Sonntag16. November 2025

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GroßbritannienLondoner Strategieinstitut IISS drängt Westen zu anhaltender Unterstützung der Ukraine

Großbritannien / Londoner Strategieinstitut IISS drängt Westen zu anhaltender Unterstützung der Ukraine
In der ukrainischen Stadt Irpin, nahe Kiew, geht eine Frau mit einem Kinderwagen an einem Haufen während der russischen Besatzung zerstörter Fahrzeuge vorbei Foto: Dimitar Dilkoff/AFP

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Angesichts hoher Verluste an Menschen und Material auf beiden Seiten stellt Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine die Widerstandskraft des Westens auf die Probe. Zu diesem Schluss kommen britische Ex-Militärs sowie die Experten des Londoner Strategieinstituts IISS.

Insbesondere die Rüstungsindustrie in Europa brauche zur dringend nötigen Produktionssteigerung von Waffen und Munition rasche Vorgaben der Politik. Partner ebenso wie Kontrahenten von USA und Europa würden „sehr genau darauf schauen, wie dauerhaft die Unterstützung für die Ukraine ausfällt“, sagte IISS-Direktor John Chipman bei der Vorstellung des Jahrbuchs „Military Balance“. Klar sei aber auch: „Für Russland stellt der Krieg ein politisches und militärisches Versagen dar.“

London und Washington hatten vor Jahresfrist frühzeitig vor dem bevorstehenden Angriff gewarnt und Kiew schon vor Kriegsausbruch Waffen geliefert, als andere NATO-Mitglieder noch zögerten. Zwei Frachtflugzeuge aus England mussten damals aus diplomatischer Rücksicht den deutschen Luftraum meiden. Bis heute liegen die Angloamerikaner in der Breite ihrer Unterstützung vorn, wenn auch kleinere Verbündete wie Polen und die baltischen Staaten der Ukraine einen größeren Anteil ihrer Bestände überlassen haben.

Die Erfolgsaussichten der russischen Offensive beurteilen die IISS-Fachleute vorsichtiger als noch vor Jahresfrist. Damals war von einem „raschen Schlag“ der stark überlegenen russischen Streitkräfte die Rede. Inzwischen betont der Armee-Experte Ben Barry den Abnutzungscharakter des Krieges. Für eine erfolgreiche Gegenoffensive plane die Ukraine mit mindestens zehn Brigaden, wofür rund 1.000 gepanzerte Fahrzeuge bis hin zu Kampfpanzern benötigt würden. Bisherigen Ankündigungen zufolge wollen westliche Verbündete bis zum Sommer lediglich ein Viertel davon liefern. „Wir müssen ein zweites blutiges Jahr erwarten“, glaubt der frühere Brigadegeneral.

Sehr hohe russische Verluste

Zu diesen Erwartungen in London trägt bei, dass die unerwartet schwache Leistung der Armee einstweilen zu keinem Umdenken im russischen Generalstab geführt hat. Anstatt Flankenangriffe zu versuchen, bleibe Moskau bei der aus dem Zweiten Weltkrieg stammenden Taktik, den Gegner mit massivem Artilleriefeuer zu zermürben, analysiert Ex-General Richard Barrons. Der Krieg hänge in der Balance: „Das liegt mehr an Russlands Unfähigkeit zur Verbesserung als an ukrainischen Fähigkeiten“, sagte der gelernte Artillerist der BBC. Barrons war bis 2016 Leiter des britischen Joint Forces Command (JFC) und damit zuständig für gemeinsame Auslandseinsätze der drei Waffengattungen Armee, Marine und Luftwaffe.

Der hochangesehenen IISS-Datenbank zufolge hat der Angreifer rund 50 Prozent seiner modernen Panzer vom Typ T-72 eingebüßt. Die vierte Garde-Panzerdivision habe sogar zwei Drittel ihrer T-80-Panzer verloren. Ein neuer NATO-Bericht beschreibt die verheerenden Verluste an russischen Soldaten: Für jeden Geländegewinn von rund 100 Metern im Osten der Ukraine würden 2.000 Männer getötet oder gefechtsunfähig verletzt. Allerdings geht der Ukraine bei einem täglichen Einsatz von 5.000 Granaten rapide die Munition aus, weshalb sich ein Treffen von NATO-Verteidigungsministern diese Woche vor allem um Lösungen zur Überwindung von Nachschub-Engpässen drehte.

In den letzten Tagen sprachen unbestätigte Medienberichte davon, Russland werde in der nächsten Phase des Krieges verstärkt Flugzeuge und Helikopter einsetzen. Dem IISS-Luftfahrtexperten Douglas Barrie zufolge würde dies in der Logik der Kriegsführung liegen. Nach anfänglichen erheblichen Verlusten vermied der Aggressor im vergangenen Jahr lang das Eindringen in den ukrainischen Luftraum, beschränkte sich vielmehr auf Angriffe mit Raketen und iranischen Drohnen aus der Sicherheit des eigenen Territoriums. Darauf haben sich die Ukrainer mit Hilfe westlicher Waffen zunehmend eingestellt.

Schlechte Versorgung der Streitkräfte

Gelang ihnen an einem Oktobertag der Abschuss von 52 Prozent der angreifenden Flugkörper, so lag die Rate vergangene Woche bei 86 Prozent. Zusätzlich erhält Kiew nun die hochmodernen Patriot-Abwehrraketen aus deutschen, niederländischen und US-Beständen.

Den Wunsch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nach westlichen Kampfjets hat London bisher ebenso zurückhaltend aufgenommen wie die meisten NATO-Verbündeten. In der öffentlichen Diskussion steht mehr und mehr die schlechte Versorgung der eigenen Streitkräfte im Mittelpunkt. Verteidigungsminister Ben Wallace – dem Ex-Offizier werden Ambitionen auf die Nachfolge Jens Stoltenbergs als NATO-Generalsekretär nachgesagt – braucht dringend bis zu 12,4 Milliarden Euro zusätzlich, um bestehende Waffenprogramme fortschreiben zu können. Im Finanzministerium von Ressortchef Jeremy Hunt herrscht große Skepsis gegenüber der Ausgabedisziplin der Waffenbeschaffer.

Auf dem Spiel steht auch Großbritanniens Glaubwürdigkeit als das nach Militärausgaben zweitgrößte Mitglied der NATO. Während der Oberbefehlshaber in Europa seit jeher Amerikaner ist, besetzt die Vizerolle traditionell ein Brite. Sollten Frankreich oder Deutschland zukünftig mehr ausgeben als die Briten, könnten sie Anspruch auf den Prestigeposten erheben.

Beobachter
17. Februar 2023 - 8.55

Wenn der letzte Ukrainer verheizt ist und Selenskys allein an der Front auf die US Freunde wartet, die aber den Boden nicht betreten da sie nicht Kriegspartei sein wollen, dann wird der Krieg zu Ende sein.......Die Millionen Flüchtlinge kommen auch nicht zu Hilfe, die Ukraine wird Geschichte sein.

JJ
17. Februar 2023 - 8.39

Dazu braucht man kein Institut. Wenn wir die Ukraine jetzt fallen lassen war alles umsonst.Putin wartet nur darauf.Und wenn er schon dabei ist,warum nicht weiter gen Westen?