Shoperöffnung in Zeiten von CoronaLaure Cales startete ihren Secondhandladen Pilea unter ganz besonderen Bedingungen

Shoperöffnung in Zeiten von Corona / Laure Cales startete ihren Secondhandladen Pilea unter ganz besonderen Bedingungen
Nach zwei Monaten der improvisierten Online-Präsenz durfte Pilea seine Türen am 11. Mai endlich richtig öffnen Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Aller Anfang ist schwer, diese Aussage würde wohl auch Laure Cales sofort unterschreiben. Der Eröffnung ihres neuen Secondhandshops Pilea im März kam Corona in die Quere, die Pläne der jungen Unternehmerin verschoben sich dadurch zwei Monate nach hinten. Nun kann der Laden endlich Kundschaft empfangen, auch wenn die Hürden der Krise noch lange nicht aus dem Weg geräumt sind.

Gebrauchte Kleider, Kaffee und Kuchen to go, Schnittblumen – in Laure Cales’ Secondhandshop hat sich ein kleines Paradies für all jene eingenistet, die es gerne „vintage“ mögen und dabei einen nachhaltigen Gedanken unterstützen. Bereits über 1.000 Instagram-Follower zählt die junge Ladenbesitzerin zu ihrer Community, doch auch sie bekam die Nebeneffekte der Corona-Krise deutlich zu spüren. Ursprünglich hatte die 29-Jährige geplant, Ende März ihre Eröffnung zu feiern. Knapp eine Woche vor Start verkündete Luxemburgs Regierung dann aber die Hiobsbotschaft: Läden werden bis auf Weiteres geschlossen. „Ich musste das erst einmal verdauen. Seit Monaten stand ich dauerhaft unter Strom, um alles zu planen und organisieren. Es dauerte dann schon eine Woche, bis ich runterkommen konnte“, sagt Laure.

Bei ihrer Ware setzt Laure Cales auf Nachhaltigkeit und schenkt Kleidern von Privatpersonen ein zweites Leben
Bei ihrer Ware setzt Laure Cales auf Nachhaltigkeit und schenkt Kleidern von Privatpersonen ein zweites Leben Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Die Lust auf Selbstständigkeit bestand bei der 29-Jährigen schon immer, konkret wurde die Idee für ihren Laden allerdings erst vor einem Jahr: „Eine Freundin von mir kam von der Uni zurück nach Luxemburg und fragte mich, wo es denn hier Secondhandkleider gebe. Da die meisten Geschäfte aber eher Luxusklamotten verkaufen, hatten wir die Schnapsidee, selbst etwas zu eröffnen.“ Original als Online-Shop gedacht, konkretisierte sich bei Laure schnell der Gedanke eines richtigen „Buttek“, denn neben Kleidern wollte die junge Unternehmerin ebenfalls Kaffee und Kuchen anbieten. Im Sommer wurde sie dann fündig: mit dem zweistöckigen Lokal in der städtischen rue Glesener fand Laure genau das, was sie für ihren Laden brauchte.

Information via Insta-Stories

Neben administrativen Vorbereitungen, der Renovation ihres neuen Reiches mithilfe von Freund und Schwiegervater sowie Schulungen zu Unternehmerschaft und Horeca-Voraussetzungen stand für die Besitzerin von Pilea die letzten Monate vor allem die Sortierung ihrer Kleider an der Tagesordnung. „Es ist in meinem Fall extrem viel Hintergrundarbeit gefragt, denn einen Secondhandladen zu betreiben, bedeutet nicht, nur vor Ort Kleider zu verkaufen“, so Laure. Besonders während der Quarantäne schien es eine der neuen Lieblingsbeschäftigungen der Luxemburger zu sein, ihren Kleiderschrank auszumisten, sodass der Vorrat von Pilea mittlerweile aus allen Nähten platzt. Eine Tatsache, die der jungen Selbstständigen zwar zeitweise den Stressschweiß in den Nacken trieb, für das Überleben ihres Ladens während des Lockdowns allerdings vital war: „Vom ersten Tag der Maßnahmen an habe ich einen Online-Sale über Facebook und Instagram gestartet. Ich wurde zwar nicht von Kaufanfragen überrannt, aber wenn etwas Cooles dabei war, dann habe ich es auch verkauft.“

Zudem hat Laure sich mehrere spontane Ideen einfallen lassen, um auch außerhalb des Shops mit ihrer Kundschaft verbunden zu bleiben. „Ein persönliches Anliegen von mir ist es, meine Klientel über die Kleiderindustrie aufzuklären. Über Social Media kann man schnell viele Menschen erreichen und da ich vor Pilea politische Arbeit geleistet habe, brennt es natürlich in mir, auch weiterhin ein Zeichen zu setzen“, erklärt die 29-Jährige. Vier Jahre lang war sie bei „natur&ëmwelt a.s.b.l.“ aktiv und koordiniert auch aktuell noch während acht Stunden pro Woche die Plattform „Meng Landwirtschaft“. Eine Aktivität, durch die Laure über die Jahre hinweg ein starkes Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Umweltschutz entwickelt hat, das sie auch bei Pilea weiterleben lassen will: „In meinen Insta-Stories informiere ich beispielsweise über alternative Kleidermaterialien wie Lyocell, auch Tencel genannt, das hier noch nicht so bekannt ist. Die meisten Leute denken immer, dass Baumwolle super ist und Polyester Schrott. Das ist aber nicht ganz so simpel, es gibt viele Nuancen und auch recycelter Polyester hat seine Daseinsberechtigung.“

Zweites Leben für Kleider

Ein Grundwissen nicht nur für die Marken der Kleider zu generieren, sondern ebenfalls für den Wasserverbrauch bei ihrer Herstellung, den Abbau der Textilien oder die Bedingungen, unter denen sie produziert werden – all dies sieht Laure als ihre Mission, denn das gesamte Konzept von Pilea beruht auf einer ökologischen Prämisse. Genau aus diesem Grund kauft Laure ihre Ware auch nicht auf Märkten im In- und Ausland, wie es zahlreiche ihrer Secondhand-Kollegen tun, sondern schenkt Klamotten ein zweites Leben, die sonst in der Luxemburger Kleidertüte gelandet wären. „Neuerdings habe ich ebenfalls eine Kollaboration mit Akabo. Teile, die lange in ihrem Lager liegen und nicht an den Mann gebracht werden, verkaufe ich bei mir für einen niedrigeren Preis. So habe ich mittlerweile auch einige Fair-Fashion-Stücke in meinem Sortiment“, verrät Laure.

Kaffee und Kuchen gibt es aktuell nur zum Mitnehmen, denn Essen im Lokal ist derzeit noch verboten
Kaffee und Kuchen gibt es aktuell nur zum Mitnehmen, denn Essen im Lokal ist derzeit noch verboten Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Und auch bei ihren Pflanzen und Kuchen setzt die Unternehmerin auf Alternativen. Gebacken wird zu Hause selbst, meist mit veganen oder glutenfreien Zutaten, Zimmerpflanzen stammen vom holländischen Vertreiber „Ogreen“ und sind besonders luftreinigend und anstelle von kurzlebigen Schnittblumen gibt es bei Pilea nur getrocknete Blüten, die lange für Freude sorgen. „Die Idee dazu kam mir ebenfalls spontan, da die Leute während des Lockdowns nicht im Shop Kleider anprobieren oder Kuchen essen durften, dafür aber durch Deko ihr Zuhause verschönern konnten.“ Doch trotz viel Kreativität, Geschenkgutscheinen und Unterstützung seitens ihrer Community sind die zwei Monate Schließung auch an Pilea nicht spurlos vorbeigezogen. „Vom 14. März bis zum 30. April konnte ich nur online Kleider verkaufen, danach habe ich zwei-, dreimal den Shop für coffee & cake to go geöffnet und erst seit dem 11. Mai kann ich normal arbeiten. Finanziell ist das sehr schwer zu stemmen, vor allem da ich bisher noch keinen Umsatz gemacht habe und mir so die Hilfe vom Staat in Höhe von 5.000 Euro nicht zusteht. Meine Miete muss ich aber trotzdem weiter zahlen“, erklärt Laure.

Eine unfaire Kettenreaktion

Für die Maßnahmen aufgrund von Corona habe sie vollstes Verständnis, dennoch sieht sie bei den Folgen Ungleichheiten zwischen den einzelnen betroffenen Parteien: „Es kann doch eigentlich nicht sein, dass Banken weiterhin normal ihre Darlehen zurückbezahlt bekommen, die Besitzer von Lokalen ihre Ausgaben durch die Einnahmen der Mieten decken und die Einbußen so an den Mietern hängen bleiben. In einer sanitären Krise müssten doch alle zusammen die finanziellen Probleme stemmen und nicht nur die, die hinten in der Kette stehen.“ Die spezielle Hilfe für Selbstständige hat Laure mittlerweile erhalten, doch auch hier haperte es anfangs, da ihr Business zwar seit Februar ans „Centre commun“ angegliedert war, dies aber erst kürzlich offiziell eingetragen wurde, sodass die Anfrage für staatliche Unterstützung für Pilea erst letzte Woche rausgehen konnte.

Obwohl schon so manche Kundschaft den Weg in die rue Glesener gefunden hat, spürt auch Pilea die fehlenden Arbeitskräfte in der Stadt aufgrund des verbreiteten Home-Office
Obwohl schon so manche Kundschaft den Weg in die rue Glesener gefunden hat, spürt auch Pilea die fehlenden Arbeitskräfte in der Stadt aufgrund des verbreiteten Home-Office Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

„Demnächst wird man wohl noch einen zweiten Antrag stellen dürfen, aber auch mit den zwei Hilfsbeträgen zusammen lassen sich zwei Monate Miete in Luxemburg-Stadt niemals decken. Ohne Ersparnisse ist man momentan als Unternehmer wirklich schlecht dran“, meint die 29-Jährige. Für Pilea hatte Laure Gott sei Dank einen finanziellen Puffer vorgesehen, dennoch wird es auch nach der Wiedereröffnung der Geschäfte dauern, bis wieder alles seine Normalität findet. „Es sind außergewöhnliche Zeiten und man muss sich da erst reinfühlen. Viele sind aktuell noch im Teletravail, sodass nach der Arbeit nur wenig Kundschaft erscheint. Es wird sich also noch zeigen müssen, wie das Geschäft nach der Krise läuft.“ 

Konzepte für die Zukunft

Die Solidarität unter Gleichgesinnten ist dabei jedoch groß, Shopbesitzer unterstützen sich gegenseitig und machen Werbung für ihre Leidensgenossen. Laure selbst hätte mit der Wiedereröffnung der Geschäfte lieber noch etwas gewartet, um auch wirklich „safe“ zu sein: „Einerseits brennt man natürlich darauf, endlich öffnen zu dürfen. Das ist auch das Einzige, an das man Tag und Nacht denkt. Andererseits hat man die letzten Monate gesehen, wie es in anderen Ländern zuging und ich habe schon vor der Verkündung der Maßnahmen seitens der Regierung gesagt, dass ich unter diesen Umständen nicht öffnen möchte. Ich wollte nicht auf meine Kappe nehmen, falls jemand in meinem Laden krank geworden wäre.“ Trotz etwas flauem Gefühl im Magen freut sich Laure mittlerweile über jeden Kaffee und Rock, der über ihre Theke geht, und hofft für die Zukunft auf ein Umdenken: „Es wäre schön, wenn wir durch die Krise wieder sehen würden, was wirklich wichtig ist und dass man auch weniger verschwenderisch leben kann. Ich denke, dass Konzepte wie das von Pilea die Zukunft sind, denn wir alle müssen unbedingt nachhaltiger werden.“

Für Start-ups und Unternehmer

Hilfe bei der Planung und Konkretisierung eines Projektes: www.nyuko.lu; Hilfe für Unternehmer und Selbstständige: www.houseofentrepreneurship.lu; Informationen zu den möglichen Hilfen für Start-ups während der Krise: www.startupluxembourg.com

Öffnungszeiten

dienstags, donnerstags und freitags von 11.00 bis 16.00 Uhr, mittwochs und freitags von 13.00 bis 18.30 Uhr

Leila
22. Mai 2020 - 8.57

Schade für Laure Cales dass der Artikel kostenpflichtig ist. Es wäre ein nettes Eröffnungsgeschenk (nach der Enttäuschung) als Gratisreklame vom Tageblatt gewesen. Zumindest die Adresse sollte zu sehen sein.