24. November 2025 - 6.59 Uhr
LuxemburgKinder entdecken das Parlament: Der „Zug der Demokratie“ macht Halt in der Chamber
Die Luxemburger Chamber wirkt an diesem Freitagmorgen weniger wie ein Parlament als wie ein lebendiges Klassenzimmer. 134 Kinder zwischen acht und zwölf Jahren betreten um 9.30 den Plenarsaal, stellen ihre selbstgebastelten Pappfiguren ab und setzen sich – wortwörtlich – auf Augenhöhe mit jenen, die sich sonst über Gesetzestexte beugen. Chamber-Präsident Claude Wiseler hockt sich zu ihnen auf den Boden. „Kinder sagen ohne Scheu, was sie denken“, meint er später. „Und genau das brauchen wir hier.“
Grünen-Abgeordneter Meris Sehovic zeigt sich begeistert: „Es ist etwas Besonderes, mit Kindern und jungen Menschen in direkten Kontakt zu kommen und ihre Sicht auf die Dinge zu hören. Ich bin selbst vor kurzem Vater geworden. Wenn man die Welt durch ihre Augen betrachtet, fallen einem Dinge auf, die wir oft gar nicht mehr wahrnehmen.“
Kinderfragen und politische Realität
Der „Zug der Demokratie“, organisiert vom „Zentrum fir politesch Bildung“ gemeinsam mit der Abgeordnetenkammer und dem Kannermusée Plomm, mit Unterstützung von CFL und Luxtram, machte anlässlich des Internationalen Tags der Kinderrechte die Kinder selbst zu Akteuren der Demokratie. Die Klassen hatten im Vorfeld über Wochen diskutiert, Themen gesammelt, Modelle gebaut. Ihre Anliegen reichten von Sicherheit – etwa nach einem Messerfund auf einem Pausenhof in Esch – bis zu gesunder Ernährung, mehrsprachigem Lernen und dem Wunsch nach psychologischer Unterstützung.
Eine andere Gruppe forderte flexiblere Arbeitszeiten für Eltern, „damit Familien wieder mehr gemeinsame Zeit haben“. Wiseler spricht mit mehreren Kindern über Mobbing. „Die Sorge war klar: Es muss mehr getan werden, um ihnen zu helfen. Eine einfache Forderung – aber keine einfache Antwort. Man muss auch lernen, unterschiedliche Meinungen auszuhalten und Kompromisse zu finden“, erklärt er. „Das gilt in der Chamber genauso wie in der Schule.“
Tilo, zehn Jahre alt, vom Bettemburger Campus Ëm de Bëchel tritt am Morgen mit strahlender Nervosität an. „Ich freue mich vor allem darauf, später hier am Podium sprechen zu dürfen“, sagt er vor Beginn. Das Projekt: eine Spielstraße, ein Fest der Bewegung und Begegnung. „Wir wollen eine Straße sperren, damit man wie früher dort spielen kann“, erklärt Mylé. „Ohne Autos, ohne Gefahr.“
Gemeinsam mit André Bauler arbeiten sie in den anschließenden Workshops den Vorschlag aus. Welche Schritte braucht es auf Gemeindeebene? Wer entscheidet? Wie wird so etwas finanziert? Bauler lächelt später: „Heute habe ich gelernt, wirklich mit Kindern zu sprechen – und nicht über ihre Köpfe hinweg.“ Die Politiker schlagen konkrete Maßnahmen vor, notieren Kontakte, versprechen Rückmeldungen. Die Politik zeigt sich unmittelbar, neugierig, anfassbar.
Im Anschluss an die Workshops dürfen die Kinder im Plenarsaal ans Rednerpult, um ihre Ideen und Resultate zu präsentieren. Tilo und Mylé beschreiben ihre Erfahrung danach so: „Es war beeindruckend … so viele Menschen. Aber wir waren gut vorbereitet.“ Was sie gelernt haben? „Dass jeder andere Ideen hat – und andere Rechte wichtig findet.“ Und wie es weitergeht? „Wir werden unsere Gemeinde fragen, ob wir die Spielstraße ausprobieren dürfen. Wenn das klappt, vielleicht später sogar im ganzen Land.“

Wie geht es weiter?
Der Prozess endet nicht mit diesem einen Tag. Im dritten Trimester sollen die Kinder erneut zusammenkommen, um zu prüfen, welche ihrer Ideen umgesetzt werden konnten. Claire Enders vom „Service éducatif“ des ZPB, Verantwortliche für das Projekt, erklärt: „Die Klassen können versuchen, ihre Projekte auf lokaler Ebene umzusetzen. Die Abgeordneten sollen die Ideen auf nationaler Ebene einbringen, zum Beispiel über parlamentarische Anfragen. Natürlich klappt nicht alles, aber jedes Jahr entstehen auch Projekte, die wirklich realisiert werden.“
Ein Beispiel aus dem Vorjahr zeigt, dass es funktioniert: In Bettemburg wurde eine inklusive Spielplatzidee umgesetzt. Dort steht nun ein Karussell, das auch mit Rollstuhl genutzt werden kann – ein Projekt, das direkt aus dem „Zug der Demokratie“ hervorgegangen ist.




De Maart
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können