In Syrien gibt es auch ohne Krieg keinen Frieden

In Syrien gibt es auch ohne Krieg keinen Frieden

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

In Syrien geht der Kampf zwischen den Rebellen und Machthaber Baschar al-Assad nach sieben Jahren auf sein Ende zu. Nach dem Verlust von Ost-Ghuta und Daraa kontrollieren die Aufständischen nur noch die Provinz Idlib. Vorbei ist der Krieg aber noch lange nicht, denn es bleiben noch viele Konfliktpunkte.

Der Krieg in Syrien könnte auf sein Ende zusteuern. Was danach kommt, weiß allerdings keiner so recht. Mehrere Konfliktpunkte erschweren eine internationale Lösungssuche. Am  Samstag wurde Russlands Präsident Wladimir Putin zu Gesprächen bei der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel erwartet. Syrien wird eines der Gesprächsthemen sein.

Anfang September dann wollen Deutschland, Russland, Frankreich und die Türkei in Istanbul über den Konflikt beraten. Ob dabei Lösungsansätze entstehen können, bleibt abzuwarten. Neben der Türkei und Russland sind auch die USA und Iran Konfliktparteien in diesem Krieg – und zu diesen Gesprächen nicht eingeladen.

Letzte Schlacht in Idlib?

Der akuteste Konfliktpunkt ist die Provinz Idlib. Assad hat bereits Truppen am Rande der letzten Rebellenhochburg zusammengezogen, die vor allem islamistische Gruppen und Dschihadisten kontrollieren, und die Armee hat mit Luftangriffen begonnen. Russland hat signalisiert, dass es eine Offensive gegen „Terroristen“ in Idlib unterstützt. Die Türkei fürchtet, dass dies zu einem „Massaker“ führt und Hunderttausende Syrer zur Flucht über ihre Grenze treibt. Die türkische Armee unterhält zwölf Beobachtungsposten in Idlib, um eine Waffenruhe zu überwachen, kann aber eine Offensive kaum verhindern.

Darüber hinaus hat Assad bereits klargemacht, dass er sich von der Türkei nicht von der Rückeroberung Idlibs abhalten lassen wird. Gelingt ihm die Einnahme der Provinz, stehen seine Truppen direkt südlich der Region Afrin und des Gebiets um Al-Bab, welche die türkische Armee mit verbündeten Rebellen seit August 2016 von den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) und der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) erobert hat. Langfristig wird Assad dieses türkische Protektorat kaum dulden.

Und es gibt weitere Probleme. Während der Nordwesten von der Türkei besetzt ist, wird der Nordosten von den Kurden kontrolliert. Mit der Duldung Assads und zum Unmut der Türkei haben die kurdische Partei der Demokratischen Union (PYD) und ihr bewaffneter Arm, die YPG, dort eine eigene Verwaltung aufgebaut. Unterstützt werden sie im Kampf gegen die IS-Miliz von rund 2.000 US-Spezialkräften. Seit einiger Zeit verhandelt die PYD mit Assad über den Status ihrer Gebiete in der Hoffnung, ihre Autonomie zu bewahren.

Die Assad-Frage

Im Kampf gegen die Rebellen ist Assad wiederum auf die Unterstützung der russischen Luftwaffe und der iranischen Revolutionsgarden angewiesen. Zwar lässt der Iran vor allem schiitische Milizen aus dem Libanon, dem Irak und Afghanistan kämpfen, doch ist auch eine große Zahl iranischer „Militärberater“ in Syrien stationiert. Deren Präsenz sieht Israel als Bedrohung und fliegt regelmäßig Luftangriffe auf iranische Stellungen. Dauerhafte Stützpunkte seines Erzfeinds in Syrien will Israel nicht akzeptieren.

Da sich der Krieg in vielen Landesteilen seinem Ende nähert, stellt sich die Frage nach der Rückkehr der fünf Millionen Syrer, die ins Ausland geflohen sind. Die Türkei, Jordanien und der Libanon dringen auf die Heimkehr der Flüchtlinge, die für sie eine schwere Last sind. Zudem richtet sich der Fokus auf den Wiederaufbau des zerstörten Landes. Weder der Iran noch Russland haben dazu die Mittel, weshalb die Regierung in Damaskus auch die Hilfe der Europäer und der Golfstaaten gewinnen will. So will Saudi-Arabien 100 Millionen Dollar (88 Millionen Euro) für den Wiederaufbau von Gebieten in Syrien bereitstellen – die allerdings nicht von der syrischen Regierung kontrolliert werden dürfen.

Was zum nächsten und vielleicht größten Knackpunkt führt: Der Umgang mit Assad. Neben den Golfstaaten sind auch die Europäer kaum gewillt, Assad den Wiederaufbau seines Landes zu finanzieren, für dessen Zerstörung ihm eine große Schuld gegeben wird.

Wie auch die Türkei wollen sie einen Verbleib Assads an der Macht bestenfalls für eine Übergangsphase akzeptieren. Es ist aber weder absehbar, dass er gestürzt wird, noch dass er die Macht freiwillig abgibt, die zu bewahren er so viel Blut vergossen hat. Internationale Verhandlungen über eine Nachkriegsordnung stecken nicht zuletzt wegen des Umgangs mit Assad seit Jahren fest.