Geht es um Kulturpolitik in Luxemburg, führt kein Weg an ihm vorbei: Jo Kox empfängt das Tageblatt im Büro der Focuna. Er gestaltet die luxemburgische Kulturszene seit den 1990er Jahren mit – ob als Direktor des „Casino Luxembourg – Forum d’art contemporain“ oder als Koordinator des ersten nationalen Kulturentwicklungsplans (2018). Bis 2024 war er Regierungsberater im Kulturministerium, heute ist er in Rente. Zurückgezogen hat er sich nicht: Kox präsidiert weiterhin die Verwaltungsräte von Focuna und „Kultur | lx“.
Er weiß um die Unruhen im Escher Kulturverein „frEsch“, die zuletzt zum Austritt von „déi Lénk“ aus dem Verwaltungsrat und juristischen Schritten gegen das Kunstkollektiv Richtung22 führten. Auch die Polemik um das Kulturzentrum „Spektrum“, ausgelöst durch die Entlassung der Direktorin Teena Lange im Jahr 2024, ist ihm bekannt. Besonders betroffen zeigt er sich von den Vorwürfen gegen die Direktorin des „Mudam“ Bettina Steinbrügge: Ihr werden u.a. schlechte Führungskompetenzen nachgesagt. 2021 gehörte Kox dem Verwaltungsrat des „Mudam“ kurzzeitig selbst an. Weder dort noch als Regierungsberater will er offizielle Beschwerden erhalten haben.
Causa Mudam
„Ich bin schockiert über die Aggressivität der Debatte“, sagt er stattdessen. „Der interne Schriftverkehr zwischen Ministerien und Vertretern ihrer öffentlichen Einrichtungen hat meiner Meinung nach nichts in der Öffentlichkeit verloren.“ Spinnen wir den Gedanken weiter, drängt sich die Frage auf: Spricht Kox sich also gegen „Whistleblowing“ und investigative Recherchen aus? „Welche konkreten Vorwürfe werden den Direktorinnen und Direktoren von ‚frEsch‘, ‚Spektrum‘ oder dem Mudam eigentlich gemacht?“, wehrt er ab. „Mir ist keine Straftat bekannt und derzeit liegen auch keine Klagen vor.“
Der Verwaltungsrat des Mudam gab wegen interner Spannungen im Herbst 2024 ein Audit in Auftrag. Im Januar trat Patrick Majerus u.a. wegen falscher Anschuldigungen gegen seine Person und aus Frust über das Management zurück. Die Abgeordnetenkammer forderte Anfang Mai erfolgreich die Einsicht in die Ergebnisse des Audits und verlangte mehr Transparenz von Kulturminister Eric Thill (DP). Im Zuge der Debatte wurde Thill gar der Lüge bezichtigt, weil er Patrick Majerus’ Rücktrittsschreiben – Eigenaussagen nach irrtümlicherweise – als privat bezeichnete.
Der interne Schriftverkehr zwischen Ministerien und Vertretern ihrer öffentlichen Einrichtungen hat meiner Meinung nach nichts in der Öffentlichkeit verloren
Kox verteidigt den Minister, der seit seinem Amtsantritt 2023 mehrfach für seine Passivität (u.a. in der Causa „Spektrum“ sowie bei der Ausweisung des Künstlers Alborz Teymoorzadeh) in der Kritik stand. „Der Kulturminister ist in einem Öffentlichkeitsbereich aktiv und dadurch sichtbarer als seine Kolleginnen und Kollegen“, sagt Kox. „Diese Präsenz steht in keinem Verhältnis zum Budget des Kulturministeriums, das dieses Jahr unter einem Prozent des gesamten Staatshaushalts liegt.“ Müsste Thill dennoch schneller und klarer Position zu kulturpolitischen Konflikten beziehen? „Eindeutig“, bestätigt Kox.
Trotzdem geht er in Bezug auf das Mudam scharf mit den Abgeordneten ins Gericht. „Was will die Abgeordnetenkammer mit einem internen Dokument, das vertrauliche Informationen enthält?“, kontert er. „Das ist eine Frage an die Politik, auf die ich eine Antwort verlange.“ Das Mudam, eine öffentliche Kulturinstitution, bezieht dieses Jahr 9,6 Millionen Euro vom Kulturministerium – staatliche Gelder, die das Interesse der Abgeordneten sowie der Bevölkerung an den Missständen innerhalb der Institution rechtfertigen, oder?
Nein, findet Kox und macht den Unterschied: „Wenn die Regierung ein Audit zu einer öffentlichen Institution in Auftrag gibt, hat die Abgeordnetenkammer das Recht, das Dokument einzusehen.“ Dies sei im Mudam aber nicht der Fall. „Die Initiative ging vom Verwaltungsrat aus: Die Analyse ist daher vertraulich. Durch die Veröffentlichung riskieren wir, dass keine Einrichtung es mehr wagt, eine interne Bestandsaufnahme durchzuführen.“
Vertrauensbrüche
Für Kox gilt: „Ein Verwaltungsrat muss die Institution und das Personal nach außen hin schützen. Das ist seine Aufgabe. Es geht nicht um die Verteidigung persönlicher Interessen.“ Das Audit zum Mudam offenbart derweil, dass die Konflikte im Museum vielfältig sind: Das Museumspersonal steht unter Druck, die Kündigungen häufen sich, die Hierarchien wurden unterwandert und die Verantwortungsbereiche sind unklar. Umstände, die auf strukturelle Probleme schließen lassen. Kox hält dennoch an seiner Position fest. „Der Verwaltungsrat des Mudam hat nie kollektiv und öffentlich Stellung bezogen“, präzisiert er. „Die ganze Debatte basiert auf Majerus’ Rücktritt – einer subjektiven Entscheidung.“
Allgemein mangele es in Luxemburg an geeigneten Personen für Verwaltungsräte. Kox plädiert deshalb für entsprechende Ausbildungsmöglichkeiten, besonders für die Vertretungen der Zivilgesellschaft. Gleichzeitig brauche es klare Gesetzestexte: „Was ist die Mission eines Verwaltungsrats? Was fällt in den Aufgabenbereich der Direktion?“ Es dürfe nicht zu Vermischungen kommen. „Der Vorstand des Verwaltungsrats darf sich nicht als Institutsleitung aufspielen“, betont Kox. „Ich bin auch gegen Verwaltungsratsmitglieder mit politischem Mandat.“
Damit bezieht er sich auf die gemeindegeführten Kulturvereine „frEsch“ und „Spektrum“. Der Verwaltungsrat von „frEsch“ bestand zuletzt aus Vertretungen der Oppositionsparteien und dem Kulturschöffen Pim Knaff (DP) als Präsident – eine Umstrukturierung wurde am Freitag im Escher Gemeinderat vorgestellt, die neuen Mitglieder wurden noch nicht genannt. Dem Verwaltungsrat von „Spektru1m“ gehören drei Mitglieder des Rümelinger Gemeinderats an, darunter die Präsidentin Carole Marx (LSAP, Präsidentin der Kulturkommission) und der Kulturschöffe Jimmy Skenderovic (LSAP). „Politische Diskussionen aus dem Gemeinderat drohen sich auf die Verwaltung regionaler Kulturzentren zu übertragen“, befürchtet Kox.
Zum Scheitern verurteilt?
Dass es derzeit ausgerechnet in der Kulturszene rumort, wundert ihn derweil nicht. „Öffentlichkeitsarbeit ist der Kern der Kulturvermittlung“, sagt er, „und die Szene ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Zu schnell, vielleicht.“ Er blickt auf die kommunale Kulturpolitik. „Es herrscht Konkurrenzdruck: Die Gemeinden wollen sich gegenseitig übertreffen.“ Scheitern die Verantwortlichen dabei an zu hoch gesteckten Zielen? Das streitet Kox ab, lobt die Kulturarbeit von Esch, Luxemburg-Stadt, Düdelingen und Differdingen. Er bricht sogar eine Lanze für Pim Knaff: „Wir müssen ihm hoch anrechnen, wie viel Geld unter seiner Führung in die Escher Kulturinstitutionen fließt.“ Welche Kultur finanziert werde, bleibe sowohl auf nationaler wie auch auf lokaler Ebene immer ein Diskussionsgegenstand, so Kox.
Die Gemeindemütter und -väter müssen sich bewusst sein: Eine Kulturinstitution aufzubauen, ist nur der Anfang. Die wahre Herausforderung ist es, sie langfristig zu verwalten.
Nach einer Forderung des KEP sollen Gemeinden auch deswegen ihre eigene Kulturentwicklungsstrategie ausarbeiten. Bisher kamen nur Esch und Differdingen dem nach. „Nicht jede Gemeinde braucht solch ausführliche Pläne wie Esch“, sagt Kox. Die Stadt Luxemburg verzichte beispielsweise darauf und setze auf ihren „Service culturel“. Die eigentliche Challenge kommunaler Kulturpolitik ist für Kox ohnehin eine andere: „Die Gemeindemütter und -väter müssen sich bewusst sein: Eine Kulturinstitution aufzubauen, ist nur der Anfang. Die wahre Herausforderung ist es, sie langfristig zu verwalten.“
Die Berichte über die Missstände in den Kulturhäusern seien jedenfalls kontraproduktiv und eine Gefahr für den gesamten Kulturbetrieb, moniert er. „Das Kulturprogramm erreicht derzeit nur einen kleinen Teil der Bevölkerung“, merkt Kox an. „Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welchen Mehrwert es für die breite Öffentlichkeit hat, über interne Konflikte in Museen informiert zu werden. Solche Berichte könnten vielmehr das Vertrauen in unsere Kulturinstitutionen schwächen und ihre Attraktivität mindern.“
De Maart

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