EditorialLegale Migrationswege kommen in der EU-Debatte zu kurz

Editorial / Legale Migrationswege kommen in der EU-Debatte zu kurz
Mehr als 2.500 Menschen sollen laut UNO bislang in diesem Jahr im Mittelmeer beim Versuch, nach Europa zu gelangen, ertrunken sein Foto: AFP/Matias Chiofalo

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Die EU-Innenminister haben sich bei ihrem Treffen am Donnerstag weitgehend auf eine gemeinsame Position betreffend die sogenannte Krisenverordnung geeinigt. Sollte in diesen Tagen auch noch den Vorbehalten Italiens Rechnung getragen werden – Rom stört sich vor allem daran, dass aus Deutschland finanzierte Seenotrettungsorganisationen Migranten ins Land bringen –, könnten die Verhandlungen über das gesamte Reformpaket der EU-Asyl- und Migrationspolitik mit den Vertretern des EU-Parlaments (EP) fortgesetzt werden.

Bis zu den Europawahlen im Mai kommenden Jahres wollen sich die EU-Mitgliedstaaten und die EP-Abgeordneten in der Sache einigen. Manches dürfte dann seit dem spätestens 2015 eingetretenen Durcheinander in der europäischen Migrationspolitik klarer sein. Mit den neuen Regelungen wird jedoch etwas Wesentliches nicht verhindert: dass weiterhin jährlich Tausende Menschen versuchen werden, von den Küsten Afrikas nach Europa zu gelangen. Dem ist auch nicht mit der vor allem von konservativer bis rechtspopulistischer und rechtsextremer Seite erhobenen Forderung, die „EU-Außengrenze besser zu schützen“, beizukommen. So wie sie jüngst wieder erhoben wurde, als an wenigen Tagen Tausende Menschen auf Lampedusa ankamen und die dortigen Helfer überforderten.

Mit solchen Sprüchen kann vielleicht die eigene Wahlklientel beeindruckt, Tatendrang und Entschlossenheit demonstriert werden. Für die Praxis sind sie jedoch nur begrenzt tauglich. Denn wenn einmal Hunderte bis Tausende Menschen auf Seelenverkäufern mitten auf See unterwegs sind oder vor Europas Küsten auftauchen, helfen auch keine zusätzlichen Grenzschützer. Diese Menschen müssen dann aufgenommen und versorgt werden. Es sei denn, „die EU-Außengrenze besser schützen“ ist bloß eine euphemistische Umschreibung für ein Zurückdrängen der Flüchtlingsboote aufs offene Meer, mit allen Konsequenzen. Das – hoffentlich – will niemand.

Was in all den Jahren in der Debatte um die gemeinsame EU-Asyl- und Migrationspolitik viel zu kurz kam, ist eine Diskussion, mit anschließenden Vorschlägen dazu, wie legale Wege vor allem für Arbeitsmigranten in die EU geschaffen und ausgeweitet werden könnten. Wenn letztlich dennoch jährlich Zehntausende sogenannte „irreguläre Migranten“ in den EU-Staaten aufgenommen werden und die Rückführung abgewiesener Asylsuchender bei weitem nicht im gewünschten Maße gelingt, warum sollten dann nicht gleich begrenzte Kontingente an ausreise- und arbeitswilligen Menschen aus den Zuwandererländern aufgenommen werden? Möglichst anhand von Abkommen mit diesen Ländern, was vermutlich die Rückführung abgelehnter Asylsuchender erleichtern würde.

Die Attraktivität solcher Abkommen könnte mit zusätzlichen Unterstützungen etwa für das Bildungs- und Gesundheitswesen der Herkunftsländer der Migranten gesteigert werden. Das würde dazu beitragen, die Fluchtursachen zu bekämpfen, das zu tun EU-Politiker seit Jahren versprechen. Legale Zuwanderungsmöglichkeiten würden den Druck auf beiden Seiten mindern. Vor allem aber könnten Leben gerettet werden, wenn viele Menschen die Aussicht hätten, auch sicher in die EU zu gelangen.