Dienstag21. Oktober 2025

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Lausdorn-Prozess„Konnte nichts machen“: Angeklagter Polizist sagt unter Tränen aus

Lausdorn-Prozess / „Konnte nichts machen“: Angeklagter Polizist sagt unter Tränen aus
Zum Abschluss seiner Aussage vor dem Bezirksgericht Diekirch stockte dem angeklagten Polizisten gleich mehrmals die Stimme Foto: Editpress/Didier Sylvestre

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In der Verhandlung um den tödlichen Unfall zwischen zwei Polizeiwagen im April 2018 bei Lausdorn haben Experten am Donnerstag dem angeklagten Polizisten eine zeitnahe Reaktion attestiert. Dieser habe sämtliche Möglichkeiten ausgeschöpft, so ein Sachverständiger. Der Unfall wäre kaum zu vermeiden gewesen. Dass der Polizist dennoch schwer an den Geschehnissen dieser Nacht zu nagen hat, ging aus dessen Schilderung des Unfallherganges hervor. „Ich konnte einfach nichts machen“, so der Angeklagte unter Tränen.

Wegen der Geschehnisse in der Nacht zum 14. April 2018 müssen sich seit Montag in Diekirch zwei Personen vor dem Strafgericht verantworten. Zum einen ein junger Polizeibeamter, der mit seinem Polizeitransporter einen Streifenwagen beim Wendemanöver auf der N7 gerammt hatte. Zum anderen ein Fahrer, der mit seiner Flucht vor einer Polizeikontrolle die vorangegangene Verfolgungsjagd überhaupt erst ausgelöst hatte.

Dem angeklagten Polizisten wird fahrlässige Tötung und Körperverletzung vorgeworfen, während sich der flüchtige Fahrer „nur“ wegen Trunkenheit am Steuer verantworten muss. Bei dem Unfall war ein Polizist im Streifenwagen ums Leben gekommen. Seine Beifahrerin wurde lebensgefährlich verletzt und hat bis heute mit den Folgen des Unfalls schwer zu kämpfen.

Zumindest von technischer Seite her konnte der Unfallhergang an den zwei ersten Verhandlungstagen bis ins letzte Detail geklärt werden. Dazu beigetragen haben die Auswertungen der Fahrzeugdaten, die ein Sachverständiger am Donnerstag vor Gericht interpretierte. Zur Erinnerung: Die Beamten im Streifenwagen hatten kurz zuvor die Insassen eines unbeteiligten Fahrzeugs am rechten Straßenrand angehalten, um sie nach dem Fluchtwagen zu befragen. Anschließend scherte der Polizist am Steuer nach links zum Wendemanöver aus. Dabei wurde der Streifenwagen vom heranfahrenden Polizeitransporter erfasst.

„Sämtliche Möglichkeiten ausgeschöpft“

Den Fahrzeugdaten zufolge war der Transporter mit Geschwindigkeiten bis zu 160 km/h unterwegs, bevor er rund eine Sekunde vor dem Aufprall – 38 Meter vor dem Kollisionsort – auf 137 km/h abgebremst wurde. Dies sei schließlich auch die Geschwindigkeit gewesen, mit welcher der Streifenwagen erfasst worden sei, so der Sachverständige zum Auftakt der Verhandlung.

Für den Angeklagten selbst dürfte die Anfahrbewegung seines Kollegen rund 1,5 Sekunden zuvor erkennbar gewesen sein – aus einer geschätzten Entfernung von 60 Metern. Aufgrund dieser Daten sei davon auszugehen, dass der Angeklagte möglichst zeitnahe reagiert habe: „Ich sehe nicht, wie der Fahrer den Aufprall noch hätte verhindern können. Er hatte sämtliche Möglichkeiten ausgeschöpft“, so der Gutachter.

Der Fahrer des Streifenwagens hätte den heranfahrenden Transporter bei eingeschalteten Blaulicht und Abblendlicht allerdings sehen müssen und hätte den Unfall vermeiden können, fuhr der Sachverständige fort. Die Sicht sei in jener Nacht gut gewesen, die Fahrbahn frei und die Wetterverhältnisse trocken, wie neben den zwei Insassen des kontrollierten Wagens auch die Beifahrerin im Transporter zu Protokoll gab. Sie habe nicht das Gefühl gehabt, als sei ihr Kollege am Steuer zu schnell unterwegs gewesen. „Andernfalls hätte ich ihn darauf hingewiesen, etwas langsamer zu fahren“, so die Beamtin.

Zu einer Schuldzuweisung wollte sie sich aber nicht hinreißen lassen: „Wir waren im Eildienst, es hat nicht geregnet, es war eine vierspurige Fahrbahn, alles war gut beleuchtet. Ich kann nur sagen, dass wir zu diesem Zeitpunkt nicht von einem Wendemanöver des Streifenwagens vor uns hätten ausgehen konnten“, meinte die Polizistin, die sich im Vorfeld des Verfahrens als Zivilpartei gemeldet hatte. Ihre Ansprüche auf einen symbolischen Euro Schadensersatz gegenüber dem Fahrer des Polizeitransporters ließ die Beamtin im Anschluss an ihre Aussage fallen. Die Forderung gegenüber dem flüchtigen Fahrer wurde hingegen beibehalten.

Dieser gab vor Gericht denn auch zu, einen Stein ins Rollen gebracht zu haben. Er habe im Nachhinein betrachtet wohl auch zu viel getrunken. Den Effekt des Alkohols habe er zu diesem Zeitpunkt aber nicht gespürt. Er sei dem eigenen Empfinden nach noch fahrtüchtig gewesen. Das Haltesignal eines Beamten habe er nicht bewusst wahrgenommen. Er sei vor der Kontrolle „im Affekt“ abgebogen, um sein Fahrzeug zu wenden. „Das war eine falsche Entscheidung“, so der Betroffene.

Nach einer Verkettung unglücklicher Umstände sei es dann zu dem tragischen Unfall gekommen. Er habe jedoch niemanden direkt körperlich in Gefahr gebracht, so der zweite Angeklagte gegenüber den Richtern. Es tue ihm zwar unendlich leid, dass es zu den tragischen Geschehnissen gekommen sei. Eine direkte Schuld aber trage er der eigenen Auffassung nach nicht.

„Das war undenkbar“

Wer denn nun schlussendlich Schuld an der Kollision sei, wollte der Vorsitzende Richter vom angeklagten Polizisten wissen. Dieser konnte sich nur unter Tränen zu einer Antwort durchringen: „Wenn ich ganz ehrlich bin … klingt es hart … aber meiner Auffassung nach war es (der Fahrer des Streifenwagens)“, so der Angeklagte, dem gleich mehrmals die Stimme stockte.

Sonst sei niemand unterwegs gewesen, als er und seine Beifahrerin in der Ferne noch die Bremslichter eines weiteren Wagens gesehen hätten. Den habe man noch kontrollieren wollen, weswegen er den Streifenwagen überholen wollte, der zu diesem Zeitpunkt noch am rechten Straßenrand hielt. Er habe noch abgebremst und sei leicht nach links ausgeschert, um nicht zu nahe an den Kollegen vorbeizufahren. Dass diese zu diesem Zeitpunkt zu einem Wendemanöver ansetzen würden, habe er beim besten Willen nicht vorhersagen können. „Das war undenkbar! Ich konnte einfach nichts machen“, so der Angeklagte mit bebender Stimme.