Freitag24. Oktober 2025

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PorträtJean-Paul Olingers Weg vom Patronatsfunktionär zum Spitzenbeamten beim Staat

Porträt / Jean-Paul Olingers Weg vom Patronatsfunktionär zum Spitzenbeamten beim Staat
Jean-Paul Olinger vor einer Woche im Hauptsitz der Steuerverwaltung in Howald Foto: Editpress/Julien Garroy

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Unter der Führung von Luc Friedens CSV-DP-Regierung avancierte der frühere Steuerberater und UEL-Direktor Jean-Paul Olinger innerhalb weniger Monate zum hohen Staatsbeamten. Vor einem Jahr übernahm er die Leitung der Steuerverwaltung, im Februar zusätzlich den Vorsitz des Mudam-Verwaltungsrats. 

Auf dem kleinen Beistelltisch im Wartezimmer im ersten Stock des Bâtiment H2O in Howald, wo die Direktion der Steuerverwaltung sitzt, liegen neben dem City-Mag der Stadt Luxemburg, dem Museomag des Nationalen Geschichtsmuseums und dem Chamberblietchen fein säuberlich angeordnet das Écho der Fedil und mehrere Paperjam-Ausgaben. Als Jean-Paul Olinger (46) vor drei Jahren den zehnten Platz im „Paperjam Top 100“ der „décideurs économiques les plus influents“ belegte, schrieb sein früherer Chef bei KPMG, Georges Bock, in einer Lobhudelei: „Jean-Paul Olinger sait toujours où il veut aller, avec qui, comment et pourquoi.“ 2022 war Jean-Paul Olinger seit vier Jahren Direktor des Unternehmerdachverbands UEL, dem auch die Handelskammer angehört. Deren Präsident war seit 2019 der frühere CSV-Finanzminister Luc Frieden, der 2022 im „Paperjam Top 100“ vier Plätze hinter Olinger gelegen hatte.

Als am Abend des 8. Oktober 2023 schon relativ früh ersichtlich wurde, dass „Gambia“ abgewählt sei und die CSV ein Bündnis mit der DP eingehen werde, feierte Jean-Paul Olinger mit anderen Patronatsvertretern auf der großen Wahlparty im Atrium der RTL City auf Kirchberg. Dem Tageblatt sagte er an dem Tag, es sei wichtig, dass in einer nächsten Regierung vor allem über die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft geredet werde. Drei Monate, nachdem Frieden im November 2023 zum Premierminister vereidigt wurde, gab der Regierungsrat bekannt, dass Olinger zum neuen Direktor der Steuerverwaltung ernannt werde. „Verschidde Leit bei der UEL“ hätten ihm dazu geraten, sich um diesen Posten zu bewerben, sagte Olinger – dunkelblauer Anzug, rot gemusterte Krawatte, Mittelscheitel – vergangene Woche im Gespräch mit dem Tageblatt. Nicht nur, weil er ein Spezialist in Steuerfragen sei, auch weil man bei der UEL der Ansicht sei, die Verwaltung müsse dringend modernisiert werden.

Von der KPMG zur UEL

Nach dem Abitur im „Kolléisch“ hatte Jean-Paul Olinger erst am HEC in Lausanne Wirtschaftswissenschaften und Management studiert und sich anschließend an der Uni Mannheim auf Finanz- und Steuerrecht spezialisiert. In seiner Studienwahl beeinflussten ihn sein Großvater Armand, der Internist und Nervenarzt in der Hauptstadt war, sowie sein Vater Jean-Paul, inzwischen pensionierter Ingenieur bei der Arbed. Als Florettfechter hatte Jean-Paul senior gemeinsam mit der späteren DP-Ministerin Colette Flesch 1960 an den Olympischen Spielen in Rom teilgenommen, 1972 wurde er niedersächsischer Landesmeister in Hannover, wo er seine Frau Heidi kennenlernte. Sie ließen sich in Fenningen in der Gemeinde Bettemburg nieder.

Nachdem er mehrere Praktika unter anderem bei PwC in der Schweiz und bei Guardian in den USA absolviert hatte, kam Olinger junior 2005 als Steuerberater zu KPMG, wo er innerhalb weniger Jahre zum Partner aufstieg. Bei KPMG arbeitete er eng mit der Steuerverwaltung zusammen, war regelmäßiger Gast im Büro von Marius Kohl, um die vertraulichen Advance Tax Rulings auszuhandeln, die 2014 durch den Lux-Leaks-Skandal an die Öffentlichkeit gelangten. 2012 engagierte er sich in der „Fédération des jeunes dirigeants d’entreprise“, deren Präsident er 2016 wurde.

2017 wurde der Verwaltungsratspräsident von ArcelorMittal, Michel Wurth, auf ihn aufmerksam, der damals sowohl der Handelskammer als auch der UEL vorstand. Er machte Olinger zum Generalsekretär der UEL, 2018 ersetzte dieser den Bankenlobbyisten Jean-Jacques Rommes als deren Direktor. „Ech hu mer geduecht, dass ech just kéint gewannen, fir mat Leit wéi dem Michel Wurth an dem Jean-Jacques Rommes zesummenzeschaffen“, sagt der frühere Handballspieler des HB Berchem heute. Er baute sein Netzwerk aus, wurde Mitglied im Rotary-Club und im Verwaltungsrat des Cercle Munster. Mit den Gewerkschaften und der Regierung verhandelte er im Vorstand der Krankenkasse, der Sozialversicherung und der Rentenkasse. An der Seite des exzentrischen UEL-Präsidenten Nicolas Buck boykottierte er das CPTE, mit dessen „pragmatischem“ Nachfolger Michel Reckinger bestritt er nach Corona und zu Beginn der Energiekrise mehrere Tripartite-Sitzungen, von denen die meisten nicht zugunsten des Patronats ausfielen.

„Er eckt nicht an“

Olingers Schwäche als Lobbyist war vielleicht, dass er nach seinem Wechsel zur UEL zu sehr Steuerberater und Technokrat blieb und die politischen und arbeitsrechtlichen Interessen des Patronats nicht leidenschaftlich und aggressiv genug nach außen vertrat. Das Lëtzebuerger Land bezeichnete ihn 2018 in einem Porträt als „fonctionnaire patronal téflon“, der von einem Talking Point zum nächsten gleite. Auf konkrete Fragen mehr als oberflächlich zu antworten, fällt ihm bis heute schwer; er ist sehr auf seine Selbstdarstellung bedacht. Als „aalglatt“ und „nicht ganz ehrlich im Umgang“ beschreiben ihn Bekannte, bei denen er keinen guten Eindruck hinterlassen hat; „er eckt nicht an“, sagen die, die ihm seine Angepasstheit und Höflichkeit als positive Eigenschaften auslegen.

Vielleicht sind es diese Eigenschaften, die mit den Ausschlag dafür gaben, dass die Wahl von Gilles Roth und Luc Frieden von der CSV auf Jean-Paul Olinger fiel, als sie einen neuen Direktor für die Steuerverwaltung suchten. In den beiden Jahren davor hatte sich Olinger im Rahmen eines von drei renommierten Wirtschaftshochschulen gemeinsam angebotenen MBA als globale Führungskraft weiterbilden lassen.

Du bass jo dann awer en Techniker an hues eng technesch Éierlechkeet, déi een d’ailleurs och geléiert huet

Jean-Paul Olinger, Direktor der Steuerverwaltung

Olingers Vorgängerin Pascale Toussing, der es laut Berichten von Reporter an Management-Qualitäten fehlte, hatte in der Steuerverwaltung ein kollektives Trauma hinterlassen. Mit Jean-Paul Olinger scheint nun wieder Ruhe eingekehrt zu sein. Seine Management-Skills hat er seit dem 1. Mai 2024 unter Beweis gestellt: Er bezieht die 1.200 Beamten in Entscheidungsprozesse mit ein, auch wenn das Angebot längst nicht von allen angenommen wird. Seine Aufgabe besteht aber vor allem darin, die Behörde an die Anforderungen neuer internationaler Vorgaben bei der Unternehmensbesteuerung sowie an die von CSV und DP geplante Individualisierung der Einkommenssteuer anzupassen. Und das gnadenlos veraltete Computersystem vollständig zu erneuern – ohne die Arbeit der Verwaltung dadurch zu beeinträchtigen.

„Du bass jo dann awer en Techniker an hues eng technesch Éierlechkeet, déi een d’ailleurs och geléiert huet. An ech schaffen an dem Kader, dee mer gi gëtt“, sagt der verheiratete Vater von Zwillingen. Steuerpolitik werde im Finanzministerium gemacht, der Verwaltung obliege nur die Umsetzung. Eine zusätzliche Herausforderung dürfte es werden, in Zeiten von Fachkräftemangel neue Mitarbeiter zu finden. Insgesamt werden in den nächsten Jahren 500 gebraucht, die Hälfte davon alleine, um Babyboomer zu ersetzen, die in Rente gehen.

„Produktivität und Rechenschaft“

Olingers Anspruch, der „sinkenden Produktivität“, die „im öffentlichen Dienst vielleicht noch bedenklicher ist als im Privatsektor“, mit „messbaren Resultaten“ zu begegnen und „Rechenschaft abzulegen“ hinsichtlich der öffentlichen Gelder, die „guten Gewissens“ zu verwalten sind, hat wohl auch DP-Kulturminister Eric Thill dazu bewogen, ihn im Februar zum Verwaltungsratspräsidenten des zuletzt wegen Mobbing- und Missmanagement-Vorwürfen in die Schlagzeilen geratenen Mudam zu ernennen. Thill kennt Olinger aus dem Verwaltungsrat der Philharmonie, dem er bis zu seiner Verbeamtung als Vertreter der Zivilgesellschaft angehörte.

Seine vorrangige Aufgabe besteht nun auch im Mudam darin, wieder Ruhe hineinzubringen, „Zuständigkeiten zu definieren“ und „klare Prozeduren festzulegen“. Sollte ihm das gelingen, brauche es eine programmatische Vision der Direktion und langfristig eine Strategie der Regierung, um zu bestimmen, ob das Museum künftig lokal, national, europäisch oder international ausgerichtet sein soll, sagt Olinger. Welche Richtung das Mudam einschlägt, wird auch davon abhängen, wie viel Geld die Regierung bereit ist, dem Museum für Personal zur Verfügung zu stellen. Er sei ein „Manager-Typ“ mit einer „ruhigen Ausstrahlung“, dessen Fähigkeiten, „Menschen zusammenzuführen“ und „einfühlsam, aber nicht überemotional an Dinge heranzugehen“, dem Mudam in der derzeitigen Krisensituation sicherlich helfen könnten, urteilt ein Mitglied des Verwaltungsrats im Gespräch mit dem Tageblatt.

Wenn seine Aufgabe, Ordnung im Mudam zu schaffen, erledigt ist, könne er sich vorstellen, sein Amt wieder einem Kunstexperten zu überlassen, wie sein Vorgänger Patrick Majerus einer war, sagt Jean-Paul Olinger. Wie viele Ausstellungen er im Mudam schon gesehen hat, kann er nicht genau sagen. Immer, wenn er eine neue Stadt besuche, gehe er aber auch ins Museum: „Ech fannen dat flott, dohinnerzegoen.“

Grober J-P.
3. Juni 2025 - 9.20

Scheint irgendwie der Trend zu sein, vom Privaten zum Staat. Man kucke sich mal die Statistiken an!

Grober J-P.
3. Juni 2025 - 9.17

„Ech hu mer geduecht, dass ech just kéint gewannen,"
Sagt alles!
"in Zeiten von Fachkräftemangel neue Mitarbeiter zu finden." Sollte man auch Leute einstellen die im IT Bereich noch KEINE Erfahrung haben.