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Forum / Lëtzeboia schwätze Lëtzeboiaasch
 Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Sprache dient der Kommunikation. Wirklich? Diese Lappalie ist einsturzgefährdet. Eine neue Doktrin macht sich breit: Sprache ist eine Waffe in der Hand der besessenen Patrioten. Mit Sprache kann man vorzüglich spalten, ausgrenzen, diskriminieren. Wer geschickt das Sprachschwert schwingt, darf sich als Herr und Meister im eigenen Land fühlen. Die revidierte Lesart lautet: Sprache dient dem Kampf gegen Anderssprachige.

Betrachten wir zwei Beispiele. Der Extremlëtzeboia Fred Keup (ADR) wollte im Parlament eine ebenso sinnlose wie überflüssige Debatte über das angebliche Verschwinden der Luxemburger Sprache lostreten. Mit diesem Unterfangen ist er krachend gescheitert. Er berief sich auf „Fakten“, operierte aber nur mit abenteuerlichen Mutmaßungen. Die große Mehrheit der Abgeordneten ließ sich nicht aufs Auge drücken. Keup wurde massiv desavouiert und ausgelacht. Das hindert ihn nicht daran, auf Teufel komm raus an seinem Untergangsnarrativ festzuhalten.

Keup: „Dat ass mir komplett wurscht“

Er ist der Mann, der ungehemmt und unverfroren – ganz nach dem Vorbild des Diktators in spe Donald Trump – Fakten zu Meinungen degradiert. Unvergessen bleibt sein entlarvender Auftritt in der 100,7-Sendung „Invité vum Dag“ (3. Oktober 2023). Vom Journalisten Rick Mertens auf „dokumentéiert Fäll“ angesprochen, die ADR-Mitglieder beim Exhibieren von Nazisymbolen und Verschwörungsinsignien zeigen, antwortet Keup: „Dat mengt Dir.“ Der Journalist hakt nach und unterstreicht: „Dat ass keng Meenung, dat ass e Fakt.“ Darauf Keup: „Dat ass dann Är Meenung, mir hunn do eng aner.“ Als der Journalist erneut auf die Faktenlage verweist, fällt ihm Keup ins Wort: „Dat ass mir komplett wurscht.“ Krasser könnte er die Essenz seines politischen Programms nicht zusammenfassen.

Diese Mechanik der systematischen Faktenleugnung verkehrt Keup bei seinem Lëtzeboiaasch-Parlamentssolo interessanterweise ins scheinbare Gegenteil: Diesmal erklärt er seine private Meinung zum unumstößlichen Fakt. Er will den Abgeordneten weismachen, sein gefühlter Sprachpessimismus sei in Wirklichkeit wissenschaftlich belegt. Auch dieser methodische Eiertanz verfängt nicht. Auf Einsicht oder zumindest leise Zweifel hofft man bei Keup vergebens. Wenn Fakten ihm nicht in den Kram passen, erklärt er sie kurzerhand zu bloßen Meinungsäußerungen.

Fakt ist, dass sehr viele Menschen ohne Luxemburger Nationalität für die national geeichten Lëtzeboia arbeiten. Würden sie ausfallen oder wegbleiben, wäre der bornierte, windschiefe Nationalstolz à la Keup abrupt erledigt. Anders gesagt: Die Nationalität ist überhaupt kein Kriterium für Leistungsfähigkeit. Ebenso wenig wie die Sprache taugt sie dazu, etwas über menschliche Qualitäten auszusagen. Sogenannte „Gastarbeiter“, die weder Luxemburger sind noch Lëtzeboiaasch beherrschen, sichern uns verwöhnten Eingeborenen die Existenz. Diese maßgebliche Grundlage ignoriert Keup gezielt. Seine simple Botschaft heißt: Lëtzeboiaasch ist bedroht, und da Lëtzeboiaasch die wesentliche Komponente der Lëtzeboia ist, sind auch die Lëtzeboia bedroht. Und wer bedroht uns? Natürlich „die Ausländer“.

Bollwerk gegen die „Überfremdungswelle“

Kommen wir zum zweiten Beispiel. Im vergangenen Jahr wurde erstmals der vom Meisch-Ministerium geschaffene „Nationale Präis fir d’Verdéngschter ëm d’Lëtzebuerger Sprooch“ verliehen. Hinter dem pompösen Titel verbirgt sich ein unklarer Inhalt. Denn die Frage ist ja: Wann und wie macht sich einer um die Sprache verdient? Worum geht es hier? Sollen Heimattümler, Orthografieerbsenzähler und Traditionsverherrlicher ausgezeichnet werden? Oder heißt „Verdienst um die Sprache“ nicht vielmehr: Entscheidend ist, was mit Sprache ausgedrückt wird? Ist die Sprache ein Instrument für reaktionären, rückwärtsgewandten und fremdenfeindlichen Stuss oder eine Stütze für den sinnvollen, vernünftigen und fairen Diskurs?

Es fällt auf, dass die leidenschaftlichsten Sprachpropagandisten in der Regel die konservativsten Ideologen sind. Der erste Nationalpreisträger Lex Roth macht hier keine Ausnahme. In seiner alarmistischen Postille „Eng Klack fir eis Sprooch“ wird er nicht müde, immer wieder antiquierte Redewendungen anzuhäufen, nur um seine Leserschaft mit kaum verhohlener Schadenfreude aufzufordern: „Dann iwwersetzt mer dat emol an eng aner Sprooch.“ Die Absicht ist eindeutig. Das verdutzte Publikum soll feststellen: Das geht ja gar nicht! Unser zutiefst originelles Lëtzeboiaasch kann man nicht übersetzen! Nein, wie einmalig! Wie unnachahmlich!

Der Trugschluss folgt auf dem Fuß: Wir sind unschlagbar tolle Hechte. Wir verfügen über ein reiches Arsenal von unübersetzbaren Ausdrücken. Unübersetzbar heißt zugleich unvermittelbar. Wir wollen unsere Sprachperlen nicht vor die Säue werfen. Lieber bleiben wir die großen Unverstandenen. Die Luxemburger Sprache ist unser Bollwerk, hinter dem wir uns verschanzen, wenn die „Überfremdungswelle“ rollt. Wir befinden uns im Krieg mit den mächtigeren Sprachen. Lëtzeboiaasch ist unser Geheimcode, mit dem wir die zugewanderten Sprachfeinde austricksen. Wer uns nicht versteht, kann nicht zu uns gehören. Völker, hört die Signale und lernt Lëtzeboiaasch! Wenn ihr euch weigert, zahlt ihr die Zeche: Kein Zutritt zu dieser kleinen Sippe von egozentrischen Sprachverschworenen.

Übrigens lässt auch Herr Keup in einem ADR-Reklamefaltblatt die Katze aus dem Sack: „Besonnesch muss och de Sproochenniveau, fir déi Lëtzebuerger Nationalitéit ze kréien, eropgesat ginn.“ Je höher die Hürden für Ausländer, umso eher bleiben wir unter uns. Die Fremden werden sich am Lëtzeboiaasch die Zähne ausbeißen. Schön für uns, wir dürfen uns der ungestörten Nabelschau widmen. Die Sprache dient dabei nur als Schraubstock für Nicht-Lëtzeboia. Sie wird zweckentfremdet und verhunzt.

Guy Rewenig ist Schriftsteller. Sein aktuelles Buch im Binsfeld-Verlag heißt „La coupe est pleine“.<br />
Guy Rewenig ist Schriftsteller. Sein aktuelles Buch im Binsfeld-Verlag heißt „La coupe est pleine“.