ForumKünstliche Intelligenz gegen menschliche Dummheit

Forum / Künstliche Intelligenz gegen menschliche Dummheit
 Foto: Marco Bertorello/AFP

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Seit meiner Rückkehr von der diesjährigen Tagung des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos wurde ich wiederholt nach meinen wichtigsten dort gewonnen Erkenntnissen gefragt. Zu den meistdiskutierten Themen gehörte in diesem Jahr die künstliche Intelligenz – insbesondere die generative KI. Angesichts der jüngsten Einführung großer Sprachmodelle (wie dem, das ChatGPT antreibt) gibt es große Hoffnungen und viel Hype in Bezug darauf, welchen Beitrag die KI künftig zu Produktivität und Wirtschaftswachstum leisten könnte.

Zur Beantwortung dieser Frage müssen wir im Hinterkopf behalten, dass unsere Welt viel stärker durch menschliche Dummheit beherrscht wird als durch künstliche Intelligenz. Die wachsende Zahl an Megathreats – die jeweils ein Element innerhalb der umfassenderen „Polycrisis“ darstellen – bestätigt, dass unsere Politik zu zerrüttet ist und unsere politischen Strategien zu fehlgeleitet sind, um selbst den schwerwiegendsten und offensichtlichsten Zukunftsrisiken zu begegnen. Dazu gehören der Klimawandel, der enorme wirtschaftliche Kosten nach sich ziehen wird, gescheiterte Staaten, die die Flut der Klimaflüchtlinge zusätzlich anschwellen lassen werden, und wiederholte bösartige Pandemien, die wirtschaftlich noch schwerere Schäden anrichten könnten als Covid-19.

Verschlimmert wird die Sache dadurch, dass gefährliche geopolitische Rivalitäten sich zu neuen kalten Kriegen – wie zwischen den USA und China – und potenziell explosiven heißen Kriegen wie in der Ukraine und im Nahen Osten auswachsen. Die wachsende, teilweise durch die Hyperglobalisierung und arbeitssparende Technologien angetriebene Einkommens- und Vermögensungleichheit hat eine Gegenreaktion auf die liberale Demokratie ausgelöst, die populistischen, autokratischen und gewalttätigen politischen Bewegungen Spielräume eröffnet.

Nicht aufrechtzuerhaltende private und öffentliche Schuldenstände drohen, Schulden- und Finanzkrisen auszulösen, und womöglich werden wir sogar eine Rückkehr der Inflation und stagflationäre negative Schocks bei der Gesamtnachfrage erleben. Der allgemeine Trend geht weltweit in Richtung Protektionismus, Entglobalisierung, Entkoppelung und weg vom Dollar.

Zerstörerisches Potenzial

Darüber hinaus haben dieselben wunderbaren neuen KI-Technologien, die zu Wachstum und menschlichem Wohl betragen könnten, zugleich großes zerstörerisches Potenzial. Sie werden schon jetzt genutzt, um in großem Umfang Falschinformationen und „Deepfakes“ zu verbreiten und Wahlen zu manipulieren, und sie werfen Befürchtungen über eine dauerhafte technologische Arbeitslosigkeit und noch drastischere Ungleichheit auf. Die wachsende Verbreitung autonomer Waffen und KI-gestützter Cyber-Kriegsführung ist gleichermaßen besorgniserregend.

Für die vom Glanz der KI geblendeten Teilnehmer in Davos standen die meisten dieser Megathreats nicht im Fokus. Das ist nicht überraschend. Der WEF-Zeitgeist ist nach meiner Erfahrung ein Gegenindikator für die Richtung, in die sich die Welt tatsächlich bewegt. Politiker und Wirtschaftslenker kommen nach Davos, um für ihre Bücher zu werben und Plattitüden von sich zu geben. Sie verkörpern herkömmliche Weisheiten, die häufig auf einem Rückblick auf globale und makroökonomische Entwicklungen beruhen.

Als ich auf der WEF-Tagung 2006 warnte, dass eine globale Finanzkrise im Anmarsch sei, wurde ich daher als Schwarzmaler abgestempelt. Und als ich 2007 prognostizierte, dass viele Staaten des Euroraums bald mit staatlichen Verschuldungsproblemen konfrontiert sein würden, wurde ich vom italienischen Finanzminister heruntergeputzt. Im Jahr 2016, als alle mich fragten, ob der Crash am chinesischen Aktienmarkt eine harte Landung ankündigte, die eine Wiederholung der globalen Finanzkrise auslösen würde, argumentierte ich – korrekt –, dass China eine holprige, aber kontrollierte Landung hinlegen würde. Zwischen 2019 und 2021 war das Modethema in Davos die Kryptoblase, die 2022 zu platzen begann. Dann verlagerte sich der Fokus auf sauberen und „grünen“ Wasserstoff, eine weitere Mode, die bereits wieder am Abklingen ist.

Menschenähnliche Merkmale

Was die KI angeht, so besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass diese Technologie die Welt in den kommenden Jahrzehnten tatsächlich verändern wird. Doch der Fokus des WEF auf die generative KI scheint schon jetzt verfehlt, da die KI-Technologien und -Branchen der Zukunft weit über diese Modelle hinausgehen werden. Man denke etwa an die fortlaufende Revolution im Bereich der Robotik und Automation, die in Kürze zur Entwicklung von Robotern mit menschenähnlichen Merkmalen führen wird, die lern- und Multitasking-fähig sein werden, so wie wir. Oder man bedenke, was die KI für die Biotechnologie, die Medizin und letztlich die menschliche Gesundheit und Lebenserwartung tun wird. Nicht weniger faszinierend sind die Entwicklungen bei den Quantencomputern, deren Verschmelzung mit der KI letztlich fortschrittliche Kryptografie- und Cyber-Sicherheits-Anwendungen hervorbringen wird.

Dieselbe langfristige Perspektive sollte man auch bei den Klimadebatten anlegen. Es wird zunehmend wahrscheinlich, dass erneuerbare Energien – die zu langsam wachsen, um einen wesentlichen Unterschied zu machen – oder teure Technologien wie CO₂-Abscheidung und -Speicherung und „grüner“ Wasserstoff das Problem nicht lösen werden. Stattdessen könnten wir, sofern in den nächsten 15 Jahren ein kommerzieller Fusionsreaktor gebaut werden kann, eine Revolution bei der Kernfusion erleben. Im Verbund mit preiswerten Entsalzungs- und Landwirtschaftstechnologien würde uns diese Quelle im Überfluss erhältlicher, preiswerter und sauberer Energie in die Lage versetzen, jene zehn Milliarden Menschen zu ernähren, die Ende dieses Jahrhunderts unseren Planeten bevölkern werden.

Welt zum Besseren verändern

In ähnlicher Weise werden bei der Revolution im Bereich der Finanzdienstleistungen nicht dezentralisierte Blockchains oder Kryptowährungen im Mittelpunkt stehen, sondern sie wird jene Art von durch die KI ermöglichter zentralisierter Finanztechnologien umfassen, die schon jetzt Zahlungssysteme, Kreditvergabe und -allokation, das Versicherungsgeschäft und die Vermögensverwaltung verbessern. Die Materialwissenschaft wird zu einer Revolution im Bereich neuer Komponenten, der 3D-Druck-gestützten Fertigung, der Nanotechnologien und der synthetischen Biologie führen. Die Erkundung und wirtschaftliche Nutzung des Weltraums wird uns helfen, den Planeten zu retten und Wege zur Schaffung außerplanetarischer Lebensweisen zu entwickeln.

Diese und viele andere Technologien könnten die Welt zum Besseren verändern – aber nur, wenn wir es schaffen, ihre negativen Nebenwirkungen zu steuern, und nur, wenn sie zur Bekämpfung all der Megathreats genutzt werden, mit denen wir konfrontiert sind. Es ist zu hoffen, dass die künstliche Intelligenz eines Tages die menschliche Dummheit überwinden wird. Aber sie wird nie Gelegenheit dazu erhalten, wenn wir uns vorher selbst vernichten.

* Nouriel Roubini, emeritierter Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Stern School of Business der New York University, ist Chefökonom und Mitbegründer von Atlas Capital Team.

Aus dem Englischen von Jan Doolan. Copyright: Project Syndicate, 2024. www.project-syndicate.org.

Romain
12. Februar 2024 - 10.55

KI Vertrauen ist unreal. Ich traue meinem Auto auch nicht dass dieser selber bremst

max.l
9. Februar 2024 - 14.14

oh mei, dat gët jo eng schrecklëch Zukunft.. ëch perséinlëch sën nët fiir eng KI am Grousse a Ganzen, wann schon, da just fiir déi dreckesch Aarbëchten zë man.. hei dës Läscht hat ëch an zwouëg ugeruf, an do huët de KI-Männchen mër ëmmer Eppes verziëlt wat absolut kee Sënn gemach huët, do hun ëch rëm agehang och eng Kéier bäi enger Ëmfrô, dee "Klabautermann" huët mër andauernd falsch Äntwërte gin op mol verschidde Frôën hin.. ëch duëcht, wat huët dee Mann, huët dee gesoff?! (ëch hat guër nët un ee KI-Männchen geduërcht) wann dat ons Zukunft gët -Nee Merci-

Sick
9. Februar 2024 - 12.41

" Wenn KI wirklich so intelligent wäre wie man sagt,dann würde sie uns die Arbeit überlassen." (Dieter Nuhr). " Da schaffen wir so schlaue Maschinen wie den PC oder das Flatscreen um anschließend davor zu verblöden." ( J.Beckers ).