Samstag25. Oktober 2025

Demaart De Maart

Editorial„Kättche, Kättche“ hilft Luxemburg bei seinem Alkoholproblem

Editorial / „Kättche, Kättche“ hilft Luxemburg bei seinem Alkoholproblem
Alkohol gehört für viele Menschen zum Alltag Foto: Editpress/Julien Garroy

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

„Keiner hat mehr Bock auf Kiffen, Saufen, Feiern“, singt Marteria in „Kids“, „Niemand hat ’n Trichter, alle saufen Wein.“ Marteria, waren Sie schon in Luxemburg? Dort fließt der Alkohol weiter in Strömen, wie das Tageblatt am Montag offenbarte. Ein feuchtfröhliches Vergnügen mit fatalen Folgen: Luxemburg hat ein Alkoholproblem, das niemand an der Wurzel packt.

Zwischen 2018 und 2023 endete „de Pättchen“ in Luxemburg 3.639 Mal mit der Einlieferung ins Krankenhaus. Unter den Betroffenen befanden sich 57 Jugendliche zwischen 12 und 15 Jahren. Alle 31 Stunden stirbt in Luxemburg ein Mensch an den Folgen seines Trinkverhaltens durch alkoholbedingte Krankheiten oder Unfälle. Schätzungen zufolge leiden in Luxemburg rund 40.000 Menschen an Alkoholismus. Alarmierende Zahlen, die eigentlich radikale Gegenmaßnahmen erfordern. Die bleiben bisweilen aus, denn die „Kippchen“ bringt Milliarden ein. 

2021 machte der Kauf alkoholischer Getränke nach Eurostat ein Prozent des EU-GDP (Gross Domestic Product) aus – das entspricht 128 Milliarden Euro. In Luxemburg lag der Wert in demselben Jahr bei 0,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, was 559.000 Euro gleichkommt. Eine gewinnbringende Industrie also, die wie in Deutschland durch die Politik und Lobbys „geschützt“ gehört: Im Januar zeigten Recherchen des Bayerischen Rundfunks, dass die ehemalige Ampelkoalition (SPD, Grüne, FDP) der breiten Öffentlichkeit Studienergebnisse zum Einfluss von Alkoholwerbung und Konsum vorenthielt: Das „Institut für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung“ empfahl darin 2023 ein „vollständiges Marketingverbot“ für alkoholische Getränke. Im entsprechenden Artikel bestätigt auch Rüdiger Krech („Director of Health Promotion“) der Weltgesundheitsorganisation: Nur ein vollständiges Werbeverbot helfe wirklich. 

In Luxemburg steht das weder zur Debatte noch scheint es irgendwen zu interessieren. Anders sind die läppischen 31 Unterschriften nicht zu deuten, die eine öffentliche Petition für das „Verbot von Alkohol-Werbung in allen Formen und Bereichen in Europa“ im Jahr 2016 erhielt. Der Petent nannte die positive Darstellung von Alkohol im öffentlichen Raum eine Zumutung für trockene Süchtige. Noch dazu begünstige sie den unkontrollierten Konsum durch Jugendliche. Die Werbebranche trägt jedoch nicht die alleinige Verantwortung. Es kommt aufs Umfeld an. Ein Marketingverbot ist sinnlos, solange kein Familienfest ohne Alkohol auskommt und jener in der Popkultur erotisiert, verherrlicht oder verharmlost wird. Ebenso sollte die Politik im Sinne der Gesundheit der Bevölkerung konsequent handeln.

2020 verabschiedete die damalige Regierung unter Gesundheitsminister Etienne Schneider (LSAP) Luxemburgs ersten „Plan d’action de réduction du mésusage de l’alcool 2020-2024“ (Palma). Eine öffentliche Evaluierung des Aktionsplans, geplant für 2022 und 2024, ist auf Anhieb unauffindbar. Eine Forderung wurde bisher jedenfalls nicht umgesetzt: das Mindestalter für den Verkauf von Spirituosen von 16 auf 18 Jahre anzuheben. Stattdessen startete die Regierung 2024 die Kampagne „Zéro alcool. 100% toi-même“. Das grobe Ziel war es, das eigene Trinkverhalten zu hinterfragen.

Weitere konkrete Aktionen sind im aktuellen Koalitionsvertrag nicht vorgesehen. Dort wird der „Palma“ als einer von zahlreichen nationalen Aktionsplänen aufgezählt, die in dieser Legislaturperiode analysiert und gegebenenfalls angepasst werden sollen.

Immerhin will die Regierung neue Suchtformen, die sie nicht näher definiert, in ihre Strategie gegen Abhängigkeiten aufnehmen. Ob dazu auch die Spielsucht zählt, über die wir morgen berichten? Selbst wenn: Geht die Regierung dagegen genauso lasch vor, bleibt es bei der Symbolpolitik. Darauf ein Ständchen: „Kättche, Kättche, bréng mer nach e Pättchen, vun der Musel a soss keen. Ei, wéi schmaacht mir dee Kadettchen, ’t ass en Drank fir Broscht a Been.“

Guy Mathey
16. April 2025 - 18.39

Eigentlich sehr schade, dass der Konsum von Alkohol in unserer Gesellschaft immer noch zur Normalität gehört, dies trotz der bekannten negativen Folgen.
Meinerseits war ich über viele Jahre lediglich ein Gelegenheitskonsument, dessen Konsum wohl weit unter dem Durchschnitt lag, dennoch habe ich mich vor über zwei Jahren dazu entschieden, völlig auf alkoholische Getränke zu verzichten. Ich muss feststellen, dass dieser Entschluss eigentlich keinerlei Verzicht bedeutete, sonder vielmehr einen realer Gewinn an Lebensqualität. Absolut empfehlenswert demnach.
Anfangs war es vielleicht ein wenig lästig, Freunden und Bekannten erklären zu müssen, dass man keinen Alkohol trinkt aber mittlerweile ist dies weitgehend bekannt, respektive habe ich mich daran gewöhnt.
Verbote sind jedoch abzulehnen, da solche meist kontraproduktiv sind, vielmehr sollte man die Menschen mit stichhaltigen Argumenten überzeugen. Allerdings sollte die Produktion von alkoholischen Getränken nicht staatlich subventionniert werden.

Majo dann
15. April 2025 - 21.56

Ech fannen de Staat huet sech do net anzemeschen. Vie privée. Genau wéi Work-Life Balance wat just dofir benotzt gett fir nach Better an dem Betrieb ze installéieren. Mir hunn einfach zevill Leit am Land déi nach mengen se missten Erwuessener erzéihen. Zevill Gutmenschen, zevill Lehrer, zevill Erzéiher. Loosst d'Leit einfach hier Feeler maachen. Eng Gesellschaft lieft och vun Leit mat Feeler. An wann der mengt, Leit mat Feeler wären ze deier, dann stellt déi Fro mol am Parlament.

Muller Christian
15. April 2025 - 12.49

"Schätzungen zufolge leiden in Luxemburg rund 40.000 Menschen an Alkoholismus."

Wann dat net e bëssen optimistesch ass..