Samstag25. Oktober 2025

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„Jonk gréng“„Leider leben wir nicht in einer idealen Welt“: Kris Hansen über Klima, Militarisierung und Opposition

„Jonk gréng“ / „Leider leben wir nicht in einer idealen Welt“: Kris Hansen über Klima, Militarisierung und Opposition
Kris Hansen ist seit Februar 2024 Ko-Sprecher von „déi jonk gréng“ Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Niemand scheine mehr die Verbindung herstellen zu wollen zwischen extremen Wetterphänomenen und dem Klimawandel, bedauert Kris Hansen (27), Ko-Sprecher von „déi jonk gréng“. Dass die Mutterpartei Aufrüstung unterstütze, sei zwar nicht ideal, doch die Entscheidung, dass alle Seiten die Waffen beiseitelegen, liege nicht in unserer Hand.

Tageblatt: Als die Grünen in Luxemburg noch an der Macht waren, haben Jugendliche monatelang für Klimagerechtigkeit demonstriert. Jetzt, da die Rechten in Europa und auch in Luxemburg Klima- und Umweltstandards abschwächen, ist kaum noch Protest zu hören. Ist die Klimakrise jetzt vorbei?

Kris Hansen: Sie ist den Menschen anscheinend nicht mehr so wichtig, was sehr schade ist, denn die Klimakrise ist eigentlich ständig präsent. Sie hängt über uns wie ein Damoklesschwert. Vielleicht wollen wir sie nicht wahrhaben, obwohl sie so extrem ist wie noch nie. Irgendwann wird sie uns um die Ohren fliegen. Die Demonstrationen existieren noch, nur sind sie kleiner geworden. 

Wann wird denn in Luxemburg noch für Klimaschutz demonstriert?

Am „World Earth Day“ finden noch Proteste statt. „Youth for Climate“ hat sich meines Wissens nach aufgelöst. Als die sehr engagierte erste Generation zum Studuieren ins Ausland ging, kam keine zweite nach. Während Covid sind die Proteste zurückgegangen. 

Niemand scheint noch die Verbindung herstellen zu wollen zwischen Hochwasser, Rekordtemperaturen, Waldbränden einerseits und dem Klimawandel andererseits

Es scheint als hätten andere Kämpfe wie die für die Befreiung von Gaza und die Anerkennung Palästinas den Kampf gegen den Klimawandel abgelöst. Haben die Prioritäten von jungen Menschen sich in den vergangenen Jahren verschoben?

Durch den Rechtsruck sind in vielen Ländern Klimagegner an die Macht gekommen. Das führt dazu, dass weniger über Klimaschutzmaßnahmen gestritten wird, weil keine neuen beschlossen werden. Im Gegenteil: Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen werden eher gelockert. Die EU-Kommission bekämpft aktiv den Schutz des Waldes und den Schutz des Wolfes, weil Ursula von der Leyens Pony von einem Wolf gerissen wurde. Das führt dazu, dass die Menschen diese Themen weniger auf dem Schirm haben. Das dürfte eigentlich nicht so sein. Klimakatastrophen ereignen sich überall in Europa, doch niemand scheint noch die Verbindung herstellen zu wollen zwischen Hochwasser, Rekordtemperaturen, Waldbränden einerseits und dem Klimawandel andererseits. Diese Verbindung scheint verschwunden zu sein und keiner hat bislang herausgefunden, wie sie wiederhergestellt werden kann.

Auch bei den Grünen in Luxemburg hat man den Eindruck, dass der Klimawandel gegenüber anderen Themen etwas in den Hintergrund gerückt ist. Wird parteiintern darüber diskutiert?

Bei den meisten Themen, für die wir uns einsetzen, denken wir den Klimaschutz mit. Vielleicht ist er etwas ins Hintertreffen geraten, weil es aktuell große politische Baustellen gibt, die den Menschen wichtiger erscheinen. Ich kann mich aber nicht daran erinnern, dass ein Grüner jemals bemängelt hätte, die Partei setze sich zu sehr fürs Klima ein. 

Wurde bemängelt, sie setze sich zu wenig fürs Klima ein?

Ja, doch in der Opposition kann eine Partei nicht so viel bewirken wie in der Regierung. 

Die Grünen haben Wurzeln in der Friedensbewegung. 2018 wurde François Bausch schon kritisiert, als er das Verteidigungsressort übernahm, später, als er die Erhöhung des NATO-Beitrags auf zwei Prozent des Bruttonationaleinkommens befürwortete. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine unterstützen die Grünen die Aufrüstungspläne in Europa fast vorbehaltlos. Ist eine andere Friedenspolitik heute nicht mehr möglich?

Diese Frage stellen wir uns oft. In den Medien wird Pierre Moos häufig als Friedensgewissen der Grünen dargestellt, weil er beim letzten Kongress der Parteispitze öffentlich widersprach. In einer idealen Welt würde ich an seiner Seite stehen, doch leider leben wir nicht in einer idealen Welt. Leider sind wir immer noch eine kleine Partei im kleinen Luxemburg, wir sind nur Beifahrer in einer Welt, in der wieder aufgerüstet wird, wo das Gesetz des Stärkeren immer häufiger militärisch ausgefochten wird. In dieser Welt gehört es dazu, dass man sich verteidigen können muss. Selbst wenn man hofft, dass es nie so weit kommen wird. 

Wir sind uns alle einig, dass wir Aufrüstung nicht haben wollen. Doch die Entscheidung, dass alle Seiten die Waffen beiseitelegen, liegt leider nicht in unserer Hand.

Die KPL, Teile der Linken und der ADR plädieren für Friedensgespräche mit Putin, für Abrüstung statt Aufrüstung. Wäre dieser Diskurs bei den Grünen heute noch denkbar?

Wir sind uns alle einig, dass wir Aufrüstung nicht haben wollen. Doch die Entscheidung, dass alle Seiten die Waffen beiseitelegen, liegt leider nicht in unserer Hand. Wenn nur wir es tun, sind wir nachher diejenigen, die „gebiischt“ sind. Ich mag den Begriff „Realo“ nicht, doch manchmal muss man eben ein bisschen realistisch sein. 

Nach Premier Luc Friedens Ankündigungen zur Rentenreform in der Rede zur Lage der Nation haben „déi jonk gréng“ mitgeteilt: „Déi Jonk ginn ausgenotzt, fir dass déi Al weiderhin op Pomp am Floribus liewe kënnen.“ Inzwischen liegen andere Vorschläge auf dem Tisch – acht Monate Beitragsverlängerung statt fünf Jahren, die Beiträge sollen um einen halben Prozentpunkt erhöht werden. Kommen die Jungen damit besser weg? 

Die neuen Vorschläge sind besser als die aus der Rede zur Lage der Nation, doch vollends zufrieden sind wir damit nicht. Wenn man die Beitragszeit erhöht, sind es die Jungen, die den größten Teil ihrer Lebenszeit dafür hergeben müssen – mehr als diejenigen, die jetzt schon in Rente oder nah dran sind. Das ist nicht gerecht. Oft wird das damit begründet, dass die Lebenserwartung steigt. Das mag stimmen, doch das bedeutet nicht, dass man auch gesünder lebt – dass jemand, der heute 65 ist, gesünder ist als jemand, der vor 30 Jahren 65 war. Uns geht es darum, dass man die Rente noch bei guter Gesundheit genießen, noch etwas erleben kann. Und nicht – überspitzt ausgedrückt – vom Arbeitsplatz direkt ins Alters- oder Pflegeheim kommt, wo man dreimal am Tag gefüttert wird. Deshalb schlagen wir vor, dass die Beiträge weiter erhöht werden. Fairer, als Lebenszeit zu opfern, ist, wenn jeder ein bisschen Geld abgibt. Sollte es trotzdem eng werden in der Rentenkasse, kann man eine Vermögenssteuer einführen. Damit könnten zudem die enormen materiellen Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft abgebaut werden. 

Nach hohen Verlusten bei den letzten Kammerwahlen sind „déi gréng“ seit zwei Jahren in der Opposition. Seitdem wirken sie wieder engagierter, vor allem in sozialen Fragen. Bei der letzten „Sonndesfro“ kamen sie auf sieben Sitze, drei mehr als bei den Kammerwahlen. Hat der Gang in die Opposition der Partei gutgetan? 

Natürlich ist man immer froh, wenn die eigene Partei mitregiert, doch wenn die Grünen noch ein paar Jahre länger in der Regierung geblieben wären, hätten sie vielleicht einen Weg eingeschlagen, der nicht gut für sie gewesen wäre. Vor den letzten Wahlen hatten „déi jonk gréng“ die Dreierkoalition mehrmals öffentlich kritisiert. Seit die Grünen in der Opposition sind, ist auch ihre Jugendorganisation zufriedener mit ihrer Politik. Es hätte nicht so weit kommen müssen, dass ein gewisser Sinneswandel erst eingesetzt hat, als wir in der Opposition gelandet sind. Hätte er vorher stattgefunden, hätten wir den Stimmenverlust vielleicht begrenzen können. Allgemein war die Opposition eine gute Sache, auch wenn manche Lektionen noch zu lernen bleiben.

Welche Lektionen?

Lange Zeit habe ich kritisiert, dass es in Zeiten, in denen ein Rechtsruck durch die Gesellschaft geht, nicht die intelligenteste Taktik für eine grüne Partei sei, sich zur Mitte hin zu orientieren. Diese Diskussion hatten wir vor und nach den letzten Kammerwahlen, auch zu den Wahlen in Deutschland, weil Robert Habeck eine ähnliche Strategie verfolgte, die schließlich nicht ganz aufging. 

Wenn Klima- und Umweltthemen wegen Kriegen, ausbleibender Konjunktur, steigender Armut in den Hintergrund rücken, was müssen die Grünen tun, um in Zukunft noch politisch relevant zu bleiben? 

Ich denke schon, dass wir weiterhin politisch relevant sind, weil wir quasi die Einzigen sind, die Klima und Umwelt noch thematisieren. Vor sechs, sieben Jahren, als Klima noch ein Hype war, behaupteten sämtliche Parteien von sich, irgendwie grün zu sein. Inzwischen sieht man deutlich, welche Parteien es noch sind und welche nicht. 

Vielleicht gibt es inzwischen Probleme, die den Alltag der Menschen unmittelbarer beeinträchtigen.

Wer keine Wohnung hat, ist davon selbstverständlich direkter betroffen als von einigen überdurchschnittlich heißen Sommertagen oder weniger Schnee im Winter. Klimakatastrophen treten punktuell auf. Ich bin heute noch schockiert von den Überschwemmungen am 1. Juni 2018 in Greiweldingen, weil meine Mutter dadurch ihre Arbeit in der Verwaltungsabteilung einer Baufirma verloren hat. Meine Familie wurde gewissermaßen Opfer der Klimakrise. Die Menschen nehmen die Klimakrise allgemein nicht wahr, denn es waren nur die Greiweldinger, die sie erlebt haben. Vieles im Dorf war zerstört, glücklicherweise gab es keine Toten zu beklagen. Drei Dörfer weiter war alles intakt. Deshalb betrifft die Klimakrise diese Einwohner nicht. Bis eine Katastrophe sie auf einmal selbst trifft.

Zur Person

Seit Februar vergangenen Jahres ist Kris Hansen (27) Ko-Sprecher von „déi jonk gréng“, im März wurde er (neben Iness Chakir) in seinem Amt bestätigt. Zurzeit absolviert er ein Bachelor-Studium in Luxemburgistik an der Uni Luxemburg. Im Juni 2023 kandidierte Kris Hansen bei den Gemeindewahlen in der Sektion Bous der Fusionsgemeinde Bous-Waldbredimus, am Ende fehlten ihm 64 Stimmen, um in den Gemeinderat gewählt zu werden.

Mit der früheren Ko-Sprecherin der „jonk gréng“, Tammy Huberty, beim Grünen-Kongress im Oktober 2024
Mit der früheren Ko-Sprecherin der „jonk gréng“, Tammy Huberty, beim Grünen-Kongress im Oktober 2024 Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Grober J-P.
19. August 2025 - 8.48

"Bachelor-Studium in Luxemburgistik an der Uni Luxemburg."
Wieso das denn, Bachelorstudium Umwelt und Bioressourcenmanagement gibt es wohl nicht? H. Hansen, schnell umsatteln.
"Als die sehr engagierte erste Generation zum Studuieren ins Ausland ging, kam keine zweite nach." Und die "Unbegabten" mussten sich um ihre nackte Existenz kümmern.
Eine gesunde Umwelt muss man sich leisten können. Zu Putins und Tramps Zeiten ist das wohl nicht mehr drin.