Jugendhäuser: Wo Teenager und junge Erwachsene sich wohlfühlen und etwas lernen

Jugendhäuser: Wo Teenager und junge Erwachsene sich wohlfühlen und etwas lernen
Das Freizeitangebot in den Jugendhäusern ist groß Foto: Editpress/Didier Sylvestre

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Am 11. Oktober hat das neue Jugendhaus in der ehemaligen Schule in Hagen seine Türen geöffnet. Es handelt sich dabei um ein regionales Haus, wo auch Teenager aus den Ortschaften Grass, Kleinbettingen und Steinfort willkommen sind. Nur einen Tag später wurde das Jugendhaus in der Gemeinde Bartringen offiziell seiner Bestimmung übergeben.

Es tut sich etwas in Sachen Jugendbetreuung hierzulande. Das war aber laut Andreas Tarrach, dem Verantwortlichen der Jugendhäuser beim Roten Kreuz, nicht immer so. Die Organisation betreibt insgesamt elf Einrichtungen. Früher sah man den Nutzen solcher Häuser nicht, so Tarrach. Zudem wurden Jugendhäuser oft mit Jugendklubs verwechselt („Club des jeunes“), die nicht immer einen guten Ruf genossen. „Seit den letzten Gemeindewahlen hat sich die Situation aber geändert. Immer mehr Kommunen erkennen die Wichtigkeit solcher Einrichtungen und es entstehen immer mehr Jugendhäuser, was eine gute Sache ist“, sagt der Erzieher. Sein Kollege Manfred Schönberger, der im neu eröffneten Haus in Bartringen arbeitet, ergänzt, dass Jugendhäuser vor allem im urbanen Raum ihren Platz hätten.

Beide „Educateurs“ wehren sich gegen Vorurteile und Stereotypen, die sich im Zusammenhang mit den Jugendhäusern teilweise hartnäckig halten. So seien diese nicht bloß ein Zufluchtsort für Problemjugendliche oder Kinder, die zu Hause vernachlässigt würden. „In den Jugendhäusern findet man alle Nationalitäten, Menschen aus allen möglichen sozialen Schichten und von allen Religionen. Sie lernen hier das Zusammenleben. Jeder passt auf jeden auf, Aktivitäten werden oft gemeinsam gemacht. Das stärkt den Zusammenhalt und somit die gesellschaftliche Kohäsion“, sagt Manfred Schönberger. Der Umgangston in den Jugendhäusern sei respektvoll. Große Streitereien im Inneren der Einrichtungen gebe es keine.

Per Gesetz geregelt

Auch das Bildungsministerium sieht die „Maisons de jeunes“ als wichtig an. Die Jugendhäuser besitzen einen hohen Stellenwert in der Jugendpolitik, sagt Nathalie Keipes, Chefin der „Direction générale du secteur de la jeunesse“ beim Ministerium. Die Regierung unterstütze alle Jugendhäuser. So bildet eine offizielle Anerkennung vom Bildungs- und Jugendministerium (das sog. „Agrément“) die Grundlage für die Finanzierung der Einrichtungen durch die öffentliche Hand. Die Gemeinden stellen 50 Prozent des Budgets für Personal und Sachkosten sowie das Gebäude. Die Regierung übernimmt die restlichen 50 Prozent im Rahmen einer staatlichen Konvention sowie die Ausstattungskosten der Häuser.

Die Ziele der Einrichtungen seien im Jugendgesetz von 2008 definiert, so Keipes. Zusammengefasst geht es um die persönliche und soziale Entwicklung der Jugendlichen, die Chancengleichheit, die politische Bildung, die gesellschaftliche Partizipation und die Förderung von Kreativität und Bildung. Durch das modifizierte Jugendgesetz von 2016 wurde zudem ein nationaler Bildungsrahmenplan eingeführt. Er verpflichtet alle Jugendhäuser, sich an den pädagogischen Leitlinien der non-formalen (nicht-schulischen) Bildung zu orientieren. Die Jugendlichen werden zum Beispiel in den Häusern motiviert, sich mit Themen wie neue Medien, Politik, Technik oder Umwelt auseinanderzusetzen.

Die Jugendhäuser seien aber vor allem ein Treffpunkt für Jugendliche im Alter von 12 bis 26 Jahren auf freiwilliger Basis in einem gesicherten Umfeld, betont Andreas Tarrach. Die meisten Besucher seien zwischen 12 und 18 Jahre alt. Im Jugendhaus werden sie durch ein Erzieherteam begleitet. In den elf Einrichtungen des Roten Kreuzes kümmern sich insgesamt 25 Betreuer um die Jugendlichen. Die Verantwortung liegt hier immer bei einem „Educateur gradué“. In den anderen Gebäuden wird sie manchmal auf einen „Educateur diplômé“ übertragen. Hilfe bekommt das Personal beim Roten Kreuz von sogenannten „Co-Piloten“. Dabei handelt es sich um Leute, die freiwillig an einer mehrtägigen Ausbildung teilgenommen haben, bei der sie unter anderem gelernt haben, Aktivitäten zu organisieren, Konflikte zu schlichten, im Team zu arbeiten oder  deeskalierend auf die Jugendliche einzuwirken. „Mit diesem Zeugnis dürfen sie zudem als Betreuer bei Ferienaktivitäten arbeiten“, betont Andreas Tarrach. In diesem Jahr haben 27 Personen an den Kursen teilgenommen.

Wichtige Phase der Entwicklung

Eine effiziente Betreuung der Teenager ist notwendig. Im Jugendalter durchleben sie oft einschneidende Veränderungen. Dazu gehören unter anderem die körperlichen Veränderungen während der Pubertät, verbunden mit der Findung der eigenen Geschlechtsidentität oder der sozialen Identität. Die Heranwachsenden werden autonomer und lösen sich etappenweise von ihren Familien ab. Sie entwickeln ihr eigenes Wertesystem und Verantwortungsgefühl. Bei all diesen komplexen Veränderungen stellt das Jugendhaus den jungen Menschen eine konstante und fachliche Beratung zur Verfügung. Gezielte, auf den Teenager bezogene Aktivitäten werden angeboten. Zudem können die Jugendlichen hier in Ruhe und ganz ohne Stress eine Beziehung zu den Erziehern aufbauen, das ihnen viel Selbstvertrauen bringt. „Es ist die freie Entscheidung des Jugendlichen, ob er seine Freizeit in einem Jugendhaus verbringt oder nicht. Die Türen der Einrichtungen stehen für jeden offen“, sagt Andreas Tarrach. Seit der Eröffnung der Einrichtung in Bartringen haben sich dort bereits rund 40 Teenager eingeschrieben. In den vom Roten Kreuz betriebenen Jugendhäusern sind die meisten Besucher Jungen. Der Tagesdurchschnitt liegt bei 12 bis 15 Jugendlichen. 2018 wurden in den damals noch zehn Häusern insgesamt 24.000 Besuche gezählt. 

Ausschlaggebend für den Erfolg der Einrichtungen seien die Lage des Hauses und die Werbung, die für die Einrichtung gemacht wird, sagt Manfred Schönberger. Und hier spielen die sozialen Netzwerke neben den Kontakten in der Schule und dem Rückhalt der Gemeinde eine immer wichtigere Rolle. „Ich wurde von einem Schulfreund ins Jugendhaus eingeladen. Ich will nicht Mitglied eines Vereins sein, aber auch nicht alleine zu Hause bleiben. Also gehe ich ins Jugendhaus und treffe dort meine Freunde“, sagt Mario (14) aus Luxemburg.

Ein bedeutender Faktor sind aber auch die angebotenen Aktivitäten. Beim Roten Kreuz ist, wie bei vielen anderen Betreibern, das Angebot enorm: Spielkonsolen, Tischfußball, Tischtennis, Poolbillard, Darts, Basteln, Malen, Lesen, Musizieren … Für jeden ist etwas dabei. Freitags wird immer gekocht und gemeinsam gegessen. „Das ist etwas, das in vielen Familien verloren geht. Die Teenager lieben es“, sagt Andreas Tarrach. Auch Fahrradtouren und Ausflüge stehen auf dem Programm. Es geht auf den Bauernhof, ins Museum … und einmal im Jahr in einen Vergnügungspark. Die Kosten für die Aktivitäten werden so weit wie nur möglich vom Jugendhaus übernommen. Bei großen Trips kann es aber sein, dass eine Eigenbeteiligung fällig wird. „Wir sind aber flexibel. Ist jemand wegen Geldmangels nicht in der Lage mitzufahren, wird zusammen eine Lösung gefunden. Sie können sich nicht vorstellen, welche Solidarität unter den Besuchern der Häuser existiert“, so Andreas Tarrach abschließend.


Wir bieten jedem im Alter zwischen 12 und 26 Jahren einen geschützten Raum zur sinnvollen Freizeitgestaltung und das freiwillige Angebot, sich auf dem Weg zum Erwachsenwerden begleiten zu lassen

Andreas Tarrach, Verantwortlicher der Jugendhäuser beim Roten Kreuz

Zahlen

Das erste Jugendhaus wurde vor mehr als 30 Jahren eröffnet. Zurzeit zählt der sogenannte konventionierte Jugendsektor 58 Jugendeinrichtungen, 21 Jugenddienste sowie den Dachverband der Luxemburger Jugendeinrichtungen. Sie werden von insgesamt 46 Vereinigungen und vier Gemeinden als Träger betrieben. Unter den 58 Jugendeinrichtungen sind 50 Jugendhäuser. Davon werden drei Einrichtungen von Gemeinden und 47 von Vereinigungen verwaltet. Laut Bildungsministerium seien es insgesamt gesehen aber nur 34 einzelne Träger für die 50 Jugendhäuser, da ein Träger mehrere Einrichtungen betreiben kann (drei Gemeinden und 31 Vereinigungen).

Viertelgebunden

Die soziale Organisation Inter-Actions feiert in diesem Jahr ihr 40-jähriges Bestehen. Sie betreibt auch acht Jugendhäuser, vor allem im städtischen Raum. Die „Maisons de jeunes“ von Inter-Actions liegen alle in den Gemeinden Luxemburg, Leudelingen und Sandweiler. Die Arbeit von Inter-Actions ist aber viertelgebunden. Ihre Einrichtungen haben als Ziel, den ortsansässigen Jugendlichen einen Platz zu bieten, wo sie betreut und beraten werden. Die Jugendhäuser haben aber auch eine soziale Funktion. Sie sollen helfen, die Lebensqualität in den Vierteln zu verbessern und den Zusammenhalt zu stärken.