28. November 2025 - 6.38 Uhr
GesundheitIntellektuelle vs. Techniker: Nach internen Spannungen rudert die AMMD etwas zurück
Am Donnerstagnachmittag revidierte die AMMD auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz in ihrem Sitz im Hauptstadtviertel Hollerich wesentliche Forderungen aus den letzten Wochen und ruderte teilweise zurück. Nach internen Spannungen hatte der Vorstand sich das letzte Mal am Mittwoch getroffen und im Anschluss einen Newsletter an die AMMD-Mitglieder verschickt. Nach langen Diskussionen habe der Vorstand sich darauf geeinigt, dass die AMMD keine Finanzinvestoren an Arztgesellschaften beteiligt sehen möchte, verkündete der Präsident der Ärztevereinigung, Chris Roller. Ausschließlich Mediziner wolle man zu diesen Gesellschaften zulassen, zu deren Gründung CSV-Gesundheitsministerin Martine Deprez zeitnah einen Gesetzentwurf vorlegen will.
Die Beteiligung von Finanzinvestoren sei ein „großer Streitpunkt“ gewesen zwischen Fachärzten, Zahnärzten und Hausärzten, sagte Roller. Nach der außerordentlichen Generalversammlung am 8. Oktober hatte er noch erklärt, die AMMD wolle sich nicht verschließen, Partner, die keine Ärzte sind, in die Gesellschaften aufzunehmen – insbesondere in Praxen, die teure Ausrüstung benötigen. Allerdings müssten die Ärzte in den Gesellschaften die Mehrheit der Anteile halten und Finanziers dürften kein Mitspracherecht haben. Diese Woche hat sie das verworfen, allerdings müsse sichergestellt werden, dass die realen Kosten ambulanter Arztgesellschaften über Pauschalbeträge wie in den Spitälern finanziert werden, so Roller.
Der Zahnarzt und AMMD-Vizepräsident Carlo Ahlborn zeigte am Donnerstag Verständnis dafür, dass Mediziner die Zusammenarbeit mit Investoren erwägen, weil sie die Finanzierung ihrer Praxis nicht mehr alleine stemmen könnten. Im Gegensatz zu Schreinern und Bäckern etwa könnten Ärzte ihre Tarife nicht einfach erhöhen, wenn die Mieten und die Personalkosten steigen, sondern seien auf die Gesundheitskasse CNS angewiesen, die der Kostenentwicklung in der Aufwertung der „lettre-clé“ aber nicht ausreichend Rechnung trage. Das aktuelle Gesundheitssystem sei nicht „equitabel“, meinte Ahlborn, weil Staat und CNS den Spitälern „alles bezahlen“ – Bau, Personal, Unterhalt –, während die Ärzte, die außerhalb der Krankenhäuser praktizieren, alles von ihrem Honorar bezahlen müssten.
„Versichertenvertretung“
An ihrer Forderung nach einer selektiven Konventionierung hält die AMMD hingegen fest, obwohl es in diesem Punkt Meinungsverschiedenheiten gab zwischen den Ärzten, die vor allem „actes intellectuels“ durchführen, und denen, die mehr „actes techniques“ praktizieren. Erstere sind zufrieden mit der obligatorischen Konventionierung, Letztere könnten mehr Geld verdienen, gäbe es sie nicht. Roller stellte klar, Tarifautonomie bedeute jedoch nicht, dass die Ärzte ihre Tarife frei bestimmen können, sondern, dass die Vereinigungen der jeweiligen Fachärzte neue Behandlungen in die Nomenklatur aufnehmen und in Absprache mit dem „Collège médical“ selbst den Tarif festlegen könnten. Das sei notwendig, weil die Nomenklaturkommission, in der neben der CNS auch die AMMD vertreten ist, manchmal zu viel Zeit benötige und den medizinischen Fortschritt ausbremse, meinte Roller. Und wenn Ärzte neue Behandlungen wegen fehlender Tarife nicht anbieten könnten, würden die Patienten dazu ins Ausland gehen, was nicht Sinn der Sache sei. Vor allem die Beteiligung der Gewerkschaften im Verwaltungsrat der CNS ist der AMMD ein Dorn im Auge. Sie repräsentierten nicht alle Versicherten, sondern nur die Beschäftigten, sagte Roller. Deshalb wünscht die AMMD sich eine „nationale Versichertenvertretung“, die OGBL und LCGB in der CNS ersetzt.
Nach der Auflösung der Konvention mit der CNS vor vier Wochen und ihren anschließenden Forderungen nach einer selektiven Konventionierung und Tarifautonomie hatten nicht nur politische Parteien und Gewerkschaften, sondern auch das „Collège médical“, die „Conseils médicaux“ der Krankenhäuser, der Krankenhausverband FHL und die „Médecins salariés hospitaliers“ (MSH) sich der AMMD öffentlich entgegengestellt. Die MSH sondiert sogar unter den Krankenhausärzten, ob es sich lohnt, eine neue Ärztevereinigung zu gründen, die der AMMD ihre nationale Repräsentativität streitig machen und ihr die Verhandlungen mit der CNS über eine neue Konvention abnehmen könnte. Ob ihr das gelingt, wird sich am Montag auf der außerordentlichen Generalversammlung der MSH zeigen.
Wegen interner Spannungen war der Druck auf die AMMD diese Woche noch zusätzlich gestiegen. Eric Sassel, Hausarzt aus Käerjeng und AMMD-Vorstandsmitglied, hatte sich am Sonntag in einer Mitteilung an die Öffentlichkeit gewandt, in der er sich gegen die Beteiligung von Finanzinvestoren an Arztgesellschaften, gegen die selektive Konventionierung und gegen das Vorhaben aussprach, dass Ärzte andere Ärzte als Beschäftigte einstellen dürfen. Er reichte drei entsprechende Motionen ein, über die die Generalversammlung der AMMD am 17. Dezember abstimmen soll. Offen unterstützte ihn kein anderes Vorstandsmitglied, doch aus Ärztekreisen ist zu vernehmen, dass eine Mehrheit der insgesamt rund 1.000 AMMD-Mitglieder seine Einwände teilen.
„Prérogative“
AMMD-Präsident Chris Roller, Urologe an den Hôpitaux Robert Schuman, kritisierte Sassel daraufhin scharf für dessen Vorstoß. „En tant que membre du CA de l’AMMD tu n’as pas le droit de communiquer à l’extérieur au nom de l’AMMD. Ceci est la prérogative du Président du CA“, heißt es in einem Schreiben, das dem Tageblatt vorliegt. Dass Sassel die Entscheidung, die der Verwaltungsrat gemeinsam getroffen habe, öffentlich infrage stelle, schade der Stellung der AMMD sehr, schrieb Roller, und forderte Sassel dazu auf, aus dem Verwaltungsrat der AMMD zurückzutreten, um seine „moralische Integrität“ zu wahren. Sassel zeigte sich davon jedoch wenig beeindruckt und bemängelte in seiner Antwort, der Verwaltungsrat habe Entscheidungen nicht kollektiv getroffen und die Mitglieder seien erst rückwirkend informiert worden, nachdem die Entscheidung von der AMMD-Spitze getroffen worden sei: „Demissionéieren, wéi hie mir et suggeréiert, géif fir mech engem Aveu d’une faute gläichen, déi ech net gemaach hunn. An esou e Geständnis wäert ech sécher net ofleeën“, kontert Eric Sassel.
Sein Vorstoß hat sicherlich mit dazu beigetragen, dass der AMMD-Vorstand diese Woche seine Position revidierte und eine Art Kompromisslösung fand. An der Forderung, dass Ärzte andere Ärzte in Arztgesellschaften einstellen dürfen, hält die AMMD ebenfalls weiterhin fest. Diese Bestimmung war auch im Gesetzentwurf enthalten, den die AMMD vor drei Jahren für die damalige LSAP-Gesundheitsministerin Paulette Lenert geschrieben hatte. Martine Deprez hatte ihn im Januar 2024 zurückgezogen und will nun einen neuen hinterlegen.
De Maart

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