„Ich setze einen sehr starken Akzent auf die Verteidigung“, betont Isabel Wiseler-Lima gleich zu Beginn, „und das in mehreren Hinsichten.“ So gehört die EVP-Politikerin, wenn auch nur als Stellvertreterin, dem Ausschuss für Sicherheit und Verteidigung an. Erstmals hat das EU-Parlament in dieser Legislaturperiode einen eigenen Ausschuss für Verteidigung geschaffen, ein Politikfeld, das die Mitgliedstaaten seit Russlands Überfall auf die gesamte Ukraine auf EU-Ebene zu einer ihrer Prioritäten gemacht haben.
Ihr Hauptbetätigungsfeld ist jedoch die Verteidigung der Demokratie, der Menschenrechte, der fundamentalen Werte der EU. Als Koordinatorin für ihre Fraktion der „Europäischen Volkspartei“ (EVP) in diesem Bereich im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres sowie im Unterausschuss für Menschenrechte hat Isabel Wiseler-Lima ein gewisses Maß an Einfluss. Die Koordinatoren bestimmen die Agenda in den Ausschüssen, also unter anderem die Themen, die behandelt werden, welche Missionen in EU- oder Drittstaaten durchgeführt werden, wer daran teilnimmt und anderes mehr. Die EVP-Abgeordnete bearbeitete denn auch federführend den Bericht des EU-Parlaments für das Jahr 2024 über die Situation der Menschenrechte und der Demokratie in der Welt. Die in ihren Augen „nur noch schlimmer geworden ist“. Es werde viel offener gegen die Menschenrechte und die Demokratie vorgegangen, universelle Werte würden immer weniger als solche anerkannt. „Es gibt eine Abwertung der Demokratie und Menschenrechte, die ganz erschreckend ist“, stellt Isabel Wiseler-Lima fest. Zudem habe die Zahl der Konflikte zugenommen, wobei Vergewaltigungen in zunehmendem Maße als Waffe eingesetzt werden. „Es ist eine Welt, die hemmungsloser geworden ist.“
Wenn sie von Verteidigung spricht, denkt sie daher konkret an Attacken gegen die Demokratie. Dazu zählt sie auch den Angriff Russlands auf die Ukraine, vor allem hat sie „die hybriden Attacken auf unsere Demokratie“ im Sinn. Ziel dieser hybriden Attacken sei es, die Demokratie zu untergraben und zu destabilisieren, um Unsicherheiten in unseren Gesellschaften zu schaffen, vor allem unter jenen, die an der Demokratie zweifeln. Dabei will sie Verbindungen zwischen autoritären Staaten von außerhalb der EU und der hiesigen extremen Rechten ausgemacht haben.
Entweder lassen sich die demokratischen Staaten von den Autokratien überrollen oder sie stärken sich derart, dass die anderen davon absehen, die Demokratien zu attackieren. Ich bin für die zweite Lösung.
In Sachen militärischer Verteidigung müssten die EU-Staaten mehr zusammenarbeiten. „Das ist maßgebend, das ist der zentrale Punkt“, betont die EVP-Abgeordnete. Verteidigung gehöre zwar nicht zum Kompetenzbereich der EU, doch könne sie die Bedingungen für eine Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten sowie Anreize schaffen. Insbesondere in der Rüstungsindustrie, etwa um die Produktivität zu steigern. Denn Russland würde derzeit weitaus mehr produzieren. „Das wird nicht ernst genug genommen“, findet Isabel Wiseler-Lima und meint, die EU-Staaten könnten nicht abwarten, bis die USA Entscheidungen treffen. Die Europäer seien derzeit „absolut nicht bereit, militärisch ohne die USA klarzukommen“, stellt sie fest. Das müsse nun in beschleunigtem Maße geändert werden.
Gefahr durch autoritäre Staaten
Es sei nun nicht so, als wollten sich die 27 Staaten dazu entschließen, einen Krieg gegen einen anderen Staat zu führen. Vielmehr seien autoritäre Staaten „einfach eine Gefahr für uns“, meint die EVP-Politikerin. Demokratien hingegen seien nicht aus militärischen Gründen eine Gefahr für autoritäre Staaten, sondern wegen ihres Gesellschaftsmodells, sinniert Wiseler-Lima weiter. Deshalb die hybriden Attacken auf die Demokratien. „Entweder lassen sich die demokratischen Staaten von den Autokratien überrollen oder sie stärken sich derart, dass die anderen davon absehen, die Demokratien zu attackieren. Ich bin für die zweite Lösung.“
Doch auch im Bereich der Raumfahrt, der mit dem Verteidigungsdossier verknüpft ist, hinkten die Europäer anderen Akteuren hinterher und müssten demnach Rückstände aufgeholt werden, mahnt Wiseler-Lima. Dabei gehe es insbesondere darum, die für die Kommunikation wichtigen Satelliten zu schützen.
Eingehender hat sich die EVP-Politikerin als sogenannte Schattenberichterstatterin mit der Türkei und den Fortschritten des Landes als EU-Bewerberland befasst. Vor Ort habe sie mit Regierungsvertretern, Abgeordneten, Journalisten und anderen Akteuren im Land Gespräche geführt und festgestellt, dass viele unbedingt am Kandidatenstatus für einen EU-Beitritt festhalten, auch wenn die Situation keine einfache sei. Denn die Türkei gehen in Sachen Demokratie „große Schritte zurück“. Zudem habe das Land eine zweideutige Haltung gegenüber Russland oder in ihrer Syrienpolitik, findet die EVP-Politikerin. „Die Demokratie funktioniert in der Türkei nicht so, wie wir das verlangen. Sie sind null bereit, um mit der EU die Verhandlungen in irgendeiner Weise wieder aufzunehmen.“
„Wir machen eine Mitte-rechts-Politik“
Weiter führte eine Wahlbeobachtermission die EVP-Politikerin nach Albanien, parlamentarische Missionen gingen nach Kirgistan, nach Warschau sowie nach Genf zu Gesprächen mit den dort ansässigen internationalen Organisationen wie der Weltgesundheitsorganisation, der Welthandelsorganisation, der UN-Menschenrechtskommission und dem Internationalen Roten Kreuz.
Angesprochen auf das Abstimmungsverhalten ihrer EVP-Fraktion und dem Vorwurf, sie habe wiederholt gemeinsame Sache mit den rechtspopulistischen und rechtsextremen Fraktionen gemacht, verweist Isabel Wiseler-Lima darauf, dass die EVP ihre eigenen Positionen habe, die sie bei Abstimmungen zum Ausdruck bringe. Dabei komme es nun einmal vor, dass die extreme Rechte ebenso abstimmt wie ihre Fraktion. „Wir machen eine Mitte-rechts-Politik“, so die EU-Parlamentarierin, die betont: „Es gibt keine Abkommen, es wird nicht mit der extrem Rechten zusammengearbeitet. Das ist klar und eindeutig.“ Sollte so etwas passieren, wäre das auch in der EVP „ein Riesenproblem“. Sie selbst würde keine Änderungsanträge der Rechtsextremen mitstimmen – auch wenn sie es zugegebenermaßen einmal zu Beginn der Legislaturperiode getan habe – oder sie stimmt dagegen. Allerdings sei das nicht die Haltung aller EVP-Abgeordneten. Außerdem hätten auch schon andere Faktionen von einem identischen Stimmverhalten der extrem Rechten bei Abstimmungen profitiert, moniert die EVP-Politikerin.
Sie sei „froh über die Koalition in der Mitte“, die neben der EVP, die Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen vereint. Auch wenn es immer wieder zu Streit komme, „funktioniert die Koalition gut“. Immerhin gehe es darum, die Demokratie zu verteidigen. Und das müsse zusammen getan werden, findet Isabel Wiseler-Lima.
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