Rund 250 Teilnehmer, vier Festnahmen und keine Zwischenfälle: So in etwa lässt sich die offizielle Mitteilung der Polizei zu den Protesten am Samstagnachmittag in Luxemburg-Stadt zusammenfassen. Die Polizei sei zur Stelle gewesen, um die Lage zu überwachen und die Demonstranten zu umrahmen, heißt es in dem kurzen Statement der Pressestelle. Mehrere Gruppen seien durch das Stadtzentrum gelaufen, ohne dass es zu Vorfällen gekommen sei.
Genau dieser Umstand aber wird im Anschluss an die Proteste stark beanstandet: Teilnehmer der nicht angemeldeten Veranstaltung hätten sich außerhalb der zugewiesenen Protestzone frei im Stadtzentrum bewegen können, so Kritiker in einer ersten Reaktion am Samstagabend. Was die Mitteilung der Polizei nicht verrät: Angeführt wurde der Protestzug von einer Gruppe junger Demonstranten, die sich ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei lieferten und ganz offensichtlich auf Krawall aus waren.
Begleitet von trillernden Pfeifen, explodierenden Böllern und rauchenden Bengalos waren die Demonstranten am Nachmittag vom Bahnhof in Richtung Innenstadt gezogen, wo sie sich ab einem gewissen Zeitpunkt im Zentrum verteilen konnten. Umrahmt wurden sie von einem Aufgebot an Polizeibeamten, die zunächst nur bei Gefährdung der öffentlichen Ordnung einschritten.
Demgegenüber stand ein Dutzend vermummter junger Männer aus Frankreich, die Fahnen mit Anarchie-Zeichen trugen, lautstark Kampfparolen skandierten und ganz offensichtlich Ton und Richtung vorgaben. Die Gruppe war klar auf Ausschreitungen aus: Neben dem bereits bekannten „Liberté, liberté, liberté“ forderten die Betroffenen immer wieder: „On veut la bagarre! On veut la bagarre!“. Gleichzeitig wurden Protestgesänge angestimmt, wie man sie von den Demonstrationen der „Gilets jaunes“ her kennt.
Mehrmals wechselten die Protest-erprobten Anführer während des Marsches die Richtung, um den begleitenden Beamten ein Schnippchen zu schlagen. Manche Polizisten wurden tätlich angegriffen, während vereinzelte Protestteilnehmer auch Passanten anpöbelten, den Verkehr behinderten und später auch die Autobahnzufahrt in Merl blockierten. Anweisungen der Polizei wurden konsequent ignoriert. Vier Teilnehmer seien im Laufe des Nachmittags festgenommen worden, so die Polizei.
„Ausmaße können wir nicht tolerieren“
Bürgermeisterin Lydie Polfer (DP) zeigte sich am Sonntag zunächst erleichtert, dass niemand verletzt wurde. Deutliche Worte fand sie allerdings, was die Reaktion der Polizei angeht: „So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Die Veranstaltung war in den sozialen Netzwerken angekündigt worden. Die Polizei wusste also Bescheid. Ab einem gewissen Zeitpunkt aber ist die Angelegenheit offensichtlich aus dem Ruder gelaufen“, so die Bürgermeisterin gegenüber dem Tageblatt. „Allein die Polizei entscheidet, was zu tun ist und wie weit die Beamten gehen. Klar aber ist, dass man eine solche Situation künftig anders angehen muss.“
Jeder Bürger habe das Recht, seine Meinung frei zu äußern. Demonstrationen sollte man nicht verbieten. „Diese Ausmaße aber können wir nicht tolerieren“, unterstrich Polfer. Dadurch schade man der Stadt Luxemburg, ihren Einwohnern, Besuchern und Geschäftsleuten.
Deshalb habe sie den zuständigen Minister Henri Kox („déi gréng“) unverzüglich um eine Unterredung gebeten. Man werde in den kommenden Tagen über die Vorkommnisse reden müssen. Vor allem da mit der Einführung der Covid-Check-Regeln am Arbeitsplatz und den bevorstehenden Impfpflicht-Debatten mit einer Verschärfung der Proteste zu rechnen sei. Die Entwicklungen vom Samstag seien ein gutes Beispiel dafür, wie man es nicht handhaben sollte, so Polfer.
Saturday for Liberty
Am Samstag fand zur gleichen Zeit auch die 59. Ausgabe der „Saturday for Liberty“ am Glacis statt. Die Polizei hielt sich während der „Polonaise solidaire“ weitgehend im Hintergrund. Die knapp 50 Teilnehmer lieferten den Beamten keine weiteren Gründe, einzugreifen: Die Demo am Glacis verlief bis zum Schluss friedlich. Am Rond-Point Schuman kam es nur vereinzelt zu leichten Verkehrsbeeinträchtigungen.
„Wir können nicht hinnehmen, dass Randalierer Unbeteiligte gefährden“, meinte indessen Polizeiminister Henri Kox in einer ersten Reaktion gegenüber dem Tageblatt. Dass sich manche Demonstranten abseits der Protestzone frei in der Stadt bewegen konnten, könne er aber nicht bestätigen: Einige „Casseurs“ seien ja festgenommen worden, so Kox. Am Montagmorgen sei ein Debriefing mit der Polizei vorgesehen. Möglicherweise werde man in Absprache mit der Stadt Luxemburg einige Anpassungen vornehmen.
Eine Erklärung des Ministers in der zuständigen Chamberkommission forderte am Sonntag auch der Abgeordnete und Stadtschöffe Laurent Mosar (CSV). Er könne den Umgang mit der nicht angemeldeten Demonstration nicht nachvollziehen. „Ich verstehe nicht, warum nicht wenigstens versucht wird, so eine Demonstration sofort aufzulösen – dieser Protest hat eigentlich keine Basis und die Teilnehmer haben sich auch nicht an die Regeln gehalten“, so der Abgeordnete auf Nachfrage dieser Zeitung.
„Mit dem nächsten Zug nach Hause“
Ähnlich sieht es auch der Abgeordnete Sven Clement (Piraten). „Es kann nicht sein, dass so eine Demonstration überhaupt vom Hauptbahnhof wegkommt“, sagte Clement dem Tageblatt. Die „Casseurs“ aus dem Ausland kämen nach Luxemburg, um „mit ein paar hundert Menschen Party zu machen“, weil das im Ausland mit ein paar Tausenden nicht möglich sei. „Wir können uns nicht jeden Samstag Straßenschlachten in der ,Groussgaass‘ liefern“, sagt Clement. Man habe schließlich gegen Gesetze verstoßen: „Wenn sie sich nicht an die Regeln halten wollen, muss man sie sofort nach ihrer Ankunft protokollieren und mit dem nächsten Zug nach Hause schicken – und wenn sie das nicht machen wollen, muss man sie eben in Passage-Arrest nehmen“, so der Politiker.
Laut Clement sei es sogar möglich, diese „Krawalltouristen“ schon vor Ankunft in Luxemburg abzufangen: „Laut dem Schengen-Abkommen haben wir das Recht, Polizisten ab der Grenze in Züge zu platzieren, die alle problematischen Personen entfernen“, sagt der Pirat. Die Betroffenen seien recht einfach an ihrer Kleidung, den Schildern oder den Böllern zu erkennen. Auch auf der Autobahn könne man ein paar Stunden lang Grenzkontrollen durchführen. Das sei nicht so aufwendig wie die Einsätze in der Hauptstadt. So gingen auch die deutschen Behörden bei Hochrisiko-Fußballspielen vor. Sollte in Luxemburg die Erfahrung fehlen, müsse man sich die ausgebildeten Fachkräfte in einer grenzüberschreitenden Kooperation aus Deutschland ausleihen.
Für Clement seien die Entwicklungen am Samstag der Beweis dafür, dass der Polizeiminister die Kontrolle verloren habe. Kox müsse nun Verantwortung übernehmen. „Aktuell weiß ich nicht, mit welcher Erklärung er mich davon überzeugen könnte, noch der richtige Mann für diesen Posten zu sein“, so Clement.
„On a rien lâcher“
Die „Krawalltouristen“ feiern sich indessen in den sozialen Netzwerken selbst: „3h de sauvage lol on a tout niquer et les luxembourgeois super content de notre presence“, schrieb ein junger Mann aus Straßburg am Samstagabend auf Facebook. Begleitet wurde der Post von mehreren Fotos der Demo in Luxemburg, einem Artikel der Kollegen des Quotidien und höhnischen Kommentaren gegenüber den Luxemburger Ordnungskräften. Zehn Absperrungen habe man durchbrechen können, mit den Beamten sei man „corps à corps“ gegangen.
Nachgeben werde die Gruppe nicht, wie der Verfasser unter dem Pseudonym „Mike très en colère“ verspricht: Luxemburg habe den jungen Männern gut gefallen. Deshalb werde man am Samstag wiederkommen: „on etait la on a rien lâcher. luxembourg tu nous a bien plu on reviendra rdv le 15 au moins vous vous batter vraiment pour la liberté avec rage. pas de chants pas de danse“, so der wortwörtliche Beitrag über einem Foto der vier in Schwarz gekleideten, vermummten jungen Männer inmitten der Zufahrt zur Escher Autobahn in Merl.

De Maart
Solange sie nicht mit Pflastersteine auf Polizisten werfen, sowie Seinerzeit der Grünen grosses Vorbild, und spätere Deutscher Aussenminister Joschka Fischer, solange kann man diese Demos doch als friedlich bezeichnen.
Ausser Laabern an déck Baacke maachen,
soss dreimol neischt,daat ass grénge Kox.
@Nomi
"Firwaat gett eng net genehmegt Demo net obgelei’st ?"
Wat schlot Der da vir?
Wéi erkennt een en illegalen Demonstrant, wann en net grad en 2 Meter-Schëld dréit?
Déi si just iwwert d'Strooss vum Monopol bei d'Renomée gaangen, wann et virun de Riichter kënnt.
Leit déi illegal verhaft gi, kënne kloen a kréien Entschiedegung bezuelt.
Soubal se se ee paken, lafen déi aner einfach an iergend e Geschäft.
Da missten se schonn e puer 100 Mann hu fir se komplett anzekesselen an dat ass och illegal, do kloen se och erëm zu Dosenden.
Déi hu keng Pabeiere bei sech an d'Police muss se no 4 Stonne fräi loossen.
An dee nächste Samschde stinn se erëm virun der Gar.
En Polizeiminister deen bei RTL vun rietsen Casseuren schwäetzt an kloer op den Fotoen vum Tageblatt ze gesin ass den A fir Anarchismus héich gedroen get.Entweder mecht den Häer Kox séng Polizeiminister Aufgaben net oder huet an der Schoul verschlof, wat den Ennerscheed vun rietser,lénker oder anarchisteschen Gruppéierongen ass.
Es wird Zeit dass wir ein Demonstrationsrecht bekommen (wie z.Bsp.: Deutschland). Dann haben wir die Handhabe einen Perimeter festzulegen und gegen die vorzugehen die sich nicht daran halten. (denn derzeit gibt es keine Gesetzesgrundlage, und daher sind der Polizei die Hände gebunden). Dann muss der Demonstrationstourismus unterbunden werden, und da sollten wir die Franzosen um Unterstützung bitten. Ich bin auch nicht dafür dass sich unsere Polizisten mit diesen Staatsfeinden* prügeln. Aber wenn sie sich zur Wehr setzen, muss unser Deeskalationsminister sich voll hinter sie stellen. (* ein harter Begriff, aber man muss nur lesen was JM Jakoby so von sich gibt, dann weiss man, dass diese Elemente sich unter die Schwurbler mischen, aber eine andere Agenda verfolgen, und die zielt auf den Staat.)
Zu den Kritikern am Polizeiminister:
Nun mal ehrlich, wer hätte denn erwartet, dass "professionnelle" Krawall-Demonstranten - denen unsere Covid-Maßnahmen ja eigentlich egal sein müssten, weil sie nicht betroffen sind - aus dem Ausland hier auftauchen? Es ist offensichtlich, dass es denen nicht um Demokratie geht.
Glücklicherweise hat die Polizei, die ja auf sowas nicht vorbereitet sein konnte, nicht eingegriffen, sonst hätte es eingeworfene Fensterscheiben und brennende Autos gegeben.
Da diese ungebetenen Gäste sich für nächsten Samstag wieder angekündigt haben, kann der Grenzschutz mit der Polizei nun Maßnahmen ergreifen, damit es nicht mehr soweit kommen kann.
Und den Impfgegnern wäre dringend geraten, am 15. Januar zuhause zu bleiben. Ich denke nicht, dass sie mit diesen Gewalt-Provozierern in Zusammenhang gebracht werden wollen. Und was auf die Nase von diesen Krawallmachern wollen sie bestimmt auch nicht. (Carl A. Sandburg: Stell dir vor, es wäre Krieg und keiner geht hin ...)
Firwaat gett eng net genehmegt Demo net obgelei'st ?
Es ist eine allgemeine Gambia-Strategie zu sagen "alles in Ordnung, nichts zu melden, bitte schaut anderswo hin" :-)
Wie auf der Titanic !
Wenn es darum geht die Menschen*innen abzuzocken sind die Grünen*innen etwas besser organisiert. Oder bei anderem Nonsens.
In Deutschland sind sie kaum an der Macht, da sind sie auch schon bei vielen ihrer Vorhaben ausgebremst. Gut so. Warum lässt man die Hierzulande weiter wursteln?
@Sepp
Der war schon in Remich überfordert.
Was feiert man denn in den sozialen Netzwerken? Etwa dass man der hauptstädtischen Geschäftswelt nunmehr endgültig den Garaus gemacht hat? Wenn jedes Wochenende Rabatz angesagt ist, bleiben die normalen Bürger nämlich weg, Solden hin oder her.
Was ist mit einer Verschärfung der Bau-Minimumstandards? Was ist mit einer Verschärfung der Règlements de copropriété? Ich glaube der Minister ist mit seinen 2 Bereichen überfordert.