellungnahme wird im Vorfeld innerhalb der politischen Gruppierungen diskutiert, der Berichtersattter spricht während der Vollversammlung nur kurz zum Bericht, hat im Vorfeld aber bereits Kenntnis von den Änderungsanträgen der Mitglieder und legt eigene „amendements“, die meistens einen Kompromiss vorsehen, vor. In diesem Fall stimmte das Komitee über insgesamt 66 solcher Anträge ab, ehe das Werk mit großer Mehrheit angenommen wurde.

Allgemein wurde Roby Biwers Stellungnahme als „mutig“ bezeichnet, da sie teilweise Maßnahmen einforderte, die weiter gehen als das Kommissionspapier.

Vor der Abstimmung unterstrich der Berichterstatter, es gehe nicht um einzelne Zahlen, um Prozentsätze, die definieren, wie viel Natur wiederhergestellt werden soll, sondern vielmehr um das Prinzip selbst einer Wiederherstellung, das einen Paradigmenwechsel im Umgang mit der Natur bedeutet. Dass einzelne Abgeordnete des Ausschusses der Regionen auf die Besonderheiten ihrer Regionen und die damit verbundenen Umsetzungsschwierigkeiten aufmerksam gemacht hatten, konnte der allgemeinen Zustimmung zum Entwurf denn auch keinen Abbruch tun. Biwers Stellungnahme, mit allen darin enthaltenen Empfehlungen zur Umsetzung der hehren Ziele auf lokaler Ebene, die sicher unterm Strich eine Erleichterung dieser Umsetzung bedeuten, wird ihren Weg durch die europäischen Institutionen machen und so helfen, der stark angegriffenen Biodiversität eine Chance zur Renaissance zu geben.