Lichtverschmutzung an WeihnachtenLichtberater plädiert für Weihnachtsbeleuchtung in Maßen 

Lichtverschmutzung an Weihnachten / Lichtberater plädiert für Weihnachtsbeleuchtung in Maßen 
Auch in Luxemburg ist die Sicht auf den Sternenhimmel wegen der hohen Lichtverschmutzung verdeckt. Sogar im Ösling hängt eine Dunstglocke über den Ortschaften. Foto: Naturpark Our/Pol Bourkel

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Menschen mögen Licht, Dunkelheit bekämpfen sie mit Kerzen, Leuchten und Lampen. Jahr für Jahr wird unsere Umgebung im Schnitt um vier Prozent heller, die Lichtverschmutzung nimmt zu. Mit entsprechenden Folgen für Mensch und Umwelt. Dabei ist weniger manchmal mehr, wie Daniel Gliedner, der Lichtberater aus dem Naturpark Our kurz vor Weihnachten feststellt. Sein Rat: Licht in Maßen.

Blinkende Lichterketten, große Leuchtsterne und bunte Weihnachtsmänner lassen Luxemburg auch dieses Jahr wieder im festlichen Glanz erstrahlen. In den Fenstern, Gärten und auf den Balkonen sollen Lichter, Lämpchen und blinkende Sternchen für die passende Stimmung und eine gemütliche Atmosphäre sorgen. Fantasie und Kreativität sind kaum noch Grenzen gesetzt – dank LED und der neuesten Lichttechnik. Allerdings müssen mancherorts die besinnlichen Motive den Fluten an Blinklichtern und grell beleuchteten Weihnachtsmotiven weichen.

Zu Licht haben Menschen eine durchweg positive Einstellung: Sonnenschein macht gute Laune, Licht vermittelt Sicherheit und eine festliche Lichterkette als Weihnachtsbeleuchtung stimmt fröhlich. Die negativen Folgen einer zu hellen Umgebung werden aber oft verkannt. Aus diesem Grund versuchen die Verantwortlichen des Naturparks Our dieses Jahr, auf die Gefahren der Lichtverschmutzung aufmerksam zu machen. An Weihnachten, aber auch allgemein.

„Von Lichtverschmutzung spricht man, wenn künstliche Lichtquellen den Nachthimmel aufhellen“, erklärt Daniel Gliedner. Seit zwei Jahren ist der gelernte Beleuchtungsexperte im Naturpark Our als Lichtberater tätig. Seine Aufgabe: Aufbau, Umsetzung und Betreuung einer regionalen Lichtberatung für die anliegenden Gemeinden, Bürger und Betriebe. „Der Mensch verbindet Licht mit Sicherheit“, stellt der Experte fest. Leider betreibe die Menschheit seit fast 300 Jahren eine regelrechte Lichtinflation.

Früher gingen Menschen eine Woche lang arbeiten, um sich eine Kerze leisten zu können. Innovation und Technik hätten aber dafür gesorgt, dass immer mehr Licht zu immer billigeren Preisen produziert werde, so Gliedner. Die Folge sei der sogenannte Rebound-Effekt: Je tiefer die Energiekosten, umso höher der Lichtkonsum. „LED-Lampen sind zum Beispiel energiesparender und effizienter als Glühlampen. Aber genau weil wir das wissen, setzen wir mehr davon ein und erzeugen auch immer mehr Licht“, erklärt der Berater.

Die (un)sichtbaren Folgen

Jahrhunderte lang habe der Sternenhimmel der Menschheit als Navigationsquelle gedient. „Wenn wir aber so weitermachen, dann kennen die Kinder den Sternenhimmel in ein bis zwei Generationen nur noch aus Büchern und Filmen“, stellt der Lichtberater fest. Wolken am Himmel sowie Staubpartikel in der Luft streuen das Licht, wodurch auch ein Teil zurück auf die Erdoberfläche reflektiert wird. „Über den Städten und Industriestätten hängt eine Art Lichtglocke, der Himmel erscheint eher gräulich und man sieht kaum noch Sterne, weil diese überstrahlt werden“, so Gliedner.

So weit die „sichtbaren“ Folgen der Lichtverschmutzung. „Was man nicht sieht, sind die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen und Menschen“, gibt der Experte zu bedenken. Neben der Verwendung von Insektiziden ist die Beleuchtung etwa eine der wesentlichen Ursachen für das Insektensterben. Der Bestand sei in den letzten Jahrzehnten um bis zu 90 Prozent zurückgegangen, erklärt Gliedner. „Das muss man mal sacken lassen!“, so der Berater.

Im deutschen Kiel zum Beispiel sind allein in einer Nacht an den 20.000 Straßenleuchten rund 4,5 Millionen Insekten zugrunde gegangen. Dabei handelt es sich allerdings um eine Studie, die bereits 20 Jahre alt ist. Inzwischen dürften die Folgen noch weitaus schwerer ausfallen. Auch für Vögel ist die Beleuchtung im Allgemeinen verwirrend. Zugvögel können sich nicht mehr am Sternenhimmel orientieren, kreisen desorientiert um Flutlichter und Laserstrahler, bis sie kraftlos vom Himmel fallen. Künstliches Licht kann bei nachtaktiven Tierarten zudem das Fortpflanzungsverhalten und die Nahrungssuche stören.

Pflanzen erhalten auch falsche Signale von künstlichem Licht. „In der Nacht wird Pflanzen und Bäumen etwa vorgegaukelt, es sei Tag. Ähnliches gilt auch für die Jahreszeiten: Im Winter erleiden Bäume Frostschäden, weil sie immer noch Laub tragen“, erklärt Gliedner. In manchen Städten seien die Folgen besonders deutlich: Die Bäume seien alle kahl, bis auf den einen Ast unter einer Straßenleuchte. „Der trägt noch Blätter“, so der Berater.

Man sollte nicht übertreiben mit der Weihnachtsbeleuchtung, rät Daniel Gliedner. Etwas weniger ist manchmal mehr. 
Man sollte nicht übertreiben mit der Weihnachtsbeleuchtung, rät Daniel Gliedner. Etwas weniger ist manchmal mehr.  Foto: dpa/PA Wire/Danny Lawson

Erst eine Kerze, dann zwei oder drei

Bekannter sind die Folgen künstlichen Lichts für Menschen, wenn auch nur bis zu einem gewissen Grad. Übermäßiges künstliches Licht stört zum Beispiel die Nachtruhe. Dabei dient der gesunde Schlaf der Regeneration und ermöglicht lebenswichtige Vorgänge im Körper. „Eine dunkle Nacht wäre für uns deutlich gesünder“, stellt Gliedner fest. Bedarfsgerecht eingesetztes Licht wirkt sich indessen positiv auf die Lebens- und Wohnqualität aus.

Auch seien die Langzeitfolgen der LED-Beleuchtung immer noch nicht ganz absehbar. Je nach Qualität der LED-Leuchten können die Frequenzen beispielsweise Epilepsie-Krisen auslösen. Wissenschaftlern des französischen Instituts für Gesundheit und Medizinforschung zufolge kann der hohe Anteil blauen Lichts in LED-Lampen zudem die altersbedingte Makuladegeneration fördern. Mit anderen Worten: Blaues Licht in LED-Lampen lässt die Augen schneller altern.

„Wir wissen also noch nicht genau, welche Folgen das blaue Licht in LED-Lampen langfristig hat. Ersten Erkenntnissen zufolge könnte aber die Netzhaut beschädigt und das Absterben von Sehnerven gefördert werden“, meint Gliedner. Leider werde man aktuell geradezu überflutet von LED-Licht. „Ohne die Langzeitfolgen zu kennen“, so der Lichtberater weiter.

Ganz abschalten sollte man dennoch nicht. Eher in Maßen „genießen“ wie viele andere Dinge auch. „Wir wollen den Leuten jetzt nicht den Spaß an der Weihnachtsbeleuchtung nehmen“, erklärt Gliedner. „Die gehört zum Fest einfach dazu. Doch müssen die Lichterketten und blinkenden Weihnachtsmänner unbedingt die ganze Nacht über leuchten?“, gibt der Berater zu bedenken. In dieser Hinsicht schaffe eine Zeitschaltung bereits Abhilfe.

„Wir raten zum Beispiel, die Beleuchtung nach 22 Uhr auszuschalten. Zu dieser Zeit ist sowieso kaum noch jemand draußen unterwegs, um sich an der Deko zu erfreuen“, empfiehlt Gliedner. Überhaupt sollte man auch generell seine private Beleuchtung unbedingt auf ein sinnvolles Niveau herunterschrauben.

LED sei nun auch nicht hochgefährlich. „Man sollte sich nur etwas kritisch mit der Materie auseinandersetzen und sich vor dem Kauf etwas informieren“, legt der Berater nahe. Ausschlaggebend sei etwa die Lichtfarbe: je wärmer das Licht, desto besser. Auch die Helligkeit trügt: In diesem Zusammenhang erwähnt Daniel Gliedner ein kleines Experiment, das er vor Kurzem bei einem Nachtspaziergang in Differdingen ausgeführt habe.

Der Spazierweg ist mit einer LED-Anlage versehen, die aus der Ferne bedient werden kann. „Ohne dass die Teilnehmer es wussten, haben wir die Helligkeit während des Spazierganges graduell von 100 auf 50 Prozent verringert. Wir haben die Leute gefragt, ob es dunkler geworden sei, was sie überwiegend verneint haben! Sie haben es also nicht gemerkt“, so Gliedner. Anschließend habe man bei null, also in kompletter Dunkelheit begonnen und die Lichter nach und nach heller geschaltet.

„Die Teilnehmer sollten uns mitteilen, ab wann es für sie hell genug sei, um sich sicher zu fühlen. Dabei lagen wir weit entfernt von den 100 Prozent“, stellt der Lichtberater fest. Deshalb der Rat an die Leser: „Lasst uns bei null anfangen und erst mal eine Kerze anzünden, dann zwei oder drei. Wenn es bei der dritten Kerze hell genug erscheint, ist es genau das, was man braucht.“

M.Thiel
13. Dezember 2020 - 9.37

An DanV: die spektrale Zusammensetzung des Lichtes einer Kunstlichtquelle ist wesentlich besser als Entscheidungskriterium geeignet, als die alleinige Betrachtung ihrer Farbtemperatur. Genau diese Information ist der Lösungsansatz für viele der im Bericht genannten Aspekte. Ein Beispiel eines LED Chip Herstellers, zum « Einlesen »: http://www.seoulsemicon.com/en/technology Und sonst kann ich dem Interessierten nur raten: zum Lichtfachhandel / Spezialisierten Installateur gehen.

trotinette josy
10. Dezember 2020 - 19.36

Was wird in diesem Lande eigentlich noch in Massen betrieben? Manchmal bewirkt ein moralisch erhobener Zeigefinger, auf eine Gefahr aufmerksam machend und demnach warnend, mehr als eine langatmige Aufklärungskampagne., die eh die meisten nicht verstehen ( wollen ) oder ignorieren.

DanV
10. Dezember 2020 - 11.55

Bestimmt würden viele Verbraucher gerne insektenfreundlicheres Licht einsetzen. Nur gibt es so gut wie keine Informationen oder sehr widersprüchliche darüber. Und im Handel wird bei Lichterketten oft nicht mal die genaue Farbtemperatur (Kelvin) angegeben, sondern nur "warmweiß", was jeder Hersteller anders interpretieren darf, weil warmweiß für 2000-3300 Kelvin steht (oder auch 2500 bis 3000 - die Angaben variieren). Zum Vergleich: eine Kerze strahlt mit 1500 Kelvin, eine 200-Watt-Glühbirne mit 3000 Kelvin, Quelle Wikipedia. Wer hätte sich denn früher eine 200-Watt-Birne in die Wohnzimmerlampe geschraubt, damit's "warmweiß" gemütlich wird? Und was den Menschen anbelangt: ich hab eine altmodische 25-Watt-Glühbirne in meiner Bett-Leselampe, denn ich finde keine einzige E14- oder E27-LED die unter 2700 Kelvin strahlt. Ich hab's probiert: mit 2700 Kelvin bleibe ich hellwach. Anstatt den moralischen Zeigefinger zu heben, hätte dieser Artikel Aufklärungsarbeit leisten können! Aber das kann ja noch kommen.

J.Scholer
10. Dezember 2020 - 11.55

Ob der Lichtberater sich wohl der digitalen Technik , der digitalen Medien bedient? Falls ja , ist er Teil des Problems des CO2 Ausstoßes. Es dürfte bekannt sein, auch wenn die „App and Bytes „ Lobby dies abstreiten will, gibt es mehr als genug wissenschaftliche Studien renommierter Universitäten zum Thema des CO2 Ausstoßes ,der digitalen Technik enorm ist. In diesen düsteren Pandemiezeiten farbenfrohes , erleuchtetes Weihnachtsfest.

GéBé
10. Dezember 2020 - 10.50

Naturpark Lichtberater ! Was es nicht so alles an interessanten mir unbekannten Berufen in unserem Land gibt ! Nehme an mit Mastertitel der neuen Escher Universität , oder ?